Faktencheck: Kurzarbeit Nadine Tröbitscher, 01.04.2020 10:08 Uhr
Systemrelevant, aber in Kurzarbeit? Zu Beginn der Corona-Krise war der Kundenansturm in den Apotheken kaum zu bewältigen. Mit dem Erlass des Kontaktverbotes wendete sich das Blatt vielerorts – die Kundenzahlen sind massiv rückläufig. Auch Apotheken bekommen zunehmend die ökonomischen Folgen des Shutdown zu spüren, Folge können Minusstunden und Kurzarbeit sein. Auch das Arbeiten in festen Schichten hat Auswirkungen auf die Arbeitszeit. Was ist im Zusammenhang mit Kurzarbeit zu beachten?
Die Covid-19-Pandemie stellt die Apotheken vor große Herausforderungen. Dabei geht es nicht nur darum, die Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln zu sichern, sondern zunehmend auch um arbeitsrechtliche, soziale und steuerrechtliche Fragen. Denn auch Apotheken sind von der Krise betroffen. Galten sie bis vor Kurzem als Gewinner der Krise, kann das Ausbleiben von Kunden existenzgefährdend sein – nicht nur für Center-, Innenstadt- und Bahnhofsapotheken. Welche Maßnahmen dürfen ergriffen werden, um den finanziellen Schaden gering zu halten? Die Antworten liefert der Berliner Apothekerverein (BAV) in einem Rundschreiben an die Kollegen.
Darf die vertraglich geregelte Arbeitszeit einseitig gekürzt werden?
Abstandhalten, Quarantäne und Kontaktverbot haben dazu geführt, das Inhaber das Apothekenteam splitten und in festen Schichten arbeiten lassen. Die Folge sind „Minusstunden“, denn die Angestellten kommen nicht mehr auf die vertraglich vereinbarte Wochenstundenarbeitszeit. Doch einfach so ist das nicht gestattet.
Der Arbeitgeber ist aus Sicht des BAV nicht berechtigt, die Arbeitszeit einseitig und das Gehalt anteilig zu kürzen. Mitarbeiter hätten nicht nur die Pflicht, sondern auch das Recht, im vertraglich vereinbarten Umfang beschäftigt zu werden. Die Rede ist vom Annahmeverzug nach § 615 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Das bedeutet: Ruft der Arbeitgeber die Arbeitszeit des Angestellten nicht vollumfänglich ab, obwohl dieser zur Verfügung steht, muss das Gehalt in voller Höhe weitergezahlt werden – die nicht erbrachte Arbeitszeit ist nicht nachzuholen.
Anders sieht es aus, wenn ein Jahresarbeitszeitkonto vertraglich vereinbart wurde, denn dann darf die wöchentliche Stundenzahl abweichen. Wer in Vollzeit in der Apotheke arbeitet, darf zwischen 29 und 48 Stunden arbeiten. Entstehen Minusstunden, sind diese innerhalb von zwölf Monaten auszugleichen. „Die im Arbeitsvertrag festgelegte Lage der Arbeitszeit kann mit einer Ankündigungsfrist von zwei Wochen in Ausnahmefällen auch mit einer Mindestankündigungsfrist von 24 Stunden verändert werden“, schreibt der BAV.
Den finanziellen Schaden abwenden, aber wie?
Der BAV empfiehlt, zuallererst mit dem Team das Gespräch zu suchen und einvernehmlich eine Lösung zu finden. Möglich sind der Abbau von Überstunden, freiwilliger Urlaub – auch Urlaubsverzicht, wenn im Team Kollegen ausfallen – sowie ein freiwilliger Verzicht auf einen Teil der wöchentlichen Arbeitszeit und somit einen Teil des Lohnes. Letzteres scheint jedoch für viele Angestellte aus finanziellen Gründen nicht möglich.
Kurzarbeit als Lösung?
Lässt sich keine einvernehmliche Lösung finden und muss die Arbeitszeit gekürzt werden, kann Kurzarbeit eine Lösung sein. Allerdings finden sich im Bundesrahmentarifvertrag dazu keine Regelungen. Der BAV klärt auf.
Kann der Arbeitgeber einseitig Kurzarbeit anordnen?
Nein. Weil sich im Bundesrahmentarifvertrag keine Regelung findet, muss sich jeder Apothekenangestellte mit der Anordnung von Kurzarbeit einverstanden erklären.
Welche Möglichkeit gibt es, wenn der Mitarbeiter Kurzarbeit ablehnt?
Viele Möglichkeiten gibt es nicht, der Arbeitgeber kann jedoch eine Änderungskündigung aussprechen. Die Kündigungsfristen sind dabei zu beachten.
Unter welchen Voraussetzungen kann Kurzarbeitergeld beantragt werden?
Geht die Apotheke in Kurzarbeit, muss dies bei der Bundeagentur für Arbeit beantragt werden und zwar in dem Monat, in dem die Kurzarbeit beginnt. Nach § 95 Sozialgesetzbuch (SGB) III ist ein erheblicher Arbeitsausfall mit Entgeltausfall Voraussetzung für Kurzarbeitergeld. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn der Entgeltausfall:
- auf wirtschaftlichen Gründen oder einem unabwendbaren Ereignis beruht
- vorübergehend ist
- nicht vermeidbar ist – bevor Kurzarbeitergeld beantragt werden kann, müssen Überstunden abgebaut werden
- mindestens 10 v. H. der Beschäftigten einen Entgeltausfall von jeweils mehr als 10 v. H. haben.
Wer hat Anspruch auf Kurzarbeitergeld?
Anspruch haben versicherungspflichtige Arbeitnehmer, „die das versicherungspflichtige Arbeitsverhältnis nach Beginn des Arbeitsausfalls fortsetzen, im Anschluss an die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses oder aus zwingenden Gründen aufnehmen“. Keinen Anspruch haben geringfügig Beschäftigte, Auszubildende und gekündigte Mitarbeiter. Gegenüber Auszubildenden kann in der Regel keine Kurzarbeit angeordnet werden.
Wie lange erhalten die Mitarbeiter Kurzarbeitergeld?
Kurzarbeitergeld kann höchstens über einen Zeitraum von zwölf Monaten bezogen werden, Unterbrechungen sind möglich. Allerdings kann das Bundesministerium für Arbeit und Soziales die Bezugsdauer auf 24 Monate erhöhen.
Wie hoch ist das Kurzarbeitergeld?
Wie hoch das Kurzarbeitergeld ausfällt, richtet sich nach dem persönlichen finanziellen Verlust nach der Zahlung von Steuern. Grundsätzlich werden laut Agentur für Arbeit rund 60 Prozent des ausgefallenen Nettoentgelts (Differenz normaler Lohn und gekürztes Gehalt) bezahlt. Lebt mindestens ein Kind mit im Haushalt, beträgt das Kurzarbeitergeld rund 67 Prozent des ausgefallenen Nettoentgelts. Für die geleistete Stundenzahl erhalten Apothekenangestellte selbstverständlich das volle Gehalt.
Wer zahlt das Kurzarbeitergeld?
Kurzarbeitergeld wird vom Arbeitgeber gezahlt, der die Summe auf Antrag von der zuständigen Agentur für Arbeit erstattet bekommt.
Kurzarbeitergeld und Sozialversicherungsbeiträge
Die Sozialversicherungsbeiträge müssen laut BAV weiter auf das volle Gehalt abgeführt werden – werden allerdings von der zuständigen Agentur für Arbeit erstattet.