Die Nachfrage nach Corona-Impfungen explodiert, es gibt wieder Bilder von langen Warteschlangen. Doch während Praxen, mobile Impfteams und die verbliebenen Impfzentren irgendwie versuchen, möglichst vielen Menschen eine Erst-, Zweit- oder Auffrischungsimpfung zu ermöglichen, teilt das Bundesgesundheitsministerium (BMG) mit, dass in der nächsten Woche nur eine begrenzte Menge an Biontech-Impfstoff zur Verfügung steht. Nachdem die Bestellungen gestern verschickt wurden, zeichnet sich ab, dass es bei den Impfungen jetzt Stau statt Turbo geben könnte.
Seit langem gelten wieder Höchstmengenbegrenzungen für die Bestellung von Covid-19-Impfstoff – ausgerechnet jetzt, wo es wieder einen Ansturm auf die Praxen gibt. Für die kommende Woche standen ursprünglich nur noch 3 Millionen Dosen des Impfstoffs von Biontech zur Verfügung, nach massivem Protest konnte das BMG noch eine Million zusätzliche Dosen besorgen.
Ärzt:innen konnten daher 48 statt 30 Dosen bestellen, das entspricht acht Vials. Für Impfzentren und mobile Teams lag die Höchstbestellmenge ursprünglich bei 1020 Dosen.
Geht man davon aus, dass sich wie in Spitzenzeiten wieder rund 50.000 Praxen an den Impfungen beteiligen, wären bei Ausschöpfung der Höchstmenge bereits 2,4 Millionen Dosen weg. Entsprechend stünden noch rund 1,6 Millionen Dosen für die Impfzentren und Impfteams zur Verfügung. Zwar haben die Praxen zuletzt mehr als doppelt so viele Impfungen durchgeführt wie die zentralen Anlaufstellen – alleine in der vergangenen Woche waren es 1,8 Millionen gegenüber 760.000 Impfungen. Doch in vielen Bundesländern werden die Kapazitäten gerade massiv hochgefahren und weitere niedrigschwellige Angebote aufgebaut.
Das BMG hatte schon im Vorfeld erklärt, dass abhängig von der Anzahl der bestellenden Ärzte die Praxen damit rechnen müssen, dass sie auch weniger als 48 Dosen bekommen können. Bislang gibt es dazu noch keine Rückmeldung – sollte es aber dazu kommen, müssten vermutlich weitere Impftermine abgesagt werden. Denn viele Praxen haben offenbar vor allem Biontech bestellt und waren bei Moderna sehr zurückhaltend. Ersatzlieferungen sind aber nicht vorgesehen: Wer kein Moderna bestellt hat, kann dann nur die gelieferten Mengen an Biontech verimpfen.
Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) in Hessen erklärt die Zurückhaltung der Ärzte: Zunächst sei der Impfstoff gar nicht an die Praxen ausgeliefert worden, dann in für Praxen nur bedingt tauglichen Vials mit je zehn Dosen. Aufgrund seiner sehr sensiblen Handhabung sei er für Hausbesuche kaum geeignet, für Menschen unter 30 Jahren komme er wegen der Gefahr von Herzmuskelentzündungen nicht in Frage. „Diese vermeintlich banalen Rahmenbedingungen sorgen dafür, dass sich der Impfstoff nur schwierig in der Organisation einer Praxis einsetzen lässt.“
Unabhängig davon sei man von der Wirksamkeit unbedingt überzeugt und vollkommen unbesorgt darüber, dass der Großteil der Auffrischungen nun mit diesem Impfstoff durchgeführt werde. Die KV-Chefs Frank Dastych und Dr. Eckhard Starke appellieren daher an die Bürgerinnen und Bürger, sich „nicht von den mehr als unglücklichen Aussagen des geschäftsführenden Bundesgesundheitsministers verunsichern zu lassen“ und stattdessen ihren niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten zu vertrauen. „So wie sie sich während der gesamten Pandemie auf ihre Ärztin oder Ihren Arzt verlassen konnten.“
Einzige Hoffnung, dass in der kommenden Woche doch noch genügend Impfstoff in den Praxen für alle Termine zur Verfügung steht, könnten die Lieferungen aus dieser Woche sein. Laut BMG wurden am Montag sechs Millionen Dosen ausgeliefert, in der Spitze hatten die Praxen im Juni mehr als 3 Millionen Impfungen pro Woche verabreicht.
Dass es jetzt zu einem Ansturm kommt, steht aber außer Frage. Denn sechs Monate nach der Grundimmunisierung stehen die Booster-Impfungen an. Diejenigen, die Ende Mai zum zweiten Mal geimpft wurden, sollten demnach zeitnah erneut ein Impfzentrum oder eine Arztpraxis aufsuchen und sich zum dritten Mal impfen lassen. Alleine in den Impfzentren wurden bis Ende Mai 11,7 Millionen Zweitdosen verimpft. In den Arztpraxen waren es bis zu diesem Datum 2,9 Millionen Zweitdosen. In der Summe macht das 14,6 Millionen abgeschlossene Impfungen, die jetzt – mehr oder weniger plötzlich – aufgefrischt werden müssen. Dazu kommen knapp eine halbe Million Menschen, die bis Ende Mai eine Janssen-Impfung erhalten hatten und jetzt ebenfalls zur Auffrischung müssen.
Bis Anfang der Woche wurden laut Robert-Koch-Institut (RKI) insgesamt rund 6,6 Millionen Booster-Impfungen durchgeführt, auch hier sind laut Zentralinstitut für die Kassenärztliche Versorgung (ZI) die Praxen mit zwei Dritteln vorn. Stand jetzt könnten also 8,5 Millionen Menschen eine Auffrischungsimpfung erhalten – da in einigen Bundesländern der Booster bereits nach fünf Monaten empfohlen wird, kann man von rund 31 Millionen Impfungen im Rahmen der Grundimmunisierung bis Ende Juni ausgehen und damit 24,5 Millionen erforderlichen Auffrischungsimpfungen.
Tatsächlich wird aktuell der Großteil der täglich verabreichten Impfdosen bereits im Rahmen der Auffrischimpfungen verabreicht. So waren 498.000 Dosen der am 23. November insgesamt verabreichten 638.000 Dosen Booster-Impfungen. Lediglich 63.000 Impfungen entfielen auf die Grundimmunisierung.
Alleine in den nächsten zwei Wochen kommen 6,5 Millionen doppelt-geimpfte Bürger:innen hinzu, die Anspruch auf eine Booster-Impfung hätten. Legt man die Zweitimpfungen der ersten beiden Wochen im Juli zugrunde, sind es sogar knapp 14 Millionen. So oder so: An Warteschlangen vor Praxen und Impfzentren wird man sich in den nächsten Wochen gewöhnen müssen.
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