Bremse für überschießende Immunreaktionen

Covid-Prophylaxe? Vitamin D für alle Heimbewohner

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Berlin -

Schon zu einem frühen Zeitpunkt der Corona-Pandemie wurde der Einfluss eines niedrigen Vitamin-D-Spiegels und eine entsprechende Substitution im Zusammenhang mit Covid-19 diskutiert. Mittlerweile zeigen einige Studien positive Ergebnisse. In Großbritannien sollen daher Vitamin-D-Präparate kostenlos an Risikogruppen verteilt werden. Dennoch gibt es auch Zweifel an einem Zusammenhang: Schwere Covid-Verläufe könnten nicht nur auf einem niedrigen Vitamin-D-Spiegel, sondern vielmehr auf einem grundsätzlich schlechten Gesundheitszustand beruhen.

Die Universität Hohenheim in Stuttgart hatte im Sommer bereits auf niedrige Vitamin-D-Spiegel als Risikofaktor für schwere oder gar tödliche Verläufe hingewiesen – bereits damals stellte das Team jedoch den Zusammenhang zwischen verschiedenen Vorerkrankungen wie Diabetes oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen und dem niedrigen Vitamin-D-Wert her. Mithilfe von 30 ausgewerteten Studien ermittelte die Universität damals Vitamin D als möglichen Indikator für den Schweregrad und die Mortalität bei einer Covid-19-Erkrankung.

Kostenlose Verteilung an Risikogruppen

In Schottland erhalten Ältere und Vorerkrankte Präparate mit Vitamin-D kostenlos. Die britische Regierung plant dem „Guardian“ zufolge eine Versorgung von Risikogruppen: Dabei sollen Menschen in Pflegeeinrichtungen oder solche, die sich anderweitig im Zuge des Infektionsschutzes „abkapseln“ müssen, eingeschlossen werden. Auch eine begleitende Gabe von Vitamin K werde diskutiert.

Vor allem eine im Oktober veröffentlichte Untersuchung der Universität Córdoba hatte Vitamin D erneut in den Fokus gerückt. Die Anzahl der Teilnehmer war zwar relativ gering, die Ergebnisse jedoch eindeutig: Von 76 Covid-Erkrankten erhielten 50 eine Zusatztherapie mit Vitamin D, 26 Patienten hingegen nicht. Von den 50 mit Vitamin D Behandelten musste im Verlauf nur eine Person intensivmedizinisch betreut werden und erholte sich. In der Gruppe ohne Vitamin D war es mit 13 Personen auf Intensivstationen hingegen die Hälfte, zwei Menschen starben.

Doch auch an dieser Untersuchung wird Kritik geäußert: Die Patienten, die mit Vitamin D behandelt wurden, hätten bereits schwerwiegendere Vorerkrankungen gehabt. Insgesamt müssten größere angelegte Studien letztlich zeigen, ob und in welchem Ausmaß eine Supplementierung des Hormons bei Covid-19 helfen kann.

Die Effekte scheinen jedoch durchaus plausibel – denn Vitamin D ist in viele Prozesse von Stoffwechsel und Immunsystem eingebunden. Laborversuche konnten zeigen, dass Vitamin D im frühen Infektionsgeschehen eine Ansteckung unwahrscheinlicher machen kann, in späteren Erkrankungsstadien könnte es helfen, die bei Covid-19 auftretende überschießende Immunreaktion zu modulieren. Die Hemmung könnte jedoch auch gegenteilige Effekte herbeiführen und beispielsweise das Immunsystem unterdrücken, wenn es nicht gewünscht ist.

Noch viele offene Fragen

Es sind also noch viele Fragen offen, die möglicherweise mithilfe von zukünftigen Studien geklärt werden können. Experten vermuten vor allem eine prophylaktische Wirkung von Vitamin D. Bisher wurden allerdings überwiegend Studien mit bereits positiv getesteten oder erkrankten Menschen durchgeführt. Großangelegte Studien zur Ermittlung einer potenziellen Schutzwirkung seien jedoch extrem aufwendig: Denn zum einen müssten entsprechend große Gruppen gefunden werden, bei denen die Einnahme mit einer Nicht-Einnahme verglichen werden kann, zum anderen müssten auch die Blutspiegel vor Supplementation bei den Teilnehmern vergleichbar sein. Dafür müsste bei allen Probanden zunächst der Vitamin-D-Status ermittelt werden – logistisch ist das grade in Coronazeiten eine Herausforderung.

Gravierender Vitamin-D-Mangel in Deutschland eher selten

Einen stark ausgeprägten Vitamin-D-Mangel haben nur wenige Menschen in Deutschland – auch wenn nur ungefähr 20 Prozent des Vitamin-D-Bedarfs über die Nahrung gedeckt werden können und der restliche Anteil mithilfe des Sonnenlichts in der Haut synthetisiert wird. Zu den Risikogruppen für einen Vitamin-D-Mangel gehören Menschen in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen sowie Personen mit gewissen Grunderkrankungen wie Multiple Sklerose oder Osteoporose.

Um Werte im unteren Grenzbereich zu optimieren, reicht meistens eine kurzzeitige Einnahme in Form einer Kur aus. Die Therapie eines nachgewiesenen Vitamin-D-Mangels gehört in die Hände eines Arztes. Bei entsprechenden Symptomen, sollte daher vom Hausarzt der Vitamin-D-Spiegel ermittelt werden. Experten raten davon ab, Nahrungsergänzungsmittel „auf gut Glück“ einzunehmen. Auch die Verbraucherzentralen warnten kürzlich vor vermeintlichen Wundermittelchen gegen Corona.

Prophylaktisch sollte sich viel im Freien aufgehalten und auf die Ernährung geachtet werden: Reich an Vitamin D sind vor allem tierische Produkte: Fette Fischsorten wie Lachs, Hering oder Makrele, Eigelb, Leber aber auch Speisepilze oder Avocados. In einigen Ländern – beispielsweise den USA oder Schweden – wird Vitamin D bereits vielen Nahrungsmitteln zugefügt. Bisher gibt es jedoch keine Hinweise darauf, dass es in diesen Ländern seltener zu schweren Erkrankungen kommt.

Symptome für einen Vitamin-D-Mangel:

  • Müdigkeit
  • Infektanfälligkeit
  • Eingerissene Mundwinkel
  • Schlechte Wundheilung
  • Haarausfall
  • Depression/gedrückte Stimmung
  • Rückenschmerzen
  • Herzrhythmusstörungen
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