Impfstopp: „Katastrophe für Apotheken“ Carolin Ciulli, 16.03.2021 10:27 Uhr
Der Impftermin stand fest – heute sollte eine Mitarbeiterin der Sankt Martin-Apotheke Meckesheim den Impfstoff von AstraZeneca erhalten. Nach dem plötzlichen Aussetzen wegen auftretender Sinusvenenthrombosen ist er abgesagt worden. „Das wirft uns zurück“, sagt Filialleiterin Anette Pust. Sie wurde Anfang des Monats geimpft und ist wie weitere Kollegen froh über den Schutz.
Am 1. März erhielt Pust ihre erste Schutzimpfung. „Ich bin froh und immer noch dankbar dafür“, sagt sie. Die Apothekerin ist nicht nur in der Offizin tätig, sondern besucht auch Kinderbetreuungseinrichtungen und führt dort Schnelltests durch. „Damit stehe ich deutlich beruhigter im Aerosolnebel bei den Covid-Schnelltests und in der Apotheke.“ Dass sie noch die spezielle Form der sehr seltenen Hirnvenenthrombose treffen wird, hält sie für unwahrscheinlich.
Ein Kollege sei dagegen vor vier Tagen geimpft worden. „Da macht man sich jetzt schon mehr Sorgen“, so Pust. Allerdings sei die Inzidenz so gering, dass sie keinen Grund für Panik sieht. Im Gegenteil. Die Apothekerin hält das Aussetzen des Impfens mit dem Vakzin von AstraZeneca für eine Katastrophe für Apotheken und Deutschland. Gerade weil das „normale Leben“ wieder anlaufen solle, seien viele Kollegen zum Testen in Schulen und Kitas. Sie werde die Kollegin, die heute nicht wie geplant geimpft wird, aus Schutz vor einer Covid-19-Infektion nicht in die Einrichtungen schicken.
Das Testen sei aber gerade jetzt wichtig, sagt sie. „Wir Apotheken können uns nicht wegducken.“ Pust ist froh, dass die Apothekenmitarbeiter:innen, die testen, in Baden-Württemberg so früh geimpft wurden. Sie werde weiter vor Ort sein, auch wenn sie nicht wisse, wann und ob sie die zweite Impfung erhalte. Nach der ersten Spritze habe sie deutlich reagiert: „Ich war ganz schön kaputt und musste am nächsten Tag zu Hause bleiben. Ich bin normalerweise nie krank“, so die Filialleiterin. Sie hatte erhöhte Temperatur, gegen die auch die Einnahme von Paracetamol nicht geholfen habe. Zudem habe sie ihren Geruchssinn kurzzeitig verloren: „Ich konnte komischerweise keinen Schinken riechen.“
Auch andere geimpfte Apotheker hatten die „typischen“ Reaktionen. Christian Kraus aus Pforzheim fühlte sich ebenfalls schlapp, hatte Kopfschmerzen und Schweißausbrüche. Das sei jedoch nicht dramatisch gewesen. Ein Aussetzen des Impfens hält er für angemessen: „Es ist wichtig, dass die zuständigen Behörden die Fälle untersuchen.“ Vielleicht könnten Personengruppen ausgeklammert werden, für die der Impfstoff nicht in Frage käme.
Generell müsse jedoch jedem klar sein, dass es bei einer Impfung zu Reaktionen und Unverträglichkeiten kommen könne. „Keine Wirkung ohne Nebenwirkung, das muss man sich bewusst machen“, sagt er. Die Entscheidung für oder gegen eine Impfung liege beim jedem selbst. Er selbst habe kein schlechtes Gefühl, den AstraZeneca-Impfstoff vor 17 Tagen erhalten zu haben. „Ich verfalle nicht in Panik.“
Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) empfahl die Unterbrechung der Impfung mit der Vakzine von AstraZeneca wegen gehäufter Meldungen einer Sonderform von Hirnvenenthrombosen (auch Sinusvenenthrombosen genannt) unmittelbar in zeitlichem Zusammenhang mit der Impfung. Bis zum 11. März wurden dem PEI insgesamt elf Meldungen über unterschiedliche thromboembolische Ereignisse bei etwa 1,2 Millionen Impfungen gemacht. Zum 15. März gab es jedoch weitere Fälle in Deutschland, bei denen es sich – anders als zuvor – um Hirnvenenthrombosen handelt. Bislang seien sieben solche Fälle bekannt bei über 1,6 Millionen Impfungen in Deutschland.
Hier lässt sich ein Apotheker mit dem Impfstoff von AstraZeneca impfen.