Bundestag und Bundesrat beschließen Konjunkturpaket

Keine Ausnahme: Apotheken zahlen bei Mehrwertsteuersenkung drauf

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Berlin -

Bundestag und Bundesrat wollen heute in Sondersitzungen das Konjunkturpaket verabschieden, das Konsum und Wirtschaft in der Corona-Krise wieder ankurbeln soll. Es beinhaltet insbesondere die bis zum Jahresende begrenzte Senkung  der Mehrwertsteuer von 19 auf 16 Prozent und den Bonus von 300 Euro für jedes kindergeldberechtigte Kind. Die herabgesetzte Mehrwertsteuer von 7 Prozent soll bis zum Jahresende auf 5 Prozent gesenkt werden. Die Apotheken werden durch die Senkung als einzige Branche mit circa 12 Millionen Euro belastet. Alle Versuche, den nicht beabsichtigten Kollateralschaden abzuwenden, scheiterten.

 

Im Zuge der Senkung der Mehrwertsteuer von 19 auf 16 Prozent sinkt auch das Netto-Apothekenhonorar wegen der Berechnung des Kassenabschlags um rund 4 Cent pro Rx-Arzneimittel und Rezeptur. Nach Abzug des PKV-Rezeptanteils, für den kein Kassenabschlag abgeführt wird, werden die Apotheken somit für die Dauer von sechs Monaten mit gut 12 Millionen Euro belastet. Zunächst war aus Koalitionskreisen zu vernehmen, das man diesen unbeabsichtigten Kollateralschaden durch eine Korrektur verhindern werde. Niemand könne vertreten, dass ausgerechnet Apotheker mit dem Corona-Konjunkturpaket finanziell schlechter gestellt würden. Schließlich seien Apotheken mehrfach, auch von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), für ihre Leistungen zur Bekämpfung der Corona-Krise gelobt worden, hieß es aus Koalitionskreisen zunächst.

Auch der Deutsche Apothekerverband (DAV) hatte sich zu Wort gemeldet: Das könne nach monatelangem „Geackere“ der Apotheken an der „Coronafront“ doch nicht Ziel der Politik sein, so der Vorsitzende Fritz Becker: „Der Effekt macht einen zweistelligen Millionenbetrag im Jahr aus. Gerade nachdem die Apotheken monatelang an der ‚Coronafront‘ geackert haben, ist es bestimmt nicht Ziel der Politik, dass sie im Zuge des Konjunkturprogramms Nachteile erleiden. Hier geht es um einen unbeabsichtigten und unerwünschten Nebeneffekt, den der Gesetzgeber verhindern beziehungsweise ausgleichen kann. Genau dazu sind wir im Gespräch mit der Politik“ – ohne Erfolg. Denn heute wird die Senkung ohne Ausnahme für die Apotheken beschlossen. Auch die Regierung wollte nicht nachbessern und verwies hinter vorgehaltener Hand auf das neue Botendiensthonorar von 5 Euro, das den Schaden durch die Mehrwertsteuersenkung überkompensiere.

Zunächst wird am Vormittag der Bundestag zusammentreten, um das sogenannte zweite Corona-Steuerhilfegesetz abschließend zu beraten und zu beschließen. Ist dies geschehen, wird sich am Nachmittag der Bundesrat damit befassen. Die Sondersitzungen sind notwendig, damit die Senkung der Mehrwertsteuer zum 1. Juli in Kraft treten kann. Die Länderkammer will außerdem über den zweiten Nachtragshaushalt beraten, der zur Finanzierung des Konjunkturpakets erforderlich ist. Er sieht eine Erhöhung der Neuverschuldung um weitere 62,5 Milliarden Euro auf dann insgesamt rund 218,5 Milliarden Euro vor. So viele neue Schulden hat nie zuvor eine Bundesregierung aufgenommen.

Aus Sicht der FDP wird die Mehrwertsteuersenkung den in der Corona-Krise eingebrochenen Konsum nicht nachhaltig ankurbeln. Die Regierung setze hier auf das Prinzip Hoffnung, sagte der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Marco Buschmann. „Die 20 Milliarden Euro hätte man besser in eine dauerhafte Entlastung der Menschen und Unternehmen gesteckt, etwa durch die vollständige Abschaffung des Solis oder des sogenannten Mittelstandsbauchs.“

Stattdessen werde ein Strohfeuer entzündet, das zum Jahreswechsel wie eine Steuererhöhung wirke, sagte Buschmann. „Der Konsum und die Begeisterung der Menschen werden sich stark in Grenzen halten. Auch die Händler profitieren nur bedingt, weil sie kurzfristig alle Preise neu auszeichnen und ihre Kassen umstellen müssen.“ Die Senkung der Mehrwertsteuer sei also vor allem ein teurer Bürokratieimpuls und werde nicht für den nötigen Neustart in Deutschland sorgen.

Bundesfinanzminister Olaf Scholz erwartet sich von der Senkung der Mehrwertsteuer dagegen eine steigende Konsumlaune. „Wir verbessern die Kaufkraft der Bürger“, erläuterte der SPD-Politiker bei der ersten Beratung des Konjunkturpakets im Bundestag. Die Steuersenkung solle diejenigen, die Anschaffungen wegen der Krise aufschieben wollten, vom Gegenteil überzeugen.

 

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