Wettlauf gegen die Coronapandemie

Covid-19: Das sind die aussichtsreichsten Impfstoffkandidaten

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Berlin -

„Bis vor wenigen Jahren hätte man von der Virusanalyse bis zur Zulassung des Impfstoffs 15 bis 20 Jahre angesetzt“, sagt der Verband Forschender Arzneimittelhersteller (VfA). Diese Zeit kann und will sich bei Sars-CoV-2 niemand nehmen. Es ist ausnahmsweise einmal keine Übertreibung zu sagen, dass die ganze Welt händeringend darauf wartet. Entsprechend groß ist der Wettbewerb und der Lohn, der für den ersten Platz winkt. Die gute Nachricht: Just in diesen Tagen starten bereits mehrere Phase-III-Studien. Doch wer arbeitet mit wem woran? Das sind die zehn aussichtsreichsten Kandidaten auf den ersten Covid19-Impfstoff.

Noch nie wurde weltweit mit solchem Hochdruck an der Entwicklung eines Impfstoffs geforscht. Unternehmen und Forschungsinstitute werfen gerade alles in den Ring, was sie an Personal und Ressourcen haben. Laut VfA sind bereits mindestens 171 Impfstoffprojekte quer über den Globus angelaufen, die WHO zählt derzeit 164. Die Spanne reicht dabei von Biotech-Startups aus Baden-Württemberg über globale Pharmakonzerne aus den USA bis zu staatlichen Forschungseinrichtungen in China.

Auf der anderen Seite sind auch die Zulassungsbehörden gefordert, denn so hoch der Zeitdruck bei der Entwicklung ist, so hoch ist er auch bei der staatlichen Freigabe. Doch die Gefahren sind groß: Langzeitstudien wird keiner der Kandidaten einreichen können. Die Sorgen, dass erhebliche Nebenwirkungen vor der Zulassung nicht erkannt werden, sind also groß. Entsprechend relevant ist die Frage: Wo können Zugeständnisse gemacht werden? Die US-Arzneimittelbehörde FDA hat neben der Zuerkennung eines beschleunigten Zulassungsverfahrens für mehrere Kandidaten bereits angekündigt, für eine Zulassung eine Wirksamkeit von mindestens 50 Prozent vorauszusetzen. Von der Gruppe der Geimpften dürfte sich demnach also maximal die Hälfte derer anstecken, die das in der Gruppe der Ungeimpften tut. Die EMA hat sich dazu bisher noch nicht geäußert. Keine Abstriche wollen beide Behörden bei den Anforderungen an die Studien machen: Dass Impfstoffe bereits mit den Daten einer Phase-II-Studie zugelassen werden, wie das zuvor gefordert wurde, schließen beide aus.

Und selbst wenn ein Impfstoff entwickelt und zugelassen wurde, bringt er nicht viel, wenn ihn nicht genug Menschen in angemessener Zeit erhalten. Es muss also möglichst schnell möglichst viel von der jeweiligen Vakzine produziert werden. Hier kommen Kooperationen und Kapazitäten der jeweiligen Entwickler ins Spiel. Hersteller wie Janssen, AstraZeneca und Pfizer haben deshalb jetzt schon begonnen, ihre Impfstoffe im großen Maßstab zu produzieren – auf die Gefahr hin, dass der Kandidat scheitert und sie Millionen Dosen wieder entsorgen müssen. Andere Konzerne wie Bayer oder Takeda hingegen arbeiten selbst an gar keinem Covid19-Impfstoff, haben aber bereits angekündigt, die Produktion anderer Unternehmen zu unterstützen. Doch wer hat die besten Chancen, bald Milliarden Dosen eines eigenen Covid19-Impfstoffs zu vertreiben? Und wer verfolgt dabei welche Ansätze?

