Malariamittel fordert Todesopfer

Erste Chloroquin-Studie abgebrochen

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Berlin -

Zu den vielversprechendsten Wirkstoffkandidaten bei der Suche nach einer Covid-19-Therapie gilt ein über 60 Jahre altes Malariamedikament. Nachdem Tests an Zellkulturen eine Hemmung der Vermehrung des neuartigen Coronavirus gezeigt hatten, laufen aktuell auch in Deutschland Studien mit dem Arzneistoff Chloroquinphosphat. Dieser sei aber nicht frei von Nebenwirkungen, warnte die Deutsche Herzstiftung Ende März und hält einen frühzeitigen Einsatz von Chloroquin, insbesondere in Kombination mit dem Antibiotikum Azithromycin, für riskant. In Brasilien wurde nun eine erste Studie aufgrund von Todesfällen abgebrochen.

Bei der Studie aus dem brasilianischen Manaus erhielten die Patienten hoch dosiertes Chloroquin. Ursprünglich sollten 440 Patienten in die Studie miteingeschlossen werden – letztendlich waren es 81 hospitalisierte Personen. Innerhalb der Phase-2-Studie „CloroCovid-19“ erhielt die Hälfte der Patienten eine hohe Dosierung des Wirkstoffes: Es wurden 600 mg zweimal täglich über zehn Tage verabreicht. Die andere Hälfte erhielt eine niedrigere Dosierung von initial zweimal täglich 450 mg und an den darauf folgenden Tagen eine einmal tägliche Dosis von 450 mg, sodass über den Zeitraum von fünf Tagen eine Gesamtmenge von 2,7 Gramm gegeben wurde. Eine Placebogruppe gab es nicht.

Alle Patienten, erhielten ab Tag 0 systematisch intravenöses Ceftriaxon. Es wurde ein Gramm Wirkstoff zweimal täglich intravenös über eine Woche gegeben. Dazu erhielten die Patienten für fünf Tage eine einmal tägliche Gabe des Antibiotikums Azithromycin (500 mg). Bestand zusätzlich der Verdacht auf eine Influenza, so wurde zusätzlich Oseltamivir verschrieben. Die Dosierung für das Virustatikum betrug 75 mg zweimal täglich für einen Zeitraum von fünf Tagen. Im Amazonasgebiet dauert die Grippesaison von Januar bis April. Die klinischen Parameter wurden täglich vom klinischen Personal vom Tag 0 bis zur Entlassung oder zum Tod gemessen. Im Rahmen von Nachkontrollen wurden die Parameter erneut 14 tage und 28 Tage nach der Entlassung überprüft.

Das höhere Dosierungsschema von 12 Gramm Chloroquin über einen Zeitraum von zehn Tagen wurde von den Wissenschaftlern als unsicher eingestuft. Die Fortsetzung dieses Studienarms sei nicht weiter zu rechtfertigen. „Wir empfehlen daher dringend, diese Dosierung nirgendwo mehr zur Behandlung von schweren Covid-19 Verläufen zu verwenden“, so das Fazit der Forscher. Diese Empfehlung würden sie insbesondere deshalb aussprechen, da weltweit zumeist ältere Patienten aufgrund einer Sars-CoV-2-Infektion stationär behandelt werden würden und diese zumeist kardiovaskuläre Vorerkrankungen aufweisen würden. Bisher konnten die Wissenschaftler keinen offensichtlichen Nutzen von Chloroquin in Bezug auf die Letalität bei den Patienten feststellen.“ Um die geplante Stichprobengröße zu vervollständigen werden wir aber weiterhin Patienten in die Gruppe mit niedriger Chloroquin-Dosis aufnehmen.“

Die Forscher sprechen sich für einen vorsichtigen Einsatz von Chloroquin aus, gerade bei Patienten mit kardiovaskulären Vorerkrankungen. „Das Auftreten einer Myokarditis in unserer Stichprobe zusammen mit der bestätigten QT-Zeit-Verlängerung erfordert Vorsicht in Bezug auf die Sicherheit dieses Arzneimittels.“ Unter der Gabe der hohen Dosis Chloroquin kam es zu einer Zunahme von tödlichen Arrythmien wie ventrikulärer Tachykardie. Diese signifikanten Verlängerungen des QT-Intervalls führten bei elf Patienten zum Tode, insgesamt starben in der Hochdosis-Gruppe 16 von 41 Patienten bis zum 13. Studientag – dieser Arm der Phase-II-Studie wurde sofort abgebrochen.

Placebogruppe fehlt aus ethischen Gründen

Die Forscher sind sich bewusst, dass die Studie Schwächen hat. Das Fehlen einer Placebogruppe sei problematisch, da weniger Vergleiche gezogen werden könnten. Jedoch sei es in Brasilien bei schweren Fällen von Covid-19 aus ethischen Gründen seitens der Gesundheitsbehörden nicht erlaubt, eine Placebogruppe mit in die Studien einzuschließen.

Kombinationstherapien fragwürdig

In-vitro gilt eine Kombinationstherapie des Malariamittels Chloroquin und des Antibiotikums Azitrhomycin als sehr wirksam. Beide Wirkstoffe können zu kardialen Nebenwirkungen führen. „Man weiß, dass jedes der beiden Medikamente zu bösartigen Herzrhythmusstörungen führen kann und sich eine Kombinationstherapie beider Medikamente eigentlich verbietet,“ so Professor Dr. Thomas Meinertz, Kardiologe und Pharmakologe des wissenschaftlichen Beirat der Deutschen Herzstiftung.

Zudem seien Patienten, die aufgrund von Covid-19 stationär behandelt werden müssen, häufig älter als Patienten, die eine Malariaprophylaxe erhalten. Ältere Patienten würden neben einem generell langsameren Stoffwechsel auch weitere Komorbiditäten aufweisen – dieser Fakt dürfte nach Ansicht der Kardiologen nicht vergessen werden. „Chloroquin verlängert in höheren Dosen die QT-Zeit deutlich. Gibt man dann Azithromycin, das selbst die QT-Zeit meist nur mäßig verlängert, dazu, kann sich die QT-Zeit noch einmal verlängern“, erklärte der Heidelberger Herzspezialist Dr. Klaus von Olshausen, ehemaliger Chefarzt der Abteilung für Kardiologie der Asklepios-Klinik Hamburg Altona. Die vermuteten synergistischen Effekte bezüglich der QT-Zeit scheinen sich in Brasilien bestätigt zu haben.

 

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