Pro Arzneimittel zahlt die AOK Baden-Württemberg jetzt 2 Euro Honorar für den Botendienst. Andere Kassen wollen dem Beispiel bislang nicht folgen. Womöglich noch in dieser Woche wird Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) per Verordnung ein Botendiensthonorar bundesweit einführen. Auch Regelungen zu den Rabattverträgen werden erwartet. Aufgrund der neuen Gesetzeslage könnten beide Regelungen kurzfristig in Kraft treten.
Am Freitag hat der Bundesrat dem Maßnahmenbündel der Bundesregierung zugestimmt. Am selben Nachmittag hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Eilgesetze unterschrieben. Und noch am Abend wurden sie im Bundesanzeiger veröffentlicht und damit in Kraft gesetzt – ein ungewöhnlicher Vorgang. Jetzt wird erwartet, dass Spahn die im neuen Infektionsschutzgesetz (IfSG) enthaltenen Vollmachten nutzt und konkrete Schritte zur Sicherung der Arzneimittelversorgung anordnet. Am Dienstagabend soll darüber in einer Telefonkonferenz mit Gesundheitspolitikern der Regierungskoalition beraten werden. Im Gespräch ist, nach dem Vorbild Baden-Württembergs bundesweit ein Botendiensthonorar von zwei Euro pro Rx-Arzneimittel einzuführen. Offen ist noch, ob Spahn der Abda-Forderung nach Lockerung oder Aussetzen der Rabattverträge nachkommt.
Aufgrund der weiterhin steigenden Corona-Fälle rechnet die Abda mit einem Anstieg der Botendienste: „Die Corona-Pandemie befindet sich im frühen Stadium, die Infektionszahlen und die Zahl der schweren Erkrankten werden sich deutlich erhöhen“, so Abda-Präsident Friedemann Schmidt. Außerdem werde die Politik ihre bisherige Strategie etwas ändern und die Regeln etwas für wenige gefährdeten Personenkreise lockern, „um Wirtschaft nicht in den Abgrund zu fahren“. Allerdings würden zugleich die Risikogruppen weiter isoliert. Schmidt: „Das klassische Apothekenklientel wird weitgehend aus der Öffentlichkeit verschwinden.“ Für die Apotheken bedeute dies, dass wesentliche Teile im Botendienst versorgt werden müssten.
Schmidt: „Eigentlich brauchen wir hier eine einheitliche, verbindliche Lösung.“ Denkbar sei auch eine Anordnung des Botendienstes. „Deswegen brauchen wir eine ordentliche Vergütung.” Zwei Euro wie in Baden-Württemberg sind für die Abda nicht ausreichend für eine verbindliche Regelung. Darüber stehe man mit dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) im Austausch, so die Abda. Dem Vernehmen nach wird sich Spahn allerdings an dem von der AOK gesetzten Honorar orientieren.
Nach wie vor schwerstes Problem in den Apotheken sind laut Abda die Versorgungsengpässe. „Das ist ein täglicher Drahtseilakt“, so Schmidt, „die Zahl der Probleme steigt exorbitant an.“ Die Priorisierung bei Paracetamol und der Pneumokokken-Impfstoff zeige das. „Das wird nicht einfacher werden. Die Probleme werden eher größer als kleiner“, so der Abda-Präsident.
Schmidt forderte, die Regeln in der Apotheke so weit zu vereinfachen, „dass Arbeit in Apotheken möglich bleibt“. Die Abda habe das BMG sehr früh darauf aufmerksam gemacht. „Wir brauchen Erleichterung beim Austausch von Arzneimitteln. Mit den jetzt per Gesetz geschaffenen Ermächtigungen könnte das geregelt werden.” Er gehe davon aus, dass „Spahn davon sehr schnell Gebrauch macht. Bei Rabattverträgen brauchen wir einheitliche flächendeckende Lösung“. Dem Vernehmen nach wird Spahn darauf ebenfalls mit einer Verordnung reagieren.
Auch hierfür gibt es bereits ein Vorbild aus dem AOK-Lager: Letzte Woche teilte der Bundesverband den Apothekerverbänden mit, dass die Rabattverträge nur noch eingeschränkt umgesetzt werden müssen. Grundsätzlich müsse ein Rabattarzneimittel vorrangig abgegeben werden; hat die Apotheke das rabattierte Arzneimittel nicht auf Lager, darf aber auf eine Bestellung verzichtet und ein möglichst preisgünstiges Arzneimittel abgegeben werden. Die Vereinbarungen gelten zunächst begrenzt bis zum 30. April. Andere Kassen haben ähnlich reagiert. Wie lange Spahn ein Abweichen von den Rabattverträgen erlauben wird, ist nicht bekannt.
Nach wie vor sind dabei die Formalitäten gemäß Rahmenvertrag einzuhalten; neben dem Sonderkennzeichen 02567024 sowie Faktor 5 (Verstoß gegen Rabattvertrag) beziehungsweise Faktor 6 (Verstoß gegen Rabattvertrag und Preisgünstigkeit) soll eine handschriftliche Begründung wie „Covid“ aufgebracht und abgezeichnet werden. Auch die Kassendienstleister SpectrumK und GWQ haben eine entsprechende Erklärung abgegeben: Dies soll Apotheken eine „unbürokratische Flexibilität” ermöglichen. Zuvor hatten AOK Rheinland/Hamburg, die Ersatzkassen, die Knappschaft und die IKK classic entsprechende Erklärungen abgegeben.
Hans-Walter Schneider, Vorstand der BKK Pfalz, sagte: „Die BKK Pfalz tut alles, um die Ausbreitung des Coronavirus zu verlangsamen. Mit dieser Regelung schützen wir besonders ältere Menschen, Patienten mit Vorerkrankungen und chronisch Kranke und entlasten die Beschäftigten in den Apotheken.“ Jetzt geht es um eine bundesweite und rechtsverbindliche Regelung für alle Apotheken ohne Retaxgefahr.
Angesichts der Ansteckungsgefahr in Apotheken hatte die Abda auch die Bedienung durch die Notdienstklappe gefordert. Schmidt: „Wir brauchen eine Notverordnung, damit wir das in der Corona-Krise aufheben können. Zum Schutz unserer Mitarbeiter, damit diese möglichst lange gesund bleiben und anderen helfen können.“ Die Aufrechterhaltung des Apothekenbetriebes hänge davon ab, wie schnell der Gesetzgeber handele. Noch seien die Fälle selten, „aber auch immer mehr Apotheker und ihre Mitarbeiter werden sich irgendwann mit Corona infizieren“. Derzeit gebe es strenge rechtliche Auflagen, was die Personalstärke in einer Apotheke angehe. „Die kann keiner mehr aufrechterhalten. Da muss eine Übergangsregelung für die Krise her“, forderte Schmidt auch hier rechtliche Lockerungen. Ob Spahn dieser Forderung aufgreift, ist unklar.
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