Coronavirus: Neue Mutation aufgetaucht Alexandra Negt, 16.12.2020 14:53 Uhr
Dass Viren mutieren können, ist bekannt. So verändern sich Influenzaviren beispielsweise jährlich. Auch Sars-CoV-2 ist zur Mutation fähig. In Südengland ist eine neue Variante des Virus aufgetaucht. Das Beunruhigende: Die Mutation scheint infektiöser zu sein und sich schneller zu verbreiten.
„In den letzten Tagen haben wir eine neue Variante des Coronavirus entdeckt, die vielleicht im Zusammenhang mit der schnellen Ausbreitung des Virus im Südosten Englands steht“, so Gesundheitsminister Matt Hancock Anfang der Woche. Zu diesem Zeitpunkt hatten sich laut lokalen Behörden bereits 1000 Menschen mit der Mutation angesteckt. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) wurde bereits informiert, so Hancock.
Spike-Protein mutiert
Die Mutation betrifft das Spike-Protein des Virus. Diese Stelle auf der Virushülle hat Einfluss darauf, wie schnell das Virus in den Körper eindringen und sich verteilen kann. Mit den Spikes binden die Viren an bestimmte Rezeptoren auf der Oberfläche von menschlichen Zellen und infizieren diese schließlich. Mittlerweile wissen Forscher relativ viel über das Protein, auch über den Stiel des Spikes. Dieser teilt sich in unterschiedliche Bereiche ein. Er unterteilt sich in Hüft-, Knie-, Knöchel- und Fuß-Domäne. Die einzelnen Abschnitte könnten Biegebewegungen durchführen. Der Stiel an sich ist kein Angriffspunkt für Antikörper, weil er mit schützenden Glykanketten versehen ist. Nur die Spitze des Spikes kann angegriffen werden.
Die bisher beobachteten Mutationen wiesen keine funktionellen Auswirkungen auf das Virus auf. Bei der aktuellen Mutation könnte dies anders sein, da das Spike-Protein betroffen ist. Ob sich die Variante tatsächlich schneller ausbreiten wird als die nicht mutierte Variante, ist aktuell noch nicht klar. Ob es zu Problemen bei der Wirksamkeit von Impfstoffen kommen könnte, ist ebenfalls noch nicht geklärt. Forscher untersuchen die Effekte der Mutation aktuell. Da das Immunsystem nach einer Impfung lernt, verschiedene Teile des Spike-Proteins anzugreifen, könnte es sein, dass Mutationen keine Auswirkungen auf die Wirksamkeit von Impfstoffen haben. Eine Anpassung der Impfstoffe, analog zum Verfahren bei Influenza-Vakzinen, sei möglich.
Bereits im Sommer kam es in Europa und den USA zu einer Mutation. Die damalige D614G-Mutation erwies sich nicht als gefährlicher als die Ursprungsvariante. Generell sind Mutationen bei Coronaviren nicht ungewöhnlich: Bei 30.000 Basen kommt es im Mittel alle zwei Wochen zu einer Mutation. Damit ist die Mutationsrate pro Base niedriger als bei Influenza oder HIV. Anhand der Mutationen könne man darauf schließen, ob zwei Ausbrüche zusammenhängen – Infektionsketten von Mensch zu Mensch seien darüber nicht nachzuvollziehen.
Mutationen bereits im März entdeckt
Bereits Anfang März hatten chinesische Wissenschaftler über Mutationen bei Sars-CoV-2 berichtet: Sie konnten feststellen, dass sich mittlerweile zwei unterschiedliche Stränge des Virus verbreiten und nachweisen lassen – ein sogenannter „L-Typ“ und ein „S-Typ“. Demnach sei der L-Typ der aggressivere von beiden: Etwa 70 Prozent der Infizierten weltweit seien von diesem Typ betroffen. Dieser hat sich vermutlich aus dem harmloseren S-Typ gebildet und weiterentwickelt. Diese Mutation sei vermutlich auch für die schnellere Verbreitung verantwortlich.
Experten des Robert Koch-Instituts (RKI) merkten jedoch an, dass die Mutation eines Virus normal sei und nicht zwangsläufig bedeute, dass das mutierte Virus eine größere Gefahr für Menschen darstellt und neue Eigenschaften entwickelt. Auch der britische Forscher Stephen Griffin stimmt dem zu: Gegenüber dem „Telegraph“ erklärte er, dass sich das Virus erst einmal an den Menschen als neuen Wirt anpassen müsse. Mutationen erschweren grundsätzlich die Suche nach Therapieoptionen, da die neu entstehenden Stränge anders reagieren können als die ursprünglichen