Existenzangst in Apotheken

Die Depression nach dem Sturm

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Berlin -

In den ersten Wochen der Corona-Krise hierzulande wurden die Apotheken überrannt. Das hat sich ziemlich schnell geändert: Seitdem überall Kontaktsperren unterschiedlichen Ausmaßes verhängt wurden, ist es in den Apotheken deutlich ruhiger geworden. So ruhig, dass in vielen Betrieben derzeit Überstunden abgebummelt werden. Und in jeder zehnten Apotheke stehen jetzt sogar Kurzarbeit oder Zwangsurlaub auf dem Programm, wie eine aposcope-Umfrage ergab. Jeder dritte Inhaber bangt um die Zukunft seines Betriebs, jede fünfte PTA um ihren Job.

Mehr als die Hälfte (54 Prozent) der befragten Apotheker und PTA gaben an, dass sie seit dem Kontaktverbot weniger Kunden haben als vorher. 18 Prozent erklärten, in der vergangenen Woche mehr Kunden gehabt zu haben, bei 24 Prozent war das Aufkommen unverändert. Doch womöglich stehen die Apotheken gerade erst am Anfang einer längeren Durststrecke: Chroniker haben sich teilweise für längere Zeit versorgt und die normale Laufkundschaft bleibt aus.

Viele Teams nutzen diese Phase, um die in den vergangenen Wochen aufgetürmten Überstunden abzubauen: In fast jeder vierten Apotheke (23 Prozent) wird so verfahren. Noch häufiger (30 Prozent) werden flexible Arbeitszeiten genutzt. Immerhin 7,5 Prozent der Teilnehmer gaben an, dass Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt werden. Weitere 4,9 Prozent beanspruchen wirtschaftliche Hilfe. Ebenso viele haben Mitarbeiter in Zwangsurlaub geschickt. Rund die Hälfte der Apotheken hat noch keine Maßnahmen ergriffen.

In der aktuellen aposcope-Umfrage wurden Inhaber, angestellte Approbierte und PTA auch gefragt, was ihnen derzeit die größten Sorgen bereitet. Typisch für Heilberufler – sie denken in erster Linie nicht an sich selbst: Zwei Drittel (69 Prozent) sorgen sich am meisten um die Gesundheit ihrer Angehörigen, die zu einer Risikogruppe gehören. Die Gesundheit der eigenen Familie, der Kollegen und Patienten beschäftigt das Personal in den Apotheken. Abseits davon machen sich viele Teilnehmer (59 Prozent) größte Sorgen um die wirtschaftliche Stabilität des Landes.

Das heißt nicht, dass es nicht auch im persönlichen Bereich Ängste gibt: Mehr als jeder Dritte (35 Prozent) macht sich Sorgen um die eigene körperliche Gesundheit, jeder Vierte (24 Prozent) um seine psychische Gesundheit. Neben der Angst vor dem Virus selbst ist die mentale Belastung nicht spurlos an den Teams vorbeigegangen. Dazu kommen Existenzängste: Immerhin 30 Prozent machen sich größte Sorgen um die eigene wirtschaftliche oder finanzielle Lage. Jeder dritte Inhaber bangt um die Überlebensfähigkeit seiner Apotheke, 21 Prozent der PTA um die Sicherheit ihrer Jobs. Doch es gibt auch sehr allgemeine Sorgen: 21 Prozent sorgen sich um die politische Stabilität des Landes, 12 Prozent befürchten Lebensmittelengpässe, 6,5 Prozent steigende Kriminalität.

Der Zusammenhalt unter den Kollegen in der Krise könnte insgesamt größer sein: Zwar tauschen sich 30 Prozent mit anderen Apotheken über Lieferengpässe aus, über mögliche Schutzmaßnahmen (24 Prozent) oder das Verhalten von Kunden (11 Prozent). Aber nur 9,8 Prozent greifen sich bei der Herstellung von Desinfektionsmitteln unter die Arme, Hilfe bei Personalengpässen ist noch seltener (4,2 Prozent). Die Hälfte der Teilnehmer gab an, überhaupt keinen Kontakt zu Apotheken in der Nähe zu haben.

Mehr Unterstützung erwarten die Apotheken dagegen von den Krankenkassen: Eine deutliche Mehrheit von 95 Prozent stimmen der Aussage zu, dass die Kassen den Botendienst der Apotheken finanziell unterstützen sollten. Und 88 Prozent finden, dass das Bundesgesundheitsministerium (BMG) umgehend eine Verordnung zum Botendiensthonorar beschließen sollte. Dabei halten die meisten (73 Prozent) ein Honorar von 2 Euro für angemessen, wie es aktuell schon die AOK Baden-Württemberg zahlt. Von ihren Kunden nehmen Apotheken nur in absoluten Einzelfällen (1,6 Prozent) Geld für diese Dienstleistungen.

Im zeitlichen Verlauf sieht man eine spürbar verändert wahrgenommene Bedrohungslage: Heute befürchten 70 Prozent, dass auch in Deutschland viele Menschen an dem Coronavirus sterben werden, vor einem Monat hatte nur etwa jeder Dritte dieser Aussage zugestimmt. Covid-19 wird zudem mit deutlicher Mehrheit als gefährlicher im Vergleich zur normalen Influenza-Infektion eingestuft – auch dieser Wert hat sich in den vergangenen Wochen gedreht. Und 82 Prozent gehen davon aus, dass sich das Virus weiter massiv verbreiten wird. Und jeder zweite hat selbst Angst, sich zu infizieren.

Eine gute Nachricht aus den Apotheken: Die in vielen Betrieben umfangreichen Sicherheitsmaßnahmen zeigen offenbar den erhofften Effekt. Dass ein Kollege oder eine Kollegin an Covid-19 erkrankt ist, ist die absolute Ausnahme. Weniger als 2 Prozent der Teilnehmer müssen einen Fall aus der eigenen Apotheke beklagen. Asymptomatische Infektionen oder solche mit besonders mildem Verlauf bilden dabei allerdings die Dunkelziffer.

Und was ist mit den Kunden? In den vergangenen Tagen wurde viel darüber diskutiert, ob alle Menschen in der Öffentlichkeit einen Mundschutz tragen sollen. Einige Länder in Europa gehen diesen Schritt bereits, in Deutschland hat sich die Stadt Halle dafür entschieden. Die Teams in den Apotheken sind in der Frage gespalten: 48 Prozent befürworten, dass das Tragen eines Mundschutzes beim Einkaufen in Deutschland verpflichtend werden sollte, 49 Prozent sind dagegen.

Die Ergebnisse der aposcope-Umfrage zur „Zahl der Woche“ wurden am 31. März und 1. April 2020 mit insgesamt 307 verifizierten Apotheker*innen und PTA online erhoben. Die Umfrage ist repräsentativ für die deutsche Apothekenlandschaft.

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