Positionspapier zur Beatmungstherapie

Covid-19: Was Pneumologen über schwere Verläufe wissen

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Berlin -

Die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungstherapie (DGP) hat ein Positionspapier zur praktischen Umsetzung der apparativen Differenzialtherapie der akuten respiratorischen Insuffizienz bei Covid-19-Infizierten veröffentlicht. Die Empfehlungen basieren auf der aktuellen Studienlage und Erfahrungen aus der Praxis. Es werden Ansätze aufgezeigt, welche Art der Beatmung in welchem Fall angebracht ist. Die DGP unterteilt die Infektion in drei Phasen: frühe Infektion, pulmonale Erkrankung und hyperinflammatorische Erkrankung.

Wichtig für den Verlauf von Covid-19 sind neben dem allgemeinen Gesundheitszustand auch eventuelle Vorerkrankungen. Professor Dr. Michael Pfeifer, Präsident der DGP und Mitautor des Positionspapieres, erklärt, dass 20 Prozent der Corona-Infektionen nach aktuellem Kenntnisstand mit der Entwicklung einer Lungenerkrankung einhergehen. Bis zur Entwicklung einer Lungenbeteiligung würden die Erkrankten drei Phasen mit unterschiedlich starken Symptomen durchlaufen.

Wie ausgeprägt die respiratorische Insuffizienz ist, wird durch mehrere Faktoren bestimmt. Zum einen sind der Schweregrad der Infektion und die Immunantwort des Körpers ausschlaggebend. Hierbei spielen auch der Grundzustand des Organismus und eventuelle Komorbiditäten eine Rolle. Auch die ventilatorische Reaktion des Patienten auf den Atemantrieb (Hypoxämie) ist von Bedeutung. Wie schwer die Atemprobleme werden, scheint auch von der Zeit zwischen den ersten Symptomen und dem Beginn der klinischen Behandlung abzuhängen.

Phase I: Frühe Infektion

Das Virus kommt über das Angiotensin-Converting-Enzym-2 (ACE2) in die Zellen. Die klinischen Symptome sind neben Halsschmerzen und Husten mitunter Geschmacksstörungen und Durchfall. Bisher werden für den Virusnachweis Abstriche aus dem Nasen-Rachenraum zur PCR-Testung genommen. Die DGP verweist darauf, dass neuere Daten zeigen, dass 27 Prozent aller Nasenabstriche und 68 Prozent aller Rachenabstriche negativ sein können, obwohl der Patient an Covid-19 erkrankt ist. Bei weiterhin bestehendem Verdacht und sich verschlimmernden Symptomen empfiehlt das Robert-Koch-Institut (RKI) daher eine weitere Probennahme aus den tieferen Atemwegen. Alle drei klinischen Verläufe (leicht, schwer und kritisch) können sich aus der Phase I entwickeln.

Phase II: Pulmonale Erkrankung

Der Virusnachweis im Rachen ist in den ersten Tagen nach der Ansteckung am höchsten. Die Lungenbeteiligung beginnt jedoch erst mit der Replikation in der Lunge – dieser Zeitpunkt kennzeichnet den Beginn der viralen Pneumonie. Luftnot und Husten gehören hier zu den Leitsymptomen. Im CT sind sogenannte Milchglastrübungen in der Lunge erkennbar. Die DGP gibt zu bedenken, dass die initiale Einschätzung des Sauerstoffmangels anhand von Umrechnungstabellen bei nicht beatmeten Patienten nicht validiert sei. Covid-19-Patienten in der Phase II werden überwiegend stationär behandelt. Der Verlauf der Erkrankung kann aktuell nicht ausreichend medikamentös therapiert oder beeinflusst werden.