Biotech-Unternehmen

Moderna

Das US-Biotech-Unternehmen hat in den vergangenen Wochen viel gute Presse gehabt: Seinem mRNA-basierten Impfstoff geben die Experten gute Chancen, der erste einsatzfähige zu sein. Er trägt den vorläufigen Namen mRNA-1273 und wird seit dem 27. Juli in einer Phase-III-Studie in den USA erprobt. Die Produktion soll durch  Lonza an den Standorten in Portsmouth, New Hampshire und in Visp (Schweiz) erfolgen, die Abfüllung bei  Catalent in Amerika. Moderna hat den Vorteil, von einem breiten öffentlich-privaten Bündnis gefördert zu werden: So wird die Entwicklung von der Coalition for Epidemic Preparedness Innovations (CEPI) unterstützt, einer weltweiten Allianz in öffentlich-privater Partnerschaft zwischen Regierungen, der Weltgesundheitsorganisation (WHO), der EU-Kommission, verschiedenen Forschungseinrichtungen, der Impfstoff-Industrie und privater Geldgeber. Auch die dem US-Gesundheitsministerium nachgeordnete Biomedical Advanced Research and Development Authority (BARDA) unterstützt Moderna bei der Entwicklung.

Curevac

Der mRNA-basierte Impfstoff, der aktuell den Namen CVnCOV trägt, gilt als der vielversprechendste Hoffnungsträger hierzulande. Die Phase-I-Studie läuft derzeit in Deutschland und Belgien, die Produktion findet in der eigenen Anlage in Tübingen statt. Unterstützung kommt dabei von eher unerwarteter Seite: Tesla-Chef Elon Musk hat angekündigt, mobile Produktionsanlagen für Curevac bauen zu wollen – „RNA-Minifabriken“, wie er es ausdrückte. Curevac wird ebenfalls durch CEPI gefördert, darüber hinaus durch die EU-Kommission und über die KfW-Bank auch durch die Bundesregierung. Vor wenigen Tagen beteilige sich GSK mit umgerechnet 150 Millionen Euro an Curevac, was einem knapp zehnprozentigen Anteil an dem Tübinger Biotech-Unternehmen entspricht. Gemeinsam soll an mRNA-Technologie und Antikörpern gegen Infektionskrankheiten geforscht werden, wie die beiden Unternehmen in London und Tübingen mitteilten. Curevacs bestehende klinische CureVac-Entwicklungsprogramme zu mRNA-Impfstoffen gegen Sars-CoV-2 seien aber nicht Teil der Kooperation.

Sinovac

Der Impfstoffkandidat des chinesischen Biotech-Unternehmens Sinovac trägt den Namen CoronaVac. Die Vakzine besteht aus einem inaktivierten Virus. Sinovac startete am 21. Juli mit einer klinischen Phase-III seines Impfstoffkandidaten in Brasilien, die in Partnerschaft mit dem Instituto Butantan durchgeführt wird. Es ist bereits die dritte Phase-III-Studie, die in Brasilien zugelasen wurde. Eine weitere Phase III-Studie in Bangladesh ab August ist bereits genehmigt. Die Arbeiten zur Entwicklung eines Impfstoffes begannen im Januar in Zusammenarbeit mit weiteren akademischen Forschungsinstituten in China. Im April erhielt Sinovac die Genehmigung zur Durchführung der Phase-I/II-Studien. Die Phase-I-Studie schließt 144 gesunde Erwachsenen im Alter von 18 bis 59 Jahren ein. An Menschen wird seit Mitte April getestet.

Kooperationen

Pfizer und Biontech/ Fosun Pharma

Pfizer und Biontech haben in den USA bereits die Genehmigung für eine beschleunigte Zulassung für ihren Impfstoffkandidaten BNT162 erhalten. Bei der Vakzine handelt es sich um einen mRNA-Impfstoff. Der Vorteil dieser neuen Art der Impfstoffe: Sie können schnell und kosteneffizient produziert werden. Die Phase-II/III-Studie der beiden Unternehmen hat am 27. Juli in den USA begonnen. Später soll die Studie auf Argentinien und Deutschland ausgedehnt werden. Nach Informationen von APOTHEKE ADHOC versuchen beide Unternehmen, bereits im Oktober die Marktreife erreicht zu haben. Fosun Pharma hatte im März vom deutschen Unternehmen Biontech die Lizenz zur exklusiven Entwicklung und Vermarktung der von Biontech entwickelten mRNA-Impfstoffe für den chinesischen Markt erhalten. Produktionsstätten befinden sich in Mainz, Idar -Oberstein, Puurs (Belgien), Kalamazoo (Michigan, USA), Andover (Massachusetts, USA) und Chesterfield (Missouri, USA). Die Entwicklung wird unter anderem durch den Europäischen Fonds für strategische Investitionen gefördert.

