Die mittlerweile bereits wochenlang vorherrschenden Schutzmaßnahmen zur Corona-Pandemie hinterlassen ihre Spuren. Trotz erster Lockerungen kommt mit der eingeführten Maskenpflicht eine weitere Auflage hinzu. Apotheker Heinz-Jürgen Waterkamp sieht die Regelungen kritisch: In der Apotheke sehe man die Folgen – das Alltagsgeschäft habe sich extrem verändert und vor allem ältere Kunden würden massiv unter den Einschränkungen leiden.
Obwohl Apotheker und deren Mitarbeiter zu den Glücklichen der Gesellschaft gehören, die arbeiten dürfen, ist Waterkamp kein Befürworter des Shut-Downs: Das Arbeiten in der Apotheke habe sich seit Corona und den daraus resultierenden Maßnahmen sehr verändert: Das Tagesgeschäft sei ganz unterschiedlich, Masken seien jedoch das Hauptthema – jede dritte Beratung drehe sich derzeit um Mundschutz & Co. „Der normale Betrieb rückt in den Hintergrund“, erklärt der Apotheker. Das liege unter anderem daran, dass viele Arztpraxen geänderte Öffnungszeiten hätten oder nur nach telefonischer Rücksprache Termine anbieten würden.
In der Rats-Apotheke im nordrhein-westfälischen Velbert ist von Plexiglas & Co. nichts zu sehen: „Nicht nur in der Bevölkerung – auch in den Apotheken herrscht ein unterschiedlicher Grad von Angst“, erklärt Waterkamp. Während viele seiner Kollegen sich hinter Vollverglasung und Visier verschanzen würden, gibt es bei ihm lediglich eine Schutzmaßnahme – ausreichend Abstand. „Wir haben eine sehr große Offizin. Wenn vier Kunden im Verkaufsraum stehen, haben diese jeweils drei bis vier Meter Abstand zueinander“, erklärt er. Kommt der Kunde zu nah an den HV-Tisch heran, tritt das Personal entsprechend einen Schritt zurück. Die Apotheke arbeitet zudem mit einem Einbahnstraßensystem. „Das funktioniert wirklich gut“, berichtet Waterkamp.
Glücklicherweise habe das gesamte Team eine ähnliche Einstellung zum Thema Corona. Die seit Anfang der Woche eingeführte Maskenpflicht mache jedoch allen zu schaffen, müsse aber nun einmal umgesetzt werden. „Ich sehe die ganze Thematik etwas anders“, erläutert der Apotheker. „Ich möchte natürlich auch schützen, aber ich sehe auch, wie die älteren Kunden regelrecht verfallen.“ In der Apotheke könne man täglich die Folgen beobachten: Viele Stammkunden würden von Tag zu Tag blasser und schlechter aussehen. „Die kommen damit einfach nicht klar!“
Daher sei er selbst massiver Kritiker der drastischen Maßnahmen. „Ich sehe die Nachteile am Menschen. Wir werden nachher viel mehr Kranke haben als zuvor – nur auf andere Art und Weise.“ Die Leute würden sehr unter den Einschränkungen leiden: Vor allem psychisch mache die Situation vielen zu schaffen. „Das ist kein Schutz!“, findet Waterkamp. Viele ältere Kunden hätten nun mal kaum Kontakte: Wenn nun auch die Familie nicht mehr kommen dürfe und sonstige Alltagsbeschäftigungen aufgrund der Beschränkungen wegfielen, würden sie schließlich vereinsamen.
„Anfangs habe ich mich auch sehr darüber gewundert, dass die Älteren noch kamen“, erklärt Waterkamp. Doch er könne es verstehen – schließlich wollten sie ihre verbleibende Zeit noch etwas genießen können und nicht im „aufgezwungenen Arrest“ verbringen. „Das ist ja kein Killervirus – ob es wirklich notwendig ist, die Wirtschaft so herunterzufahren, ist fraglich“, meint der Apotheker.
„Es ist wirklich schade, dass in den letzten Wochen – und man weiß ja nicht, wie lange das noch so geht – die normale Tätigkeit, wie Empfehlungen und ausführliche Beratungen, so in den Hintergrund gerückt sind“, findet der Apotheker. „Es ist nicht mehr dasselbe wie früher.“ Man beschränke sich meist auf die Einnahmehinweise – intensive Beratungen in der Freiwahl würden weitestgehend wegfallen. Stattdessen fungiere man in diesen Zeiten noch mehr als Zuhörer. „Wir sind die neuen Frisöre“, meint Waterkamp. Der Apotheker hofft, dass sich die Zustände bald wieder normalisieren: „Wie lange soll das jetzt so gehen? Zehn Jahre oder noch länger?!“
In Zeiten von Corona hat der Apotheker nun auch sein 30. Jubiläum als Inhaber gehabt. „Ich habe das aufgrund der Situation zunächst total vergessen“, meint er. Gefeiert wurde nicht. Dennoch versucht der Apotheker, in diesen ernsten Zeiten ein wenig Humor zu verbreiten. „Wir haben ja keine Pest oder Cholera – man muss nicht ständig traurig sein.“ Auf Facebook und Instagram postete er passend zur Maskenpflicht eine Bildergalerie zum richtigen Aufsetzen der Masken. „Es darf gerne gelacht werden“, heißt es im Post. In der Galerie finden sich Bilder, auf denen der Apotheker die Maske als Ohrring oder Augenklappe verwendet. „Wie schön, dass es noch Menschen mit Humor gibt“, kommentiert ein Nutzer. Ein anderer witzelt: „Endlich weiß ich, wie das richtig geht.“ Auch in der Apotheke habe er zahlreiche positive Rückmeldungen für die Aktion bekommen.
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