Folgeerkrankungen von Sars-CoV-2

Erst Corona, dann Erschöpfungssyndrom?

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Berlin -

Die Auswirkungen des neuartigen Coronavirus auf Körper und Psyche sind vielseitig. Experten befürchten in den kommenden Monaten eine Zunahme des Chronischen Fatigue-Syndroms (CFS): Bereits nach früheren Sars- und Mers-Epidemien war es zu einem drastischen Anstieg gekommen.

Die Symptome von CFS machen deutlich, warum es häufig auch als „chronisches Erschöpfungssyndrom“ bezeichnet wird: Schlafstörungen, Muskel- und Gelenkschmerzen, Gedächtnis- und Konzentrationsprobleme sowie Kopfschmerzen sind nur einige der Beschwerden, unter denen Betroffene leiden – auch Depressionen können sich im Verlauf entwickeln. Diese, sowie die Diagnose „Burnout“, sind jedoch klar vom CFS abzugrenzen: Denn beim CFS handelt es sich um eine eigenständige neurologische Erkrankung, während Burnout keine eigene Diagnose darstellt. Häufig wird das CFS zudem mit Depressionen verwechselt wodurch eine falsche Behandlung resultiert.

Infektionen als Auslöser von CFS

Häufig entsteht ein CFS nach übergestandenen Infektionen – auch Covid-19 könnte damit ein Risiko darstellen. Droht im schlimmsten Fall eine Pandemie nach der Pandemie? Experten befürchten einen weltweiten Anstieg der CFS-Zahlen in den kommenden 6 bis 18 Monaten. „Besorgniserregende Daten liefern frühere Sars- und Mers-Epidemien, nach denen CFS gehäuft aufgetreten ist“, erklärt Professor Dr. Carmen Scheibenbogen von der Charité Berlin gegenüber Medscape. Epidemiologische Studien untermauern bereits den Anstieg von CFS nach neu auftretenden Infektionskrankheiten.

Es sei jedoch wichtig, eine post-infektiöse Fatigue vom neuro-immunologisch bedingten CFS zu unterscheiden: „Die post-infektiöse Fatigue ist eine Reaktion auf die Erkrankung und Teil der Genesung, sie dauert bei einigen nur ein bis zwei Wochen, bei anderen bis zu vier Monaten.“ Dauern die Symptome jedoch länger als sechs Monate an, solle überprüft werden, ob ein CFS die Ursache sein könnte.

CFS-Symptome nach früheren Sars- und Mers-Wellen

Scheibenbogen erläutert die vorangegangenen Entwicklungen: Bei der Sars-Epidemie 2003 hatten sich in Toronto 273 Menschen infiziert – 44 Menschen starben, 10 Prozent der Überlebenden wiesen drei Jahre später Symptome wie Schwäche, anhaltende Müdigkeit, Myalgie oder Depressionen auf. Aufgrund der Schwere der CFS-Symptome seien sie zum Teil unfähig, ihren früheren Beruf auszuüben.

Grund für die Folgeerkrankungen könnte einerseits das psychologische Trauma durch die Krankheit sein, andererseits auch direkte Auswirkungen des Virus. Durch eine Ausbreitung im Gehirn könne es zu chronischen Entzündungen kommen. Insgesamt erkrankten damals 8000 Menschen in 29 Ländern, von denen 774 starben. „Damit war das Ausmaß zwar wesentlich geringer als das der aktuellen Pandemie, aber die Letalitätsrate mit 10 Prozent höher“, erläutert Scheibenbogen. Derzeit liege die Sterberate von Sars-CoV-2 je nach Land bei rund 6,4 Prozent.

Auch eine Studie aus Hongkong stellt den Bezug zwischen Sars und CFS her: Von 233 Überlebenden eines Krankenhauses hatten 40 Prozent vier Jahre nach dem Ausbruch Symptome von chronischer Erschöpfung, bei rund einem Viertel wurde CFS diagnostiziert. Ähnliches zeigt sich beim Mers-Virus: 2015 hatten sich in Südkorea 186 Menschen infiziert, 36 von ihnen starben. Unter 72 Überlebenden entwickelten 27 Prozent ein Jahr später depressive Symptome.

Hohe CFS-Zahlen in den USA erwartet

Bezugnehmend auf die Sars-Daten aus Toronto, berechnet das Nachrichtenportal „The Canary“, dass allein in den USA ein Jahr nach der Corona-Pandemie zwischen 408.000 und 3.570.000 Menschen an schweren CFS-ähnlichen Symptomen leiden könnten. Die Angaben beruhen auf Schätzungen der Centers for Disease Control (CDC): Demnach könnten in den USA die Hälfte bis zwei Drittel der knapp 330 Millionen Einwohner an Covid-19 erkranken und 200.000 bis 1,7 Millionen Menschen sterben.

Viele der Covid-Genesenen würden auch nach längerer Zeit ihre frühere Kraft und Gesundheit nicht zurück erlangen, erklärt Scheibenbogen. „Wir benötigen bei Covid-19-Erkrankten eine Beobachtung über die nächsten 24 Monate. Es gibt Hinweise, dass die ersten drei Jahre eine Schlüsselrolle bei einer möglichen Chronifizierung spielen“, heißt es in einer Mitteilung der Lost-Voices-Stiftung, die im Bereich CFS sehr aktiv ist. Eine Chronifizierung von CFS könne nur verhindert werden, indem die krankheitsbedingten Energiegrenzen eingehalten werden – statt sie durch Training verbessern zu wollen.

 

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