Covid19-Patienten werden im Rahmen einer von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) koordinierten Studie ab sofort nicht mehr mit Kaletra (Lopinavir/Ritonavir) behandelt, das gegen HIV entwickelt worden war. Ausschlaggebend seien keine Sicherheitsbedenken, betonte eine WHO-Sprecherin am Samstag in Genf. Vielmehr habe sich gezeigt, dass die Mittel bei den Patienten praktisch keinen Einfluss auf den Verlauf der Krankheit hatten.
Lopinavir und Ritonavir gehören zu den Proteaseinhibitoren und werden zur Behandlung von HIV-Infektionen eingesetzt. Die Zulassung des Fertigarzneimittels Kaletra erfolgte im März 2001. Beide Wirkstoffe hemmen die HIV-Protease. Diese ist ein Schlüsselenzym und dafür zuständig, das von der befallenen Wirtszelle produzierte Protein zu spalten. Durch die Hemmung des Enzyms kommt es zur Anhäufung nichtinfektiöser Virus-Vorstufen. Lopinavir ist in Kaletra mit Ritonavir kombiniert.
Schon bei der Sars-Pandemie im Jahr 2002 wurde den Infizierten Kaletra (außerhalb der EU Aluvia) gegeben, teilweise mit Erfolg. Die Wirkstoffe bilden über Wasserstoffbrückenbindungen einen Komplex mit dem Sars-Virus. Die Ergebnisse der damaligen Studie konnten zeigen, dass die Wirkstoffe als Inhibitoren im gewissen Maße an das aktive Zentrum von Sars-CoV-1 gebunden haben.
Ende Februar rückte die Kombination in den Fokus, da Wissenschaftler eine Wirksamkeit gegen Sars-CoV-2 vermuteten. Bereits Mitte Mai wurde allerdings im New England Journal of Medicine (NEJM) eine erste Studie zur Wirksamkeit publiziert, deren Ergebnisse ernüchternd waren. „Bei hospitalisierten Patienten mit schwerer Covid-19-Erkrankung wurde kein Vorteil mit Lopinavir/Ritonavir gegenüber eine Standardbehandlung beobachtet“, so die Wissenschafter. Bei den Nebenwirkungen kam es in der Lopinavir/Ritonavir-Gruppe häufiger zu gastrointestinalen Beschwerden, schwerwiegende unerwünschte Ereignisse waren in der Standardtherapie-Gruppe häufiger.
Ähnlich sehen die bisherigen Ergebnisse für das Malaria-Mittel Hydroxychloroquin aus. Das Ende der Tests damit hatte die WHO schon am 17. Juni angekündigt. Hydroxychloroquin war in den Schlagzeilen, weil US-Präsident Donald Trump es mehrfach angepriesen hatte.
Es gehe nur um die Tests bei schwer kranken Patienten, die wegen der durch das Coronavirus Sars-CoV-2 ausgelösten Krankheit Covid-19 im Krankenhaus behandelt werden, betonte die WHO. Andere mögliche Tests solcher Mittel etwa zur Vorbeugung gegen eine Erkrankung seien nicht betroffen.
In der Solidaritätsstudie werden Testergebnisse bei rund 5500 Patienten in 39 Ländern verglichen. Getestet wird, ob bereits vorhandene Mittel den Verlauf der Covid-19-Erkrankung positiv beeinflussen können. Tests mit weiteren Mitteln gehen weiter, etwa mit dem ursprünglich gegen die Viruserkrankung Ebola entwickelten Mittel Remdesivir und dem Entzündungshemmer Dexamethason. Remdesivir hatte in einer anderen Studie den schweren Krankheitsverlauf abgemildert und die Krankheitsphase verkürzt. Es wurde gerade als erstes Medikament gegen Covid-19 in der EU zugelassen.
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