Im Rahmen einer klinischen Studie soll der Nutzen einer frühzeitigen Verabreichung von niedermolekularem Heparin (low molecular weight heparin, LMWH) bei Patienten mit Covid-19 untersucht werden. 1400 Probanden aus zehn Ländern sollen ab diesem Monat in die Untersuchung eingeschlossen werden. Die Studie wurde als Reaktion auf neuere Erkenntnisse konzipiert, die darauf hindeuten, dass schwere Covid-Infektionen mit einer erhöhten Thrombosehäufigkeit einhergehen.
Das Thrombosis Research Institut (TRI) mit Sitz in London führt ab Juli eine offene, randomisierte, kontrollierte, Community-basierte Studie zur frühzeitigen Thromboseprophylaxe durch. Die Studie trägt den Namen Ethic (Early Thromboprophylaxis in Covid-19) und wird in zehn Ländern durchgeführt. Insgesamt nehmen 1400 Patienten teil. Die Studie wird von Sanofi finanziell unterstützt. Nachdem immer mehr Obduktionen an verstorbenen Covid-Patienten tiefe Venentrhombosen zeigten, wollen di Wissenschaftler herausfinden, welchen Nutzen eine frühzeitige Heparin-Therapie hat. Die Gabe von niedermolekularem Heparin wurde zuletzt in die überarbeitete Leitlinie „Empfehlungen zur intensivmedizinischen Therapie von Patienten mit Covid-19“ aufgenommen.
Durch die neuen Informationen konnte die S1-Leitlinie „Empfehlungen zur intensivmedizinischen Therapie von Patienten mit Covid-19“ jetzt überarbeitet und an den neuesten wissenschaftlichen Stand angepasst werden. Mit beteiligt an der Neufassung der Leitlinie waren neben der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) und der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (DGIIN) auch weitere Fachgesellschaften. Ein Augenmerk der aktuell geltenden Leitlinie liegt auf der Durchführung eines geeigneten Thrombose-Managements. Auch Informationen und Anmerkungen zur Behandlung von Kindern wurden ausgearbeitet.
Die Ethic-Studie soll Aufschluss darüber geben, in welchen Konzentrationen niedermolekulare Heparine die beste Wirksamkeit entfalten. Die Teilnehmer werden randomisiert und erhalten ab dem Zeitpunkt der Diagnose Covid-19 über drei Wochen entweder niedermolekulares Heparin Enoxaparin oder die aktuell geltende Standardbehandlung. Als geeignete Teilnehmer gelten Personen mit einem erhöhten Risiko für Infektionskomplikationen aufgrund von Alter oder Komorbiditäten. Die Nachbeobachtungszeit für die Beurteilung der Ergebnisse einschließlich Krankenhausaufenthalt und Mortalität beträgt drei Wochen. Zwei weitere Beurteilungen erfolgen nach 50 und 90 Tagen. TRI Director Ajay Kakkar erklärt: „Unser Verständnis für die Rolle von Thrombose und Antikoagulation bei Covid-19 entwickelt sich rasch weiter. Wir freuen uns sehr über Möglichkeit, unser globales Netzwerk von Forschern erstmals in die Bewertung der Antikoagulation bei Covid-19 im Community-Umfeld einzubinden.“
Der Grund, weshalb Covid-19-Patienten vermehrt zu Thromben neigen, ist noch nicht geklärt. Aktuell verfolgen die Mediziner zwei Ansätze: Zum einen birgt das lange Liegen ohne Bewegung generell eine erhöhte Blutgerinnsel-Gefahr. Zum anderen wurde in anderen Studien über einen sogenannten Zytokinsturm berichtet, der zur Schädigung und Entzündung der Gefäßwändeführen könnte. Durch diese Schädigung könnten Abscheidungsthromben leichter entstehen. Zusätzlich steigt das Thromben-Risiko mit der Anzahl und Art der Vorerkrankungen.
Die vorliegenden Gerinnsel bei Covid-patienten sind sehr unterschiedlich und unterscheiden sich von anderen Gerinnseln in einigen Punkten: Auch kleine Gefäße sind betroffen; Hämatologen des Weill Cornell Medicine College in New York City haben vermehrt auch Miniaturgerinnsel in den kleinsten Gefäßen des Körpers beobachtet. Hämatologen der medizinischen Fakultät untersuchten Lungen- und Hautproben von drei mit Sars-CoV-2 infizierten Personen und stellten fest, dass die Kapillaren mit Blutgerinnseln verstopft waren. „Diese Art von Thromben ist nicht das, was man bei jemandem erwarten würde, der gerade eine schwere Infektion hat“, erklären die Ärzte. „Das ist wirklich sehr neu.“ Diese Miniverstopfungen könnten womöglich erklären, warum manche Menschen einen kritisch niedrigen Blut-Sauerstoff-Wert haben und warum mechanische Beatmung oft nicht hilft.
Niedermolekulare Heparine, kurz NMH, sind Heparine mit kurzen Kohlenhydratketten. Sie werden als Antikoagulantien eingesetzt. Am bekanntesten ist der postoperative Einsatz bei längeren Liegezeiten zur Vermeidung von Beinthrombosen. Doch auch ohne Operation ist die tägliche Injektion bei ausgeprägter Bettlägerigkeit sinnvoll – so auch bei einer intensivmedizinisch betreuten Covid-Infektion. Auch zum Spülen von Portkathetern wird der Stoff eingesetzt. Durch die Komplexbildung mit Antithrombin wird die Wirkung des Faktos Xa gehemmt. Der zu den Serinproteasen gehörende Faktor dient der Blutgerinnung. Zu den Vertretern der NMH gehören neben den bekannten Stoffen Enoxaparin und Nadroparin auch Certoparin, Dalteparin, Reviparin und Tinzaparin.
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