Verschiedene Faktoren gelten als Risiko für schwere Covid-Verläufe. Vor allem Menschen mit chronischen Atemwegs- und Lungenerkrankungen sind besorgt. Nun gibt es Klarheit: Die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin (DGP) und der Bundesverband der Pneumologen, Schlaf- und Beatmungsmediziner (BdP) haben eine gemeinsame Stellungnahme mit Empfehlungen zur Risikoabschätzung von Covid-19 bei Asthma, COPD und anderen Lungenerkrankungen veröffentlicht.
Bei schweren Covid-Verläufen scheint vor allem das Alter eine wesentliche Rolle zu spielen: Ab der 6. Lebensdekade steigt das Letalitätsrisiko deutlich an, bei über 80-Jährigen ist es um mehr als das 20-fache im Vergleich zu 50-Jährigen erhöht. Als weitere Risikofaktoren gelten Adipositas und Diabetes Mellitus, männliches Geschlecht und kardiovaskuläre Erkrankungen, ebenso wie eine Immundefizienz, Tumorerkrankungen und verschiedene Grunderkrankungen von Leber, Niere oder Lunge.
Doch nicht alle Vorerkrankungen der Atemwege gelten als Risikofaktor für Covid-19 – zwar sind Patienten mit COPD, Lungenfibrose, Lungenkrebs oder einer Lungentransplantation nach bisherigem Kenntnisstand stärker gefährdet, Asthmatiker scheinen jedoch keine größeren Bedenken haben zu müssen. Aufgrund der umfangreichen aktuellen Datenlage werde davon ausgegangen, „dass Asthma (aller Schweregrade) kein unabhängiger Risikofaktor für schwere Covid-19-Verläufe ist“, heißt es in der aktuellen Stellungnahme. Im Gegenteil: Bei Patienten mit Allergien und Typ-2-Entzündungen wurde sogar beobachtet, dass das Risiko aufgrund einer verminderten Expression des ACE-2-Rezeptors verringert sein könnte.
Viele Patienten machen sich jedoch dennoch Sorgen aufgrund ihrer Medikation: So wird beispielsweise die Therapie mit inhalativen Corticosteroiden (ICS) von vielen kritisch betrachtet. Aktuell gebe es jedoch keine Hinweise darauf, dass eine Asthma-Therapie mit ICS in niedriger bis mittlerer Dosis das Risiko schwerer Covid-Verläufe steigere. „Da ICS generell das Asthma-Exazerbations-Risiko senken und möglicherweise zusätzlich die Expression des ACE-2-Rezeptors in den Atemwegen vermindern, wird hier eher ein protektiver Effekt vermutet.“ Durch ein Absetzen der Medikation kann es jedoch zu einer Verschlechterung der Asthma-Kontrolle kommen, die Experten empfehlen unbedingt, die Medikation nicht eigenmächtig zu beenden. „Die inhalative Therapie, insbesondere auch die Therapie mit ICS, sollte daher bei gut eingestelltem Asthma während der Sars-CoV-2-Pandemie unverändert und konsequent fortgeführt werden.“
Bei hochdosierten ICS oder systemisch angewendeten Cortikoiden gibt es jedoch auch von Seiten der Experten Bedenken, Biologika seien hingegen nach derzeitgem Stand kein Problem. „Die Vermeidung einer dauerhaften oder wiederholten systemischen Steroid-Therapie bei Patienten mit schwerem Asthma durch eine leitliniengerechte Dauer-Therapie mit Biologika ist also von besonderer Bedeutung in der Corona-Pandemie.“ Dabei sollte nach Möglichkeit eine häusliche Selbstapplikation angestrebt werden.
Patienten mit COPD haben nach bisherigem Kenntnisstand ein mäßig erhöhtes Risiko für schwere Covid-Verläufe. In Kombination mit kardiovaskulären Faktoren steigt das Risiko weiter an. Entsprechende Medikationen sollen auch hier fortgeführt werden – sowohl inhalative Therapien wie auch die Einnahme von Blutdrucksenkern oder anderen notwendigen Medikamenten, um eine bestmögliche Krankheitskontrolle zu erreichen und zu erhalten.
Bei Patienten mit Mukoviszidose oder einer Bronchiektasen-Erkrankung empfehlen die Experten die unveränderte Fortsetzung der medikamentösen und nicht-medikamentösen Basistherapie. Auch klinisch indizierte ambulante oder stationäre Antibiotika-Therapien und regelmäßige Besuche der Spezialambulanzen sollen weiterhin erfolgen.
Eine besondere Patientengruppe stellen Menschen mit obstruktivem Schlafapnoe-Syndrom dar, denn auch viele junge Menschen sind davon betroffen. Oftmals ist dabei eine CPAP-Therapie in der Nacht notwendig. Nach derzeitigem Kenntnisstand kann ein erhöhtes Risiko für schwere Covid-Verläufe weder ausgeschlossen noch bestätigt werden. Die CPAP-Behandlung sollte jedoch in jedem Fall weitergeführt werden.
Patienten mit chronischen Atemwegs- und Lungenerkrankungen sollen den Experten zufolge insbesondere den AHA-L-Regeln und Impf-Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts (RKI) folgen. Viele Patienten fragen sich jedoch, ob sie während des Lockdowns ihre Angebote für Physiotherapie und Lungensport wahrnehmen sollten. Der deutsche Behindertensportverband (DBS) und die Deutsche Atemwegsliga hatten zunächst empfohlen, den Rehabilitationssport und damit auch den ambulanten Lungensport in Gruppen zeitweilig auszusetzen.
In einigen Bundesländern ist die Fortführung jedoch unter Beachtung der aktuellen Abstands- und Hygieneregeln in kleinen Gruppen weiterhin erlaubt. Die Vorgaben können jedoch regional schwanken – am besten werden diese bei den Gesundheitsämtern erfragt. Sollten entsprechende Kurse nicht stattfinden, sollen Betroffene ihre Übungen nach Möglichkeit Zuhause durchführen.
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