Im Kampf gegen die aktuelle Covid-19-Epidemie forschen Wissenschaftler nicht nur an neuen Therapieoptionen und Impfstoffen – auch bereits am Markt befindliche Wirkstoffe werden auf ihre Wirksamkeit gegen SARS-CoV-2 geprüft. Neben einer möglichen Wirksamkeit vom Malariamittel Chlorquin wird auch der Einsatz von HIV-Medikamenten diskutiert. Die Proteaseinhibitoren Lopinavir und Ritonavir (Kaletra, Abbvie) zeigen erste positive Ergebnisse. Verlässliche Aussagen über die Wirksamkeit gegenüber Covid-19 werden in zwei bis drei Wochen erwartet.
Eine spezifische Medikation gegen Covid-19 gibt es aktuell nicht – die Behandlung erfolgt symptomatisch. Chinesische Wissenschaftler testen die mögliche Wirksamkeit von Lopinavir und Ritonavir. Schon bei der SARS-Pandemie im Jahr 2002 wurde den Infizierten Kaletra (außerhalb der EU Aluvia) gegeben, teilweise mit Erfolg. Die Wirkstoffe bilden über Wasserstoffbrückenbindungen einen Komplex mit dem SARS-Virus. Die Ergebnisse der damaligen Studie zeigten, dass die Wirkstoffe als Inhibitoren an das aktive Zentrum von SARS-CoV-1 gebunden haben.
Lopinavir und Ritonavir gehören zu den Proteaseinhibitoren und werden zur Behandlung von HIV-Infektionen eingesetzt. Die Zulassung des Fertigarzneimittels Kaletra erfolgte im März 2001. Beide Wirkstoffe hemmen die HIV-Protease. Diese ist ein Schlüsselenzym und dafür zuständig, das von der befallenen Wirtszelle produzierte Protein zu spalten. Durch die Hemmung des Enzyms kommt es zur Anhäufung nichtinfektiöser Virus-Vorstufen. Lopinavir ist in Kaletra mit Ritonavir kombiniert. Der Grund: Ritonavir kann die Aufnahme, die Verteilung, sowie den Abbau und die Ausscheidung anderer Proteasehemmer verbessern.
Kaletra ist in Kombination mit anderen antiretroviralen Arzneimitteln zur Behandlung von HIV-infizierten Kindern über zwei Jahre zugelassen. Bei bereits mit Proteasehemmern vorbehandelten Erwachsenen sollte die Anwendung von Kaletra auf einer individuellen virologischen Resistenzuntersuchung stattfinden.
Kaletra ist als Tablette in zwei verschiedenen Dosierungen am Markt. Zusätzlich ist ein Saft verfügbar. Die empfohlene Standarddosierung beträgt zwei Tabletten zweimal täglich. Die Einnahme kann unabhängig von den Mahlzeiten erfolgen. Sofern eine einmal tägliche Einnahme notwendig ist, kann der Patient einmal täglich vier Tabletten einnehmen. Bei der einmal täglichen Dosierung sollten das Risiko einer weniger lang anhaltenden virologischen Suppression sowie das erhöhte Risiko von starken Durchfällen im Vergleich zur empfohlenen zweimal täglichen Einnahme berücksichtigt werden.
Zuletzt wurde der Einsatz von Resochin als Therapie von Covid-19 diskutiert. Chloroquin habe sich in einer chinesischen klinischen Studie als wirksam gegen SARS-CoV-2 gezeigt, sagte der Leiter des Instituts für Infektionskrankheiten in Marseille, Didier Raoult. Er stützt seine Aussagen auf eine Untersuchung von drei chinesischen Forschern, die in der Fachzeitschrift „BioScience Trends“ erste Ergebnisse der Studie veröffentlichten. Genaue Zahlen und Ergebnisse nannten die Forscher der Universität Qingdao im Artikel jedoch nicht.
Bei der Substanz Ambroxol handelt es sich um einen Metaboliten von Bromhexin. Der Wirkstoff hat lokalanästhetische und schleimlösende Eigenschaften. Ambroxol wird bei akuten Atemwegserkrankungen zur Verflüssigung und Lösung von festsitzendem Sekret sowie bei Halsschmerzen eingesetzt. Es stehen unter anderem Lutschtabletten, Kapseln und Säfte zur Verfügung.
Vor einigen Jahren konnten Forscher der Universität Ulm erstmals den molekularen Wirkmechanismus nachweisen. Die Substanz stimuliert mithilfe von Calcium die Ausschleusung von Abfallprodukten aus den Zellen. Daraus ergaben sich mögliche neue Therapieansätze, bei denen der Wirkstoff positive Effekte haben kann. Andere klinische Untersuchungen konnten zeigen, dass Ambroxol die Penetration in das Bronchialgewebe und somit die Wirkung von Antibiotika verbessern kann. Der beschriebene Abtransport könnte beim aktuellen Coronavirus eine Rolle spielen: Bei den Erkrankten steht vor allem die Verstopfung der Lunge im Fokus.
Oseltamivir (Tamiflu, Roche) wurde testweise gegen Covid-19 eingesetzt – bislang ohne Erfolg. Aus virologischer Sicht macht der Einsatz wenig Sinn: Die Oberflächenstrukturen von Infuenzaviren und SARS-CoV-2 sind zu unterschiedlich. Eine antivirale Behandlung mit Medikamenten aus der Gruppe der Neuraminidase-Hemmer stoppt die Vermehrung von Influenza-Viren effektiv. Neuraminidase-Hemmer blockieren den viruseigenen Oberflächenstoff – die Viren könen nicht mehr in die Wirtszellen eindringen.
Für einen besseren Schutz vor Komplikationen im Fall einer Infektion mit dem neuen Coronavirus empfiehlt die Berliner Gesundheitsverwaltung älteren und vorerkrankten Menschen Impfungen gegen Keuchhusten und Pneumokokken. „Die bisherigen Erkenntnisse über das neuartige Coronavirus zeigen, dass besonders über 60-jährige Menschen und chronisch Kranke gefährdet sind“, teilte die Behörde am Mittwoch mit.
APOTHEKE ADHOC Debatte