Immer mehr Menschen in Deutschland werden gegen Sars-CoV-2 geimpft. Schwangere und Stillende sind gemäß der Stiko-Empfehlung bislang davon ausgenommen und erhalten keine grundsätzliche Empfehlung. Die Fachgesellschaften fordern jedoch, auch diese Patientengruppe gezielt zu immunisieren – das Nutzen-Risiko-Verhältnis sei positiv.
„In informierter partizipativer Entscheidungsfindung und nach Ausschluss allgemeiner Kontraindikationen wird empfohlen, schwangere und stillende Frauen priorisiert mit mRNA-basiertem Impfstoff gegen Covid-19 zu impfen.“ Mit diesem Resümee beginnt das Positionspapier der verschiedenen Fachgesellschaften im Bereich Gynäkologie, Geburtshilfe und Perinatale Medizin. Die Stellungnahme umfasst eine aktualisierte Nutzen-Risiko-Bewertung unter Berücksichtigung der aktuellen Datenlage.
Bislang wird von der Ständigen Impfkommission (Stiko) empfohlen, dass Schwangere mit Vorerkrankungen und einem daraus resultierenden Risiko für einen schweren Covid-Verlauf nach Abwägung der individuellen Nutzen und Risiken im Einzelfall geimpft werden können – eine generelle Impfempfehlung gibt es jedoch nicht.
In einigen Ländern sieht es jedoch anders aus: So empfehlen unter anderem Belgien, die USA, Israel und Großbritannien, auch Schwangere priorisiert zu impfen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und verschiedene internationale Fachgesellschaften setzen sich ebenfalls dafür ein, dass diese Patientengruppe nicht grundsätzlich von Impfprogrammen ausgeschlossen wird. „In Deutschland haben Schwangere in der Versorgungsrealität jedoch meist keinen Zugang zu einer Covid-19-Immunisierung“, so die deutschen Fachgesellschaften.
Dabei sei das Nutzen-Risiko-Verhältnis positiv: mRNA-Impfstoffe würden nicht vermehrt zu schwangerschaftsspezifischen Komplikationen führen. Außerdem komme es nicht zu einem erhöhten Morbiditäts- oder Mortalitätsrisiko für die Schwangere oder den Fetus. Ebenso seien keine Unterschiede im Nebenwirkungsprofil im Vergleich zu Nicht-Schwangeren ermittelt worden. Die durch Impfimmunisierung gebildeten und transplazentar übertragenen mütterlichen Antikörper könnten zudem einen potenziellen Infektionsschutz – die sogenannte „Leihimmunität“ – für das Neugeborene bewirken. „So kann neben der Schwangeren potenziell auch das Kind geschützt werden.“
Eine Infektion mit Sars-CoV-2 hingegen berge in der Schwangerschaft einige Risiken: So könne es beispielsweise zu schweren Erkrankungsverläufen kommen. „Im Vergleich zu Nicht-Schwangeren ist 6-fach häufiger eine intensivmedizinische Betreuung und eine Beatmung mehr als 23-mal häufiger notwendig“, so die Erklärung im Positionspapier. Vorerkrankungen wie Hypertonie oder Diabetes mellitus, mütterliches Alter über 35 Jahren und Adipositas stellten dabei Risikofaktoren für einen schweren Verlauf bei Schwangeren dar.
Covid-19 führe bei altersentsprechend niedriger Gesamt-Mortalität zu einer bis zu 26-fach erhöhten Sterblichkeit von Schwangeren. Außerdem komme es „gehäuft zu schwangerschaftsspezifischen und peripartalen Komplikationen“: Neben einer erhöhten Rate an Frühgeburten seien auch Totgeburten insgesamt häufiger. Weiterer Risikofaktor ist eine Schwangerschaftsvergiftung, die sogenannte „Präeklampsie“: „Bereits bei asymptomatischer Sars-CoV-2-Infektion haben Schwangere ein über 80 Prozent erhöhtes Risiko für eine Präeklampsie. Bei schweren Verläufen steigt auch hier die Erkrankungswahrscheinlichkeit auf über das Vierfache an.“
Die Fachgesellschaften empfehlen die Impfung mit einem mRNA-basierten Impfstoff zudem auch bei stillenden Frauen. Sie könne unter anderem eine Nestimmunität hervorrufen, da impfinduzierte Antikörper in der Muttermilch nachgewiesen werden konnten. Eine Stillpause sei dabei nicht notwendig, da die mRNA des Vakzins dagegen nicht in der Muttermilch ermittelt werden konnte. Die Antikörperbildung sei gleichwertig und gehe mit einem ähnlich geringen Nebenwirkungsprofil einher wie bei schwangeren und nicht-schwangeren Frauen.
Auch wenn dies über die derzeit gültige Stiko-Empfehlung hinausgehe, empfehlen die Fachgesellschaften nach Ausschluss allgemeiner Kontraindikationen, Schwangere priorisiert mit mRNA-basiertem Impfstoff gegen COVID-19 zu impfen. „Um Schwangere auch indirekt zu schützen, wird weiterhin die priorisierte Impfung von engen Kontaktpersonen von Schwangeren, insbesondere deren Partner/-innen, sowie Hebammen und Ärzte/-innen empfohlen.“ Es wird zudem empfohlen, stillenden Frauen eine mRNA-basierte Impfung gegen Covid-19 anzubieten und zu ermöglichen.
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