Bessere Ausbeute

Covid-Impfung: Zusatzdosis und Insulinspritzen

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Berlin -

Die Diskussion um einen vermeidbaren Impfstoffverwurf geht nach der Freigabe zur Entnahme der siebten Dosis in Nordrhein-Westfalen in die nächste Runde. Mittlerweile haben sich auch andere Bundesländer – in den Fällen, in denen es ohne Umstände möglich ist – für die siebte Dosis entschieden. Bislang dreht sich die Diskussion nur um den Comirnaty-Impfstoff, dabei verfügen alle Vakzine produktionsbedingt über einen Überschuss.

Ein Vial Comirnaty enthält 0,45 ml mRNA-Impfstoff. Nach der Verdünnung beträgt das Gesamtvolumen 2,25 ml. Bei einer sechsmaligen Entnahme von 0,3 ml verbleiben theoretisch noch 1,5 Impfdosen im Vial. Grund genug, über eine weitere Entnahme zu diskutieren. Doch die aktuelle Zulassung sieht eine Entnahme von sechs Impfdosen vor. Jede zusätzliche Entnahme ist somit an der Zulassung vorbei. Dennoch: Nach NRW sprechen sich nun auch Sachsen und Hessen unter bestimmten Umständen für die Zusatzentnahme aus.

„Rein rechnerisch – und gelegentlich auch praktisch – ergibt sich tatsächlich die Möglichkeit, dass sieben Impfstoffdosen aus einem Vial gewonnen werden können“, schreibt das Sozialministerium Sachsen. „Hier obliegt es dem impfenden Arzt, ob er eine siebte Dosis entnehmen möchte. Es ist in jedem Fall sicher zu stellen, dass das verabreichte Impfstoffvolumen ausreichend ist.“ Fast wortgleich die Antwort aus Hessen: „Soweit aus einzelnen Impfstofffläschchen sieben Dosen gewonnen werden können, ist dies unter Sicherstellung der Qualität, der notwendigen Menge für die einzelnen Dosen sowie aller sicherheitsrelevanten Vorgaben grundsätzlich möglich. Ob dies im Einzelfall möglich ist, entscheiden die Impfärzte vor Ort.“

Doch wie sieht es bei den anderen beiden Vakzinen aus? Auch Moderna und AstraZeneca haben produktionsbedingt einen Überschuss in den Durchstechflaschen. Wie groß dieser tatsächlich ist, muss meist in der Praxis bestimmt werden. Bei beiden Vakzinen sind laut Zulassung zehn Dosen à 0,5 ml enthalten. Doch auch nach der Auseinzelung verbleibt Flüssigkeit im Vial. Laut Aussagen von Apothekern, die regelmäßig in Impfzentren tätig sind, würde sich eine Zusatzentnahme vor allem bei Moderna anbieten. Die Lösung sei gut aufzuziehen, der Überschuss ausreichend. Anders bei AstraZeneca. Hier ist die Gesamtmenge zum einen knapper bemessen, zum anderen schäumt der Vektorimpfstoff schneller. Einmal eine Luftblase mit aufgezogen kann es zur Schaumbildung kommen. Dann ist die genaue Einstellung der Spritze auf 0,5 ml kaum mehr möglich.

Auch die Umstellung auf andere Spritzen könnte nur bedingt einen Vorteil bringen. Die aktuell verwendeten Spritzen verfügen über ein gewisses Totvolumen. In den meisten Impfzentren kommen sogenannte Totvolumen-sparende Spritzen zum Einsatz. Der Kolben der Spritze ist an den Luer-Konus der Kanüle angepasst, sodass nur minimale Volumina von rund 0,01 ml in der vollständig entleerten Spritze verbleiben. Dennoch: Auch bei diesem geringen Rest gelingt die siebte Dosis nicht in jedem Fall. Vor allem für Spritzen-Neulinge benötigt es Übung. Die kommt mit der Zeit. Um Zeit und Impfstoff zu sparen befürworten einige Mediziner den Einsatz von Totvolumen-freien Spritzen.

Mediziner wie Dr. Hans Christian Meyer, leitender Impfarzt im Rheinisch-Bergischen Kreis, sehen in der Verwendung der speziellen Spritzen eine Möglichkeit zur Verwurfeinsparung. Dabei bezieht er sich auf eigentlich für intravitreale Injektionen entwickelte Spritzen ohne Totvolumen. Noch sind diese Spritzen nicht regulär am deutschen Markt. Meyer führt mit diesen Spritzen erste Untersuchungen durch. Mit den Totvolumen-freien Spritzen gelingt eine siebenmalige Entnahme von 0,3 ml jedes Mal, berichtet er gegenüber der Bild. Noch unklar ist, ob der geringere Durchmesser der Kanüle Auswirkungen auf den Impfstoff haben könnte. Die von Meyer benannten Spritzen ähneln sogenannten Insulinspritzen. Diese sind ebenfalls nahezu Totraum-frei.

Bei der Verwendung von Insulinspritzen könnten sich zwei neue Probleme ergeben, die zunächst überprüft werden müssten. Zum einen sind die Kanülen so dünn, dass sie mitunter beim Einstechen in den Stopfen verbiegen und dann – da sie fest mit dem Spritzenkörper verbunden sind – nicht gewechselt werde können. Zum anderen muss man die Scherkräfte, die während des Ziehens durch die Kanüle entstehen berücksichtigen. mRNA-Impfstoffe sind sehr empfindlich gegenüber Bewegungen und Erschütterungen. Es könnte sein, dass die Kanüle zu eng für das Molekül ist und dieses bereits während des Aufziehens Schaden nimmt.

 

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