AstraZeneca und Universität Oxford

Eine weitere vielversprechende Kooperation besteht zwischen dem Pharmariesen AstraZeneca und der Oxford University in Großbritannien. Gemeinsam entwickeln sie einen bereits in der Phase-III befindlichen Impfstoff, der aktuell noch den sperrigen Namen ChAdOx1 nCoV-19 (AZD1222) trägt. Der Vektor-Impfstoff auf Basis eines Adenovirus wird seit Ende Juni in Brasilien am Menschen erprobt. Die Produktion soll durch AstraZeneca und weitere Biotechunternehmen erfolgen, darunter das Serum Institute of India, Halix, PallLife Science, Cobra Biologics, Oxford Biomedica, SK Bioscience aus Südkorea und R-Pharm aus Russland. Für die Zukunft ist auch eine Herstellung im britischen Vaccines Manufacturing and Innovations Centre (VMIC) geplant.Gefördert wird die Entwicklung unter anderem durch CEPI und BARDA und das UK National Institute for Health Research.

GlaxoSmithKline und Sanofi

Sanofi und GSK gehören zu den vier größten Impfstoffherstellern der Welt. Für eine schnellere Entwicklung haben sich die beiden Pharmariesen bereits im April zusammengetan. Innerhalb des gemeinsamen Projektes steuert Sanofi das S-Protein „Covid-19-Antigen“ bei, das auf einer rekombinanten DNA-Technologie basiert. Diese Technologie hat eine genaue genetische Übereinstimmung mit Proteinen auf der Oberfläche von Sars-CoV-2 erzielt. GSK hingegen wird die Pandemie-Adjuvans-Technologie mit einbringen. Durch die Verwendung eines Adjuvans kann die pro Dosis erforderliche Menge an Impfstoffprotein reduzieren werden. Dennoch sind die Fortschritte der Kooperation langsamer als bei der Konkurrenz. Der Beginn der Phase-I/II-Studie wird im September erwartet. Darauf soll bis Ende 2020 die Phase-III-Studie folgen. Die Konzerne rechnen mit einer schnellen Zulassung, insofern die Daten überzeugen. Dafür haben beide Unternehmen am 29. Juli bereits einen Vertrag mit der britischen Regierung unterzeichnet: Beide Unternehmen werden demnach 60 Millionen Impfdosen ins Vereinigte Königreich liefern. Hierfür soll die Herstellung des Antigens und des Adjuvans erhöht werden, sodass insgesamt bis zu eine Milliarde Dosen pro Jahr möglich sind. Doch GSK kooperiert nicht nur mit Sanofi.

GlaxoSmithKline und Clover Biopharmaceuticals/ Dynavax

Innerhalb dieser Kooperation wird der Totimpfstoff SCB-2019 entwickelt. Neben dem Antigen enthält die Vakzine ein Adjuvans, welches wahlweise von GSK oder von Dynavax beigesteuert wird. Der Impfstoff befindet sich seit Mitte Juni in einer Phase-I-Studie. Produziert wird der Totimpfstoff in einer eigenen Produktionshalle in China.

GlaxoSmithKline, Dynavax, CSL und die University of Queensland

Mit dem Biotech-Unternehmen Dynavax, welches seit 25 Jahren Impfstoffe entwickelt, hat GSK gleich zwei Impfstoffprojekte. Der seit dem 13. Juli in der Phase-I befindliche Totimpfstoff, bestehende aus Antigen und Adjuvans, trägt offiziell noch keinen Namen. Finanzielle Unterstützung erhält das Projekt unter anderem von der State Government und der Federal Government of Australia sowie der Paul Ramsay Foundation.

