Einige Länder hat die Corona-Pandemie besonders hart getroffen, Italien etwa hatte besonder hohe Erkrankungs- und Todeszahlen zu beklagen. Offiziell wurden dort rund 250.000 Corona-Fälle gezählt. Eine großangelegte Antikörper-Studie zeigt nun jedoch, dass die Dunkelziffer viel größer ist – demnach waren mehr als eine Million Menschen bereits mit Sars-CoV-2 infiziert.
In vielen Fällen bleibt eine Infektion mit dem neuartigen Coronavirus unbemerkt. Die wenigsten Betroffenen erleiden schwere Verläufe, die mit einer Hospitalisierung oder gar dem Tod einhergehen. Auch in Italien sind offenbar viele Infektionen symptomlos durchgemacht worden. Denn die aktuelle Antikörperstudie zeigt, dass deutlich mehr Italiener infiziert waren, als offiziell registriert.
Die Studie wurde vom italienischen Gesundheitsministerium und dem Statistikinstitut Istat zwischen dem 25. Mai und 15. Juli durchgeführt. Demnach konnten bei 2,5 Prozent der italienischen Bevölkerung Antikörper gegen Sars-CoV-2 nachgewiesen werden. Das entspricht etwa 1,5 Millionen Infizierten. Besonders stark betroffen war die Region Lombardei – hier haben etwa 7,5 Prozent der Bevölkerung Antikörper ausgebildet. In weniger betroffenen Regionen wie Süditalien waren es hingegen nur etwa 1 Prozent.
Die Bildung von Antikörpern gegen das neuartige Coronavirus geht Experten zufolge mit einer Immunität einher. Daher werden große Hoffnungen auf eine Eindämmung durch Herdenimmunität gesetzt. Unklar ist jedoch, wie lange die Immunität gegen das Virus überhaupt anhält. Auf dem Höhepunkt der Corona-Pandemie verzeichnete Italien tageweise bis zu 6000 Neuinfektionen. Insgesamt wurden mehr als 35.000 Todesopfer registriert. Anfang der Woche wurden 159 Neuinfektionen innerhalb eines Tages gezählt – weniger als hierzulande mit knapp 900, wie das Robert Koch-Institut (RKI) meldete.
Nicht nur in Italien ist die Dunkelziffer wahrscheinlich höher als bisher angenommen. Experten gehen davon aus, dass auch in anderen Ländern viele Infektionen mit Sars-CoV-2 unbemerkt stattfanden. Um Aufschluss darüber zu erhalten, wurden Blutspenden in Deutschland gezielt auf Antikörper gegen Sars-CoV-2 untersucht. In Hamburg konnten bei 900 untersuchten Blutkonserven in weniger als 1 Prozent Antikörper nachgewiesen werden.
Die Auswertung der Blutspenden könnte laut den Forschern einen Anhaltspunkt für unentdeckte Corona-Infektionen bieten. Auch wenn die Spender alleine kein 100 Prozent realistisches Abbild der Hamburger Bevölkerung gäben, sei davon auszugehen, dass die meisten Covid-19-Verläufe durch Testungen entdeckt worden seien.
Im April wurden mit dem Antikörpertest die ersten 300 Spenden auf eine bisher unbekannte Sars-CoV-2-Infektion getestet. Nur eine Probe wies ein positives Ergebnis auf, das entspricht 0,3 Prozent bezogen auf die Gesamtzahl. Auch in den kommenden Monaten fanden die Wissenschaftler sehr niedrige Positivitätsraten. Im Mai wiesen zwei von 288 Blutspendern Antikörper auf, im Juni waren es wieder nur einer von 326. Das UKE hatte die Untersuchungen gemeinsam mit dem Hamburger Senat beschlossen, um ein besseres Bild von der Virusverbreitung zu bekommen. Die Untersuchung ist noch nicht beendet, die Analyse soll im Vierwochenrhythmus weitergehen. Bundesweit laufen ähnliche Studien.
Auch im österreichischen Ischgl konnte trotz einer hohen Infektionsrate keine Herdenimmunität ermittelt werden. Der Ort gilt als Brennpunkt für die Ausbreitung des Coronavirus in Österreich und Teilen Europas. Nach Angaben österreichischer Behörden waren zeitweise 40 Prozent aller Fälle im Inland auf Ischgl zurückzuführen. Auch viele deutsche Touristen haben sich nach ihrer Überzeugung in Ischgl angesteckt.
Ein großer Teil der Bevölkerung dort war mit dem Coronavirus infiziert. Rund 80 Prozent der Ischgler Bevölkerung hatten an einer Antikörper-Studie teilgenommen. Die 1473 Probanden waren zwischen 21. und 27. April untersucht worden. Nach Angaben der Medizinischen Universität Innsbruck haben 42,4 Prozent der in einer umfassenden Studie untersuchten Bürger Antikörper auf das Coronavirus entwickelt. Das sei der weltweit höchste bisher publizierte Wert, sagte die Direktorin des Instituts für Virologie, Dorothee von Laer.
Auffällig war auch hier, dass von den positiv auf Antikörper getesteten Personen zuvor nur 15 Prozent die Diagnose erhalten hatten, infiziert zu sein. „85 Prozent derjenigen, die die Infektion durchgemacht haben, haben das unbemerkt durchgemacht.“ Trotz des hohen Antikörper-Werts sei auch in Ischgl keine Herden-Immunität erreicht.
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