In kurzen Abständen legt Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) Gesetze und Verordnungen zur Bewältigung der Corona-Krise vor und greift dabei ins Arzneimittel- und Apothekenrecht ein. Nur bei einem Thema geht es nicht voran: Das Apothekenstärkungsgesetz (VOASG) liegt seit Monaten auf Eis, weil die EU-Kommission immer noch keine Stellungnahme zum geplanten Rx-Boni-Verbot abgegeben hat. Jetzt grummelt es in den Reihen der CDU/CSU-Gesundheitspolitiker, die Verärgerung über die Brüsseler Behörde wächst. Vergangene Woche machte wieder mal ein Plan B die Runde: Warum nicht wieder zurückkehren zum Koalitionsvertrag und Rx-Versandhandelsverbot? Schließlich haben sich die Vor-Ort-Apotheken in der Corona-Krise bewährt.
„Gerade in der Corona-Krise hat sich gezeigt, dass nur auf die Vor-Ort-Apotheken Verlass ist. Desinfektionsmittel gäbe es ohne die vielen Apotheken nicht in ausreichender Menge. Wir sind bei den Apothekern in der Pflicht, bis zum Ende der Legislaturperiode zu liefern. Wenn die EU-Kommission nicht zu Potte kommt, dann sollten wir das Versandhandelsverbot so umsetzen, wie es im Koalitionsvertrag steht. Wenn nicht zügig die Preisgleichheit gesetzlich festgelegt werden kann, dann müssen wir wieder über das Versandhandelsverbot reden“, fordert jetzt CDU-Gesundheitspolitiker Alexander Krauß. Damit steht Krauß dem Vernehmen nach nicht alleine, auch wenn sich andere Gesundheitspolitiker der Union derzeit nicht äußern wollen. Der Respekt vor Bundesgesundheitsminister Spahn ist groß und niemand weiß, ob er einen solchen Weg mitgehen würde. Schließlich muss die Bundesregierung das VOASG in den Bundestag zur Beratung einbringen. Das Bundesgesundheitsministerium hat sich bislang nicht zum weiteren Vorgehen beim VOASG geäußert.
In seiner Halbzeitbilanz hatte auch Abda-Präsident Friedemann Schmidt auf entsprechende Signale aus der CDU/CSU-Fraktion hingewiesen: Die Antwort der EU-Kommission steht bis jetzt aus: „Erst langsam mehren sich die Stimmen insbesondere in der CDU-Fraktion, den überfälligen Gesetzentwurf nötigenfalls ohne das Kommissionsvotum an den Bundestag zuzuleiten und zu beschließen. Und dafür wird es höchste Zeit.“ Allerdings hatte der Abda-Präsident noch Ende März seine Einschätzung zu Protokoll gegeben, dass angesichts der Konzentration auf die Corona-Krise nicht mit einer Beratung des VOASG im Bundestag zu rechnen sei.
Ob bei der Wiederherstellung der Preisbindung für rezeptpflichtige Medikamente oder beim Einführen des E-Rezepts: Jede Maßnahme müsse sich daran orientieren, ob und wie sie das System einer dezentralen, wohnortnahen Arzneimittelversorgung durch Apotheken vor Ort stütze, fordert Schmidt: „Der Wert und die Resilienz dieses Systems stellen sich gerade während der Corona-Krise unter Beweis. Auch die Politik muss das anerkennen.“ Und wenn im Abflauen der Krise die Diskussion um die „lessons learned“ beginne, dann werde die Zukunft der Apotheken zu besprechen sein. Der Abda-Präsident: „Die vielen tausend inhabergeführten Apotheken vor Ort sind eine der wichtigsten, stabilsten und zugleich flexibelsten Säulen des Gesundheitssystems in Deutschland. Sie ordnungspolitisch abzusichern und gesundheitspolitisch zu fördern, ist eine raison d‘être.“
Im Herbst 2019 hatte die Bundesregierung das VOASG solange auf Eis gelegt, bis die EU-Kommission die Rx-Boni-Verbotspläne rechtlich bewertet habe. Anfang wurde mit einer kurzen Frist bis zum Jahresende gerechnet. Dann verzögerte sich die Zusammensetzung der neuen EU-Kommision unter Leitung von Ursula von der Leyen. In der Zwischenzeit gab es Signale, dass die Beamten der EU-Komission dem geplanten Rx-Boni-Verbot ablehnend gegenüberstehen. Ende Juni stattete dann der zuständige EU-Kommissar Thierry Breton Spahn einen Besuch ab. Aber auch dies brachte keine Klarheit.
Darauf erklärte CDU-Gesundheitspolitiker Dr. Georg Kippels im Interview mit APOTHEKE ADHOC, dass er Chancen sehe, auch unter Spahns Ägide ein Rx-Versandverbot durchzusetzen: „Das denke ich schon.“ Es gehe dabei „um bestimmte Fragestellungen von zulässigen oder unzulässigen ökonomischen Anreizen“. Es sei ja nicht zufriedenstellend gelungen andere Lösungen zu finden. Deshalb sei die Notwendigkeit gegeben, „dass man dann an einem solchen Punkt eine wohldurchdachte und für den eigenen Entscheidungshintergrund überzeugende Lösung anstrebt – im Extremfall wohl wissend, dass sie nochmal einer juristischen Überprüfung unterzogen wird“.
Wenn es sich nicht vermeiden lasse und der objektiven Aufklärung der Sache diene, dann müsse auch konsequenterweise dieser Weg gegangen werden. „Die Politik kann nicht immer mit Kompromissen auch harte Entscheidungen vermeiden. Das hier ist so ein Fall. Wenn die angedachten Kompromisse einfach nicht funktionieren, dann muss auch mal eine klare Entscheidung her und die könnte dann auch durchaus einer Prüfung unterzogen werden, dafür sind wir ein rechtsstaatliches System“, so Kippels.
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