Kortison gegen Covid-19

Dexamethason: Wirkung wenig überraschend

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Berlin -

Der seit mehr als 60 Jahren eingesetzte Wirkstoff Dexamethason könnte für Patienten mit schweren Covid-19-Verläufen lebensrettend sein. Das synthethisch hergestellte Kortison konnte in der britischen Recovery-Studie überzeugen. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) spricht von einem Durchbruch – Wissenschaftler der Goethe Universität Frankfurt sehen die Ergebnisse positiv, aber wenig überraschend.

Dexamethason gilt als der neue Lebensretter bei schweren Covid-19-Verläufen. Aktuell wird der Wirkstoff als „Breakthrough Therapy“ betitelt. Das künstlich hergestellte Kortison ist Teil der großangelegten Recovery-Studie, die an verschiedenen Standorten in Großbritannien durchgeführt wird. Innerhalb dieser Studie werden neben Dexamethason auch die im HIV-Medikament Kaletra enthaltenen Wirkstoffe Lopinavir und Ritonavir untersucht. Weiterhin geprüft werden Hydroxychloroquin, Azithromycin Tolcilizumab und Rekonvaleszentenserum. Dexamethason eignet sich, wie alle Kortisone, zur Behandlung von Entzündungszuständen. Es wirkt antiinflammatorisch und immunsuppressiv. Der Wirkstoff kann sowohl äußerlich als Creme oder innerlich als Tablette oder Infusion angewendet werden.

Wirkung nicht überraschend

Dass Dexamethason die Sterblichkeitsrate senken würde, ist aus Sicht vieler Wissenschaftler plausibel. „Aus biologischer Sicht ist dieser Effekt nicht völlig überraschend, da insbesondere die schwer erkrankten Patienten unter einer überschießenden Immunreaktion leiden. Kortison ist ein klassischer Behandlungsansatz, um das Immunsystem zu unterdrücken. Überraschend ist aber die Stärke des nachgewiesenen Effektes“, erklärt Professor Dr. Maria Vehreschild, leitende Infektiologin am Universitätsklinikum der Goethe Universität Frankfurt. Zusammen mit weiteren Kollegen hat sie sich die Recovery Studie näher angeschaut. Insgesamt wurden 2104 Patienten mit 6 mg Dexametason behandelt, die Gabe erfolgte entweder oral oder intravenös. Je schwerer der Verlauf, desto besser die Wirksamkei. Durch die Gabe von Dexametason konnte die Sterblichkeit bei mechanisch beatmeten Patienten um ein Drittel gesenkt werden, bei Patienten, die lediglich Sauerstoff benötigten, um etwa ein Fünftel. Der Einsatz bei Patienten mit leichteren Covid-Verläufen zeigte keinen Mehrwert.

Studienautoren überzeugt

„Dexamethason ist das erste Medikament, das die Überlebenschancen erwiesenermaßen verbessert hat“, urteilen die Autoren der Studie, „der Überlebensvorteil ist deutlich und hoch bei jenen Patienten, die dermaßen schwer erkrankt sind, dass sie eine Sauerstoffbehandlung benötigen. Deshalb sollte Dexamethason nun zur Standardtherapie solcher Patienten werden.“ So urteilt auch der britische Gesundheitsminister Matt Hancock und will veranlassen, dass Dexamethason auf die Liste der Standardverfahren gegen Covid-19 aufgenommen wird. Dexamethason sei nicht teuer, überall verfügbar und kann sofort angewendet werden, um weltweit Leben zu retten, so urteilen die Studienautoren weiter.

Nebenwirkungen nicht vergessen

Die vergangenen Wochen zeigten häufiger, dass es sich bei einigen Covid-19-Hoffnungsträgern um Wirkstoffe handelte, deren Nebenwirkungsprofil nicht vollständig bekannt ist. Auch bei dem seit Jahrzehnten eingesetzten Kortison sollten Mediziner Vorsicht walten lassen, so Vehreschild: „Aus den mir einsehbaren Daten geht hervor, dass insbesondere beatmete Patienten von der Therapie profitieren. Patienten, die Sauerstoff zum Beispiel über eine Maske oder Nasenbrille erhalten, profitieren ebenfalls, aber nicht in gleicher Weise. Wichtig wäre es in diesem Kontext, die Nebenwirkungen des Dexamethasons noch weiter aus den Daten herauszuarbeiten.“

WHO sieht Durchbruch

Die WHO begrüßt die Ergebnisse und sieht in den vorläufigen Ergebnissen einen Durchbruch im Kampf gegen die Krankheit, nicht zuletzt deshalb, da es sich bei dem Glucocorticoid um einen Wirkstoff mit bekanntem Nebenwirkungsprofil handelt. „Dies ist die erste Behandlung, die nachweislich die Mortalität bei Patienten mit Covid-19 senkt, die Sauerstoff oder Beatmungsunterstützung benötigen“, so Dr. Tedros Adhanom Ghebreyesus, Generaldirektor der WHO. „Das sind großartige Neuigkeiten, und ich gratuliere der britischen Regierung, der Universität Oxford und den vielen Krankenhäusern und Patienten in Großbritannien, die zu diesem lebensrettenden wissenschaftlichen Durchbruch beigetragen haben.“

Keine prophylaktische Anwendung

Dexamethason eignet sich, genauso wenig wie andere bereits diskutierte Wirkstoffe, nicht zur Prophylaxe. Die präventive Einnahme des Kortisons bleibt ohne Effekt, genau wie bei Chloroquin oder Hydroxychloroquin. Tatsächlich schützen wird nur ein geeigneter Impfstoff, da sind sich die Wissenschaftler einig. Auch wenn eine detaillierte Betrachtung der Studienergebnisse noch aussteht, so geht man davon aus, dass ein frühzeitiger Einsatz von Steroiden keinen direkt Effekt auf die Viruslast hat.

 

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