Fluoxetin zeigt Wirkung gegen Covid-19 Alexandra Negt, 09.07.2020 14:34 Uhr
Innerhalb der Suche nach einem Medikament gegen Covid-19 werden auch immer wieder bereits zugelassene Arzneistoffe geprüft. Fluoxetin, ein Antidepressivum aus der Klasse der selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI), scheint Sars-CoV-2 bereits in geringen Dosen bei der Vermehrung zu hemmen – zumindest In-vitro.
Zumindest im Zellversuch zeigt sich für Fluoxetin eine unerwartete Wirkung: Bereits in geringen Dosen hemmt das Antidepressivum Sars-CoV-2. Die ebenfalls zu den SSRI gehörenden Wirkstoffe Paroxetin und Escitalopram konnten In-vitro nicht überzeugen. Fluoxetin scheint demnach Corona-spezifisch zu sein. Würzburger Virologen und Chemiker schlagen aufgrund erster positiver Ergebnisse vor, dass Medikament gegen Covid-19 zu testen. Das Team um Professor Dr. Jochen Bodem von der Julius-Maximilians-Universität bestätigt gute erste Ergebnisse im Zellversuch. „Fluoxetin hemmt Sars-CoV-2 bereits in einer sehr geringen Konzentration“, sagte Bodem. Vor allem für den frühzeitigen Einsatz bei Risikopatienten sei der Wirkstoff gut geeignet.
Als Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) inhibiert Fluoxetin den Serotonin-Transporter. Dessen Aufgabe ist es, den Neurotransmitter aus dem synaptischen Spalt wieder heraus zu befördern – die Serotoninkonzentration wird erhöht. Des weiteren tritt eine zusätzliche gesteigerte Serotonin-Freisetzung durch die selektive Hemmung bestimmter Rezeptoren ein. Im Vergleicht zu anderen Arzneistoffen dieser Gruppe kommt es durch die starke Inhibition von CYP2D6 zu mehr Neben- und Wechselwirkungen. Bei Citalopram und Escitalopram ist dies seltener der Fall.
Wirkung steht nicht im Zusammenhang mit Serotonin
Aufgrund dessen, dass Citralopram und Escitalopram im Zellversuch durchfielen, vermuteten die Wissenschaftler, dass der Wirkmechanismus nichts mit der Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmung zu tun zu habe. Fluoxetin scheint auf anderer Ebene in die Virusreplikation einzugreifen. Untersuchungen mit Immunfluoreszenz an einem vom Patienten gewonnenen Antiserum zeigten, dass das SSRI die Protein-Expression des Virus hemmt. Die für die Vermehrung in der menschlichen Zelle benötigten Bausteine konnten nicht synthetisiert werden.
Um den Wirkmechanismus besser zu verstehen, testeten die Wissenschaftler die Wirkung des Arzneistoffes auf weitere Viren – bei einem Einsatz gegen das Tollwut- und Herpesvirus sowie dem Humanen Respiratorischen Synzytial-Virus zeigte sich kein Effekt. „Es spricht also alles dafür, dass Fluoxetin virusspezifisch wirkt, dennoch muss die Wirkung im Erkrankten bestätigt werden“, schlussfolgert Bodem. Das Fluoxetin einen Einfluss auf die Zytokinausschüttung im Körper hat ist seit Längerem bekannt, so die Forscher. Frühzeitig eingesetzt könnte der Arzneistoff schwere Verläufe mitunter verhindern, schlussfolgern sie. Doch für eine eindeutige Empfehlung sei es zu früh. Weitere Studien müssten sich an die Untersuchungen der Würzburger Forscher anschließen.
Der Vorteil des SSRI: Der Wirkstoff ist seit Jahrzehnten am Markt und demnach gut erforscht. Die Neben- und Wechselwirkungen sind bekannt, sodass Mediziner beim praktischen Einsatz gegen Covid-19 weitestgehend gut informiert wären. Bodem sieht einen weiteren Vorteil: Da das Patent ausgelaufen ist, würde es sich bei Fluoxetin um ein preisgünstiges Mittel gegen Covid-19 handeln.
SPD-Gesundheitspolitiker Professor Dr. Karl Lauterbach äußerte sich erfreut über die Studienergebnisse. „Gute Studie Uni Würzburg“, schrieb er bei Twitter. „Das Antidepressivum Fluoxetin reduziert sowohl die Virusvermehrung als auch den Zytokinsturm Covid-19. Könnte sein, dass dieses preiswerte zugelassene Medikament die neurologischen Schäden Covid-19 mindert, muss man testen“, ergänzte er noch.