Was macht man, wenn die Mutter nach den ersten Einsätzen im Impfzentrum nach Hause kommt und sich darüber beschwert, dass die Vials so klein sind, dass sie andauernd drohen umzufallen? Dann setzt man sich als Sohn an seinen 3D-Drucker und versucht, eine Lösung zu finden. Daniel Schicknus hat einen Halter für Comirnaty entwickelt. Nach einigen Versuchen war klar, wie das Gerüst aussehen soll – eine Wabenstruktur bietet die notwendige Stabilität. In Länge und Breite lässt sich der Druck variieren. Mit Hilfe dieser Dateien kann gedruckt werden.
Entstanden ist die Idee im Dezember, als die ersten Impfungen starteten und alle Beteiligten vor einer großen neuen Aufgabe standen. Viele Probleme zeigten sich erst in der Praxis – so auch das knifflige Handling mit den Vials. Schnelles Arbeiten, noch frisch desinfizierte Handschuhe, holpriger Untergrund – zahlreiche Gründe können dafür verantwortlich sein, dass ein Vial umkippt oder zumindest zu starken Erschütterungen ausgesetzt ist. Und das soll ja vor allem bei den mRNA-Impfstoffen vermieden werden.
Nun mussten sich die Apotheker:innen und PTA selbst Lösungen suchen. Tanja Schicksnus, Apothekerin im Agaplesion Bathildis-Krankenhaus in Bad Pyrmont, ging aktiv auf ihren Sohn zu und fragte, ob es da nicht was aus dem 3D-Drucker gäbe. Und tatsächlich dauerte es nicht lange, bis der 19-Jährige eine Lösung parat hatte. „Das Einzige, was ich brauchte, waren Durchmesser und Höhe der Durchstechflaschen“, sagt Daniel.
Ebenfalls wichtig war die Info, dass die Halterungen regelmäßig desinfiziert werden müssen. Denn für die 3D-Drucker gibt es unterschiedliche Materialien. Die sogenannten Filamente können zum Beispiel aus ABS (Acrylnitril-Butadien-Styrol-Copolymere), PETG (Polyethylenterephthalat und Glycerol) oder PLA (Polylactide) sein. PLA wird im 3D-Druck sehr häufig verwendet. Es ist ein auf Milchsäure basierender Kunststoff, der sich mit der Zeit in seine Bestandteile zersetzt und daher als umweltfreundlich gilt. Auch Daniel hat sich für dieses Material entschieden. „Generell sind auch andere Materialien denkbar, doch dann muss an den Einstellungen des 3D-Druckers gearbeitet werden.“
Die Halterungen aus dem 3D-Drucker könnten nun noch einmal ganz besonders interessant für Apotheker:innen werden. Seit gestern gelangt der Impfstoff über die Apotheken in die Arztpraxen. Apotheker:innen und PTA standen zum Start der dezentralen Impfung zum Teil etwas hilflos da, weil der Lieferant die Kühlbox direkt wieder mitnahm. Ohne passende Box oder zugeschnittenen Schaumstoff blieb vielen Apotheken nichts anderes übrig, als erfinderisch zu werden. Aus der Not heraus wurden die wenigen Vials dann in Zellstoff gewickelt und in einen Zip-Beutel überführt. Damit könnte Schluss sein, wenn eine passende Halterung vorhanden wäre. Damit der 3D-Druck allen zugänglich gemacht werden kann, hat sich Daniel dazu entschlossen, die Anleitungen online für alle Interessierten zu Verfügung zu stellen.
„Ich möchte die Konstruktion jedem zur Verfügung stellen. Ich freue mich, wenn so viele Personen wie möglich davon profitieren können.“ Von seiner Mutter weiß er, dass viele Krankenhäuser mittlerweile über einen 3D-Drucker verfügen, aber auch so lässt sich schnell jemand finden, der so ein Gerät zu Hause stehen hat: Mittlerweile sind die 3D-Drucker auch für wenig Geld zu haben, sodass zahlreiche Hobby-Bastler über ein kleines Modell verfügen.
Auch auf der vielgenutzen 3D-Drucker-Plattform Thingiverse findet sich die Anleitung. Dort sind auch nochmal Details zu den Einstellungen zu finden. Für die, die sich mit der Technik auskennen, dürften sich dann kaum noch Fragen ergeben, sagt Daniel. Das Tolle: Wer gerne ein wenig umkonstruieren möchte, der kann eigene Entwürfe gestalten. Dem 3D-Druck sind dabei keine Grenzen gesetzt. Theoretisch wäre eine Anpassung auf die Maße des AstraZeneca-Impfstoffes ebenfalls möglich. Hier finden sich die benötigten Dateien.
Mittlerweile finden sich auf Thingiverse und weiteren Plattformen auch andere Anleitungen für Impfstoff-Halterungen. Ob nun Viereck-, Kreis- oder Wabenstruktur – alle Varianten ermöglichen den sicheren Transport und die sichere Lagerung. Die Halterungen können auch in die Praxis gegeben werden, sodass auch die Ärzte die Möglichkeit haben, die kleinstvolumigen Vials sicher zu lagern.
Welche Erschütterung genau zu viel ist, lässt sich schwer beurteilen. Biontech selbst gibt an, dass die Vials, sobald sie aufgetaut sind, so wenig Erschütterungen wie möglich ausgesetzt sein sollen. Während des Transportes lassen sich diese Erschütterungen einschränken, indem die Vials von allen Seiten von Schaumstoff oder Pappe umgeben sind. Bei der Zubereitung dürfen die Vials, abweichend von zahlreichen anderen Wirkstoffen, weder geschüttelt noch stark geschwenkt werden. Nur leichtes Drehen ist gestattet. So wird verhindert, dass die mRNA-Vakzine Schaden nimmt. Ein besonderes Augenmerk liegt zudem auf die Lipidverkapselung. Diese Umhüllung ermöglicht den erleichterten Zelleintritt im Körper. Nur wenn die Lipide intakt sind, kann von einer vollständigen Wirkung ausgegangen werden.
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