Coronavirus in Italien – (k)ein Grund zur Panik? dpa/APOTHEKE ADHOC, 24.02.2020 14:09 Uhr
Das Coronavirus führt zu immer drastischeren Konsequenzen: Nachdem es vor einer guten Woche den ersten Todesfall in Frankreich gab, steigen die Infektionszahlen in Italien derzeit rasant an. Bereits fünf Menschen sind nach der Infektion gestorben. Die Reaktionen sind gespalten: Während vor Panikmache gewarnt wird, ist die Unsicherheit auch in den Nachbarländern groß – schließlich gibt es in Italien bisher keinen „Patient 0“. Die Ursache für den plötzlichen Anstieg ist demnach noch unklar.
In Italien ist der fünfte Coronavirus-Infizierte gestorben: Der 88-Jährige sei in der Lombardei ums Leben gekommen, sagte Zivilschutzchef Angelo Borrelli am Montag in Rom. Die Zahl der gemeldeten Infizierten stieg auf 219. Die Lombardei ist die am stärksten betroffene Region in Italien. Borreli warnte vor Panikmache – auch im Ausland. „Unser Land ist sicher, und man kann beruhigt hierher kommen.“ Alle Toten in Italien waren ältere Menschen, teils auch mit Vorerkrankungen. 23 Menschen seien derzeit auf der Intensivstation. Italien ist aktuell das Land mit den meisten erfassten Fällen in Europa.
Rasanter Anstieg in Italien
In der stark betroffenen Stadt Codogno waren viele Straßen am Wochenende menschenleer – die Stadt wirkte wie eine italienische Miniaturausgabe der abgeriegelten chinesischen Millionenstadt Wuhan. Etliche Schulen und Geschäfte sind geschlossen, zig Sportveranstaltungen und andere Großevents abgesagt. Für die Menschen Norditaliens ist die rasante Entwicklung kaum zu fassen, Angst greift um sich. Bis Mittwoch schien die Welt noch in Ordnung, nur drei Infektionen waren landesweit bekannt, alle drei wurden früh erkannt. Am Donnerstag folgte der Schock: Bei einem schwer erkrankten 38-Jährigen in einer Klinik in Codogno wurde das Virus nachgewiesen. Die italienischen Behörden reagierten schnell, stellten zahlreiche Menschen unter Quarantäne, veranlassten umfassende Tests auf das Virus bei Krankenhauspersonal, Verwandten, Arbeitskollegen und Freunden des Mannes.
Abriegelungen und Absperrungen
Am Samstagabend greift die italienische Regierung hart durch, um eine weitere Ausbreitung von Covid-19 im wirtschaftlich wichtigen Norden einzudämmen: Knapp ein Dutzend Orte südöstlich von Mailand mit etwa 50.000 Einwohnern sowie die Gemeinde Vo mit rund 3000 Bewohnern werden abgeriegelt. „Das Betreten und Verlassen dieser Gebiete ist verboten“, sagte Regierungschef Giuseppe Conte. Sicherheitskräfte würden eingesetzt. „Wenn nötig, werden es auch die Streitkräfte sein.“ Wer versuche, die Absperrungen zu umgehen, dem drohe „strafrechtliche Verfolgung“. Auch ein verfrühtes Ende des eigentlich noch bis Dienstag dauernden Karnevals in Venedig wird erwogen.
Wie kam das Virus nach Italien?
Derweil wird nach dem Ursprung beider Ausbrüche gesucht: Denn bisher ist unklar, wo sich die beiden Männer ansteckten. Im Unterschied zum Aufflackern von Sars-CoV-2 in Bayern mit insgesamt 14 Infizierten gibt es keinen „Patient 0“ – keinen bekannten Ersterkrankten. Möglicherweise brachten Touristen oder Geschäftsleute aus China das Virus irgendwann unwissentlich mit. Die Statistiker zählen in Italien rund 300.000 Chinesen, dazu kamen zuletzt jährlich 5,3 Millionen Übernachtungen aus dem Land.
Unsicherheit in den Nachbarländern
Mehrere Züge, die aus Venedig nach München unterwegs waren, wurden gestoppt – der Bahnverkehr mit dem Nachbarland Italