Der Deutsche Hausärzteverband hält das Offenhalten der Corona-Impfzentren im Sommer für verzichtbar. „Die Impfzentren stehen deutschlandweit leer“, sagte Verbandspräsident Ulrich Weigeldt den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland. „Weswegen sie jetzt den gesamten Sommer weiterbetrieben werden sollen, erschließt sich überhaupt nicht.“ Das koste viel Geld, das woanders dringend gebraucht werde.
„Die Hausärztinnen und Hausärzte haben bewiesen, dass die Impfungen in den Praxen am besten aufgehoben sind.“ Mit Blick auf Bezirke oder Regionen mit niedrigen Impfquoten, seien in der Vergangenheit zudem vielerorts gute Erfahrungen mit mobilen Impfteams gemacht worden. „Das ist ein Modell, das sicherlich auch im Hinblick auf den Herbst Sinn ergibt.“ Impfungen in Apotheken sind ebenfalls möglich, Weigeldt ist darauf aber nicht eingegangen.
Die Infektionen mit dem Coronavirus hatten in Deutschland zuletzt wieder deutlich zugenommen. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) spricht von einer Sommerwelle und rechnet mit wenig Entspannung in den kommenden Wochen. Der SPD-Politiker hatte RTL/ntv gesagt, er halte „vierstellige Inzidenz-Zahlen für möglich“. Zwar gebe es keinen Grund zur Panik, allerdings würden nach steigenden Zahlen künftig auch die der Todesfälle wieder zunehmen. Das Gesundheitsministerium arbeitet an einer Impfkampagne für die kommenden Monate.
Der Grünen-Gesundheitspolitiker Janosch Dahmen riet dazu, die Empfehlungen zu Boosterimpfungen zu überprüfen. „Ich halte es vor dem Hintergrund neuer wissenschaftlicher Daten für dringend erforderlich, dass wir in Deutschland die Empfehlungen zur zweiten Auffrischungsimpfung noch einmal prüfen und gegebenenfalls rechtzeitig ausweiten“, sagte Dahmen der „Rheinischen Post“.
So könnten beispielsweise auch Menschen, die jünger als 70 Jahre seien und gerade auch diejenigen mit Risikofaktoren, vor dem Herbst ein weiteres Impfangebot sowohl gegen Corona als auch gegen Influenza bekommen. Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt den zweiten Booster bislang nur für Teile der Bevölkerung, unter anderem für Menschen ab 70 Jahren, Personal in medizinischen Einrichtungen und Pflegeeinrichtungen sowie Menschen mit Immunschwäche.
Im Frühjahr und Sommer, wenn viele Aktivitäten draußen stattfinden, waren die Fallzahlen im bisherigen Pandemie-Verlauf stark heruntergegangen. Experten verweisen zur aktuellen Entwicklung auf den ansteckenderen Untertyp BA.5 der Omikron-Virusvariante, der zuletzt in Deutschland zulegte. Zudem waren im vergangenen Sommer Corona-Alltagsauflagen wie Maskenpflichten in Kraft. Jetzt sind staatliche Vorgaben weitgehend weggefallen.
Grünen-Experte Dahmen mahnte in den Funke-Zeitungen: „Wenn wir unvorbereitet in den Herbst gehen ohne ein breit angelegtes Programm für Auffrischungsimpfungen und ohne eine Rechtsgrundlage, die wirkungsvolle Maßnahmen wie Maskenpflicht in Innenräumen möglich macht, dann müssen wir befürchten, dass es insbesondere in den hochbetagten Altersgruppen nochmals viele Todesfälle zu beklagen geben könnte.“
Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) sagte in der ARD-Talkshow „Maischberger“ laut Mitteilung: „Es muss sich niemand Sorgen machen. Wir haben nach geltendem Recht alle Instrumente, über die gesprochen wird.“ Er verwies demnach insbesondere auf die sogenannte Hotspot-Regelung.
Der Immunologe Carsten Watzl befand: „Wir haben aktuell zwei Entwicklungen, die gegeneinander arbeiten. Zum einen ein saisonaler Effekt, der die Zahlen drückt, und auf der anderen Seite mit Omikron anders als in vergangenen Sommern eine Variante, die deutlich ansteckender ist“, sagte Watzl den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Eine Sommerwelle sei zu erwarten gewesen. „Ich denke aber nicht, dass BA.5 den saisonalen Effekt komplett aufheben wird. Wahrscheinlich werden wir es mit Inzidenzen im Bereich von 500, 600, 700 zu tun haben. Dass wir, wie im letzten Winter, die 2000 erreichen, glaube ich nicht.“
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