Viele Menschen warten auf die Totimpfstoffe gegen Sars-CoV-2. Der indische Hersteller Bharat Biotech konnte mit seinem Kandidaten Covaxin nun überzeugen: Die Phase-III-Studie liefert gute Ergebnisse und untermauert Wirksamkeit und Sicherheit. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat das Vakzin nun auf die Liste der empfohlenen Impfstoffe gegen Sars-CoV-2 gesetzt.
Der Sars-CoV-2-Impfstoff von Bharad Biotech wurde gemeinsam mit der University of Wisconsin-Madinson entwickelt. Es handelt sich bei dem Kandidaten um einen klassischen Totimpfstoff, basierend auf der damals dominierenden Virusvariante mit der Mutation D614G. Die Viren wurden zunächst mithilfe von Zellkulturen vermehrt und dann mit Beta-Propiolacton inaktiviert.
Im Vergleich zu mRNA-Impfstoffen und Vektor-Impfstoffen wird dem Immunsystem bei Totimpfstoffen eine Reihe verschiedener Virusantigene präsentiert und nicht nur das Spikeprotein. Die abgetöteten Bestandteile reichen jedoch oft nicht für eine Immunreaktion aus, daher werden viele Totimpfstoffe mit Adjuvantien optimiert. Covaxin enthält Imidazoquinolin, welches an Alaun gebunden ist. Dadurch soll die Wirkung des Impfstoffes verstärkt werden.
Die Phase-III-Studie startete vor rund einem Jahr im November 2020, nachdem sich das Vakzin als sicher und immunogen in Phase-II zeigte. Im Rahmen der Untersuchung erhielten in Indien bis Mai 2021 mehr als 24.400 Erwachsene den Totimpfstoff in zwei Dosen im Abstand von vier Wochen oder Placebo. Rund ein Fünftel der Teilnehmer:innen wies Risikofaktoren für einen schweren Verlauf auf. 30 Prozent der Teilnehmer:innen hatten zum Zeitpunkt der Impfung bereits eine Infektion mit Sars-CoV-2 durchgestanden und waren seropositiv. Ihre Daten wurden daher nur für die Sicherheitsuntersuchungen einbezogen, jedoch nicht zur Bestimmung der Impfstoff-Wirksamkeit.
Das Team ermittelt für den Wirkstoff eine Gesamtwirksamkeit von 77,8 Prozent. Auf einen schweren Verlauf in der Verum-Gruppe kamen 15 schwere Verläufe in der Placebogruppe. Die Impfstoffwirksamkeit betrug hier 93,4 Prozent, allerdings mit einem weiten 95-Prozent-Konfidenzintervall. In Bezug auf die Wirksamkeit gegen die Delta-Variante herrscht noch Unsicherheit: Die Virusvariante wurde bei 50 Teilnehmer:innen nachgewiesen – darunter 13 aus der Verumgruppe und 37 aus der Placebogruppe. Die Impfwirksamkeit würde damit 65,2 Prozent betragen, ist allerdings aufgrund der wenigen Daten nicht besonders aussagekräftig. Als häufigste Nebenwirkungen wurden Schmerzen an der Injektionsstelle, Kopfschmerzen, Fieber und Müdigkeit beschrieben. Schwerwiegende und lebensbedrohliche Sicherheitsprobleme sind nicht aufgetreten.
Die größte Hoffnung auf eine Totimpfstoff-Zulassung liegt aktuell beim Biotech-Unternehmen Novavax aus Maryland (USA): Es hat Anfang des Monats alle für die Zulassung erforderlichen Dokumente bei der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) eingereicht. Die Zulassung des ersten Totimpfstoffes steht somit kurz bevor. Novavax verfolgte den Plan, dass das Vakzin noch in diesem Jahr in der EU zugelassen wird. Der Start der Impfungen wird sich jetzt jedoch aller Wahrscheinlichkeit nach auf 2022 verschieben. Beim Impfstoffkandidaten NVX-CoV2373 handelt es sich um einen sogenannten proteinbasierten Totimpfstoff mit gentechnisch hergestelltem Virusantigen auf Nanopartikel-Technologie. Ein Adjuvans auf Saponin-Basis soll die Wirksamkeit erhöhen.
Auch das französische Unternehmen Valneva rechnet schon bald mit einer EU-Zulassung. Die EU-Kommission billigte bereits formell einen Vertrag über 27 Millionen Dosen im kommenden Jahr – sobald es zur Zulassung kommt. Weitere 33 Millionen Dosen können auf Wunsch 2023 gekauft werden. Valneva rechnet nach eigenen Angaben damit, dass die Auslieferung im April 2022 beginnen kann. Man erwarte, dass die Behörde in Kürze mit dem schnellen Prüfverfahren beginnen werde. Der Impfstoff von Valneva ist laut EU-Kommission ein Impfstoff mit inaktivierten Viren. Es handele sich „um eine klassische, seit 60 bis 70 Jahren eingesetzte Impfstofftechnologie mit bewährten Verfahren und sehr hoher Sicherheit“. Diese komme auch bei den meisten Grippe-Impfstoffen und vielen Impfstoffen für Kinderkrankheiten zum Einsatz.
Totimpfstoffe zählen zu den Ganzvirus-Vakzinen. Sie enthalten die abgetöteten Erreger oder Bruchstücke von ihnen, die das Immunsystem als Fremdkörper erkennt. Daraufhin werden Antikörper gegen das Virus gebildet. Die abgetöteten Bestandteile können sich nicht mehr vermehren und lösen die Krankheit deshalb nicht aus. Ein Vorteil ist auch die einfachere Lagerung bei normalen Kühlschranktemperaturen. In der Totimpfstoff-Pipeline sind aktuell außerdem die Vakzine der chinesischen Firmen Sinopharm und Sinovac sowie der kasachische Impfstoff QazVac. Die beiden chinesischen Impfstoffe sind bereits in verschiedenen Ländern zugelassen – allerdings nicht in der EU oder den USA. QazVac ist nur in Kasachstan und Kirgistan zugelassen. Weitere Totimpfstoffe befinden sich in der klinischen Testung.
APOTHEKE ADHOC Debatte