Phase III: Hyperinflammatorische Erkrankung

Bleibt die humorale Immunantwort unzureichend, kann das Virus vom Organismus nicht ausreichend inaktiviert und eliminiert werden. Die somit folgenden hyperinflammatorischen Phase III ist durch gehäuft auftretendes Organversagen gekennzeichnet. Betroffene entwickeln besonders häufig ein akutes Lungenversagen (Acute Respiratory Distress Syndrome – ARDS). Die DGP betont, dass nach der aktuell gültigen Berlin-Definition des ARDS der Erkrankungsbeginn bereits innerhalb einer Woche nach Auftreten von neuen respiratorischen Symptomen liegen kann. Die zeitliche Analyse der Daten von Intensivpatienten mit Covid-19 zeigt, dass in dieser Patientengruppe die Dyspnoe im Mittel eine Woche nach Beginn der ersten Symptome auftrat. Danach entwickelte sich ein moderates bis schweres ARDS allerdings rasch innerhalb von zwei bis drei Tagen. Chinesische Wissenschaftler analysierten Patientendaten, um zu schauen, wie viele von den Infizierten ein ARDS entwickelten: Von den 138 untersuchten Corona-Patienten mussten 26 Prozent aufgrund von komplizierten Verläufen auf die Intensivstationen verlegt werden, 61 Prozent von ihnen aufgrund eines ARDS.

Zu den bisher beschriebenen ARDS-Risikofaktoren gehören neben dem Alter auch Begleiterkrankungen. Patienten mit hohem Fieber (über 39 °C) weisen ebenfalls ein erhöhtes Risiko auf, in der Phase III ein ARDS zu entwickeln. Auch Raucher gelten als Risikogruppe. Zu den typischen Komplikationen beim Covid-19-assoziierten ARDS gehören mit 29 Prozent das akute Nierenversagen und Leberwert-Erhöhungen. Die Wahrscheinlichkeit für kardiale Schädigungen liegt zwischen 23 und 33 Prozent. Bei Letzteren sind eine Kardiomyopathie, eine Perikarditis, Herzrhythmusstörungen und der plötzliche Herztod zu nennen. Diese Komplikationen treten nach neuesten Erkenntnissen jedoch erst dann ein, wenn die pulmonalen Symptome bereits zurückgehen. Ein Multi-Organversagen mit septischem Schock trat bei 13 Prozent dieser Patienten auf. Sekundäre Pneumonien wurden laut DGP seltener beschrieben. Wird ein Patient von der Intensivstation verlegt, so werden die Erholungszeiten mit bis zu sechs Wochen angegeben.

Geeignete Beatmungsmethode

Um die Frage nach der richtigen Beatmungsmethode zu beantworten, müssen die Mediziner nicht nur den Krankheitsverlauf im Blick haben. Laut DGP ist auch der allgemeine Gesundheitszustand wichtig, um über eine geeignete Beatmungsmethode zu urteilen. Die Gesellschaft stellt klar, dass bis zu einem bestimmten Krankheitsstadium die nicht-invasive Beatmung noch möglich sei, ohne dass mit einer Virusverteilung oder einer erhöhten Sterblichkeitsrate gerechnet werden müsste. Dennoch: Der Einsatz der nicht-invasiven Beatmung bei mittelschweren und schweren ARDS führt laut aktuellem Kenntnisstand zu einem Therapieversagen in mehr als 50 Prozent der Fälle. Dieses Therapieversagen bedeutet bei rund der Hälfte der schweren Infektionsverläufe zusätzlich eine erhöhte Mortalitätsrate.

Wenn die nicht-invasive Methodik nicht mehr ausreicht, müsste der Patient invasiv beatmet werden. Hier sei es wichtig, den Erkrankten engmaschig zu überwachen, um den optimalen Zeitpunkt für die Beatmung festzulegen. Dieser dürfte laut Pneumologen nicht zu früh, aber auch nicht zu spät gewählt werden. Die DGP betont in ihrem Positionspapier, dass Behauptungen darüber, dass Patienten durch die Beatmung Schäden erleiden würden, nicht korrekt seien. Die künstliche Beatmung sei in zahlreichen Fällen unabdingbar und eine lebensrettende Maßnahme.

Virusbelastung für das medizinische Personal

Sowohl bei Anwendung der nicht-invasiven Beatmung, als auch bei einer sogenannten High-Flow-Therapie besteht eine vermehrte Aerosolbildung. Diese Anwendungen können als potentielles Risiko für eine Virusverbreitung gesehen werden. Dennoch hält die Gesellschaft dazu an, dass Patienten nicht frühzeitig intubiert werden sollten. Die mögliche Angst des medizinischen Personals vor einer Sars-CoV-2-Infektion dürfte nicht zu einer voreiligen Intubation führen. Auch deshalb habe der Schutz des Personals höchste Priorität. Wird ein Versagen einer nicht-invasiven Beatmung frühzeitig festgestellt, so könnten viele Notfallintubationen vermieden werden, so die Fachgesellschaft.

 

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