Deutsches Zentrum für Infektionsforschung gemeinsam mit Universitäten München und Marburg sowie Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf

In diesem Projekt wird gemeinsam an einem Vektorviren-Impfstoff auf Basis von MVA-Viren gearbeitet. Aktuell ist noch kein Impfstoff-Name angegeben. Klinische Studien sind ab September geplant. Die Produktion erfolgt in Dessau bei IDT Biologika. Zur finanziellen Förderung haben die Teilnehmer bisher keine Angaben gemacht. Vor gut einem Jahr hatte IDT Biologika in Dessau-Roßlau ein neues Produktionsgebäude für Impfstoffe in Betrieb genommen, in das Werk wurden rund 22 Millionen Euro investiert. Unter MVA-Viren versteht man Modified-Vaccinia-Ankara-Viren – diese sind im Menschen replikationsinkompetent. Ursprünglich als Pocken-Impfstoff entwickelt, dienen sie nun experimentell als viraler Vektor bei Impfungen gegen andere Krankheiten. Neben den öffentlich privaten Kooperationen gibt es noch eine Reihe von Einzelprojekten, die ebenfalls als erfolgversprechend gesehen werden.

Einzelprojekte

Janssen (Johnson&Johnson)

Der Vektorvirenimpfstoff von Janssen trägt den Namen Ad26.COV2-S. Laut Medienberichten befindet sich die Vakzine aktuell in der Phase I/II-Studie. Durchgeführt werden die Tests in Belgien und den USA. Hergestellt wird durch Catalent Biologics (USA) in den eigenen Werken in Bümpliz (Schweiz) und Leiden (Niederlande). Die Zulieferung erfolgt durch Emergent BioSolutions (USA). Die Zulieferung für Impfstoffe für klinische Studien übernimmt Vibalogic. Unterstüzt wird die Entwicklung ebenfalls von BARDA.

mRNA-Impfstoffe

Ein besonderes Thema in dem Zusammenhang sind RNA- oder genauer gesagt mRNA-Impfstoffe: Mit ihnen vefolgen die Wissenschaftler einen neuen Ansatz bei der Immunisierung von Menschen. Die Impfstoffe enthalten kein tatsächliches Antigen, also keine inaktivierten oder abgeschwächte Viren, sondern einen „Bauplan“ für das Antigen. Um Antikörper nach der Impfung ausbilden zu können, muss die Zelle das Antigen nach Vorlage des „Bauplans“ zunächst synthetisieren. Vorteil dieser Art der Impfstoffe: Sie bieten eine hohe Flexibilität, da eine mRNA im Körper die Ausbildung verschiedener Antikörper anregen kann. Darüber hinaus lassen sich mRNA-Impfstoffe schneller und einfacher produzieren als herkömmliche Impfstoffe.

Doch die mRNA-basierten Impfstoffe sind auch umstritten. Kritiker sehen in der Injektion der Erbgutsequenz in die Zelle eine Gefahr: Sie befürchten eine zufällige Integration der eingebrachten Gene in das Genom des Wirts, sodass es zu einer verstärkten Tumorbildung oder zur Auslösung gewisser Autoimmunkrankheiten wie Lupus Erythematodes kommen könnte. Viele Wissenschaftler widersprechen diesen Befürchtungen, da die Forschung seit Jahren in diesem Bereich gute Forschungs- und Entwicklungsergebnisse erzielt. Normalerweise stehen für den Aufbau eines Impfschutzes bisher zwei verschiedene Impfstoffarten zur Verfügung: Totimpfstoffe (inaktivierte Impfstoffe) und abgeschwächte Lebendimpfstoffe. Zu den Totimpfstoffen gehören beispielsweise die Impfungen gegen Tetanus und Diphterie. Zu den Lebendimpstoffen gehört die Dreifachimpfung Mumps, Masern, Röteln.

 

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