Die kostenfreien Bürgertests sollen eingeschränkt werden. Anlasslose Abstriche für alle soll es nicht mehr geben. Der Verband der Akkreditierten Labore in der Medizin (ALM) hält diesen Schritt „für unmedizinisch und unethisch.” Vor einigen Wochen klang das noch anders.
Man sei „schockiert“ über das Vorhaben der Bundesregierung, die kostenlosen Bürgertestungen auf bestimmte – vor allem symptomatische – Patient:innen zu beschränken. Der Verband bewertet die Entscheidung als unmedizinisch und unethisch.
Laut Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sollen nur noch Patient:innen mit Symptomen einen Anspruch auf einen kostenfreien Test haben. Weitere ausgewählte Personengruppen, darunter Kleinkinder und Schwangere, sollen ebenfalls anspruchsberechtigt bleiben.
Im März hatte sich der ALM noch gegen anlasslose Testungen ausgesprochen. „Wir müssen zurück zur anlassbezogenen Testung. Natürlich soll diese weiterhin niederschwellig sein, aber es müssen wieder bestimmte Personengruppen in den Vordergrund rücken“, so Dr. Michael Müller, Vorsitzender des ALM. „Anlasslose Massentestungen haben in der Eindämmung der Rate an Neuinfektionen gegenüber der konsequenten Einhaltung der bekannten Basis-Schutzmaßnahmen wie Kontaktreduktion, Maske tragen, Abstand halten und Lüften in Innenräumen bisher keinen alleinigen Zusatznutzen entwickeln können. Wir sollten die dafür erforderlichen Finanzmittel in Zukunft eher für das zielgerichtete präventive Testen von besonders vulnerablen Gruppen nutzen.“
Auch für die Wiedereinführung des Arztvorbehaltes sprach sich Müller aus. Sein damaliger Wortlaut: „Die Bude von nebenan“ sollte schnellstmöglich verschwinden. Es gebe genügend Beispiele dafür, dass die Tests vielerorts nicht gut durchgeführt würden. „Nicht selten ist der Test zu Hause positiv. In der Teststelle erhalten die Betroffenen hingegen ein negatives Ergebnis. Eine angeschlossene PCR-Überprüfung aufgrund von auftretenden Symptomen ist dann wieder positiv.“ Durch die Wiedereinführung des Arztvorbehaltes würde eine Testung in der Apotheke nicht mehr möglich sein. Der Aufwand für die Bürger:innen würde größer werden. Apotheken wurden als niederschwelliges Angebot für Coronatests gut angenommen.
Nun rücken die symptomlosen Personen beim ALM wieder in den Fokus. Der Grund: Medizinisch sei es wichtig, so früh wie möglich zu wissen, ob jemand infiziert sei oder nicht. Denn so könnten die Patient:innen von mittlerweile verfügbaren Coronatherapien wie Paxlovid (Nirmatreliv/Ritonavir, Pfizer) optimal profitieren. „Die Testung symptomatischer Patienten in nichtärztlichen Testzentren würde den Einsatz dieser Medikamente unnötig verzögern und dadurch gerade die Menschenleben gefährden, die gemäß der Strategie gerettet werden sollen“, heißt es hierzu seitens des ALM.
Den Arztvorbehalt wünschen sich die Labore immer noch. In ärztlichen Laboren, die auf Überweisung von Fachärzten hin testen, sei eine funktionierende Infrastruktur vorhanden, sodass der teure Aufbau von Parallelstrukturen nicht erforderlich sei. Die Fachärzt:innen sprechen sich ebenfalls für die Durchführung in Arztpraxen doer ärztlich geführten Testzentren aus. „Wir als Fachärztinnen und Fachärzte können nur davor warnen, diese Strategie zu verfolgen“, sagt Dr. Daniela Huzly, Bundesvorsitzende des Berufsverbands der Ärzte für Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie. „Symptomatische Personen gehören ausschließlich in die Obhut qualifizierter Ärztinnen und Ärzte. Alles andere wäre eine schlechte Patientenversorgung und muss der Öffentlichkeit so auch deutlich gemacht werden!“
Der ALM hat seit Jahresanfang für mehr strategisches Handeln bei der Überarbeitung der Teststrategie plädiert. Generell hatten die Labore die schlechte Planbarkeit, die sich aufgrund später Entscheidungen ergibt, immer wieder kritisiert. So hieß es seitens des ALM bereits im Mai: „Die medizinischen Labore benötigen jetzt klare Entscheidungen dazu, welche Gruppen asymptomatischer Personen in welchem Umfang zu welchem Zweck weiterhin getestet werden sollen. Denn es ist notwendig, dass wir in den kommenden Wochen die Voraussetzungen dafür schaffen, die für den Herbst und Winter notwendigen Testkapazitäten weiterhin verfügbar zu haben.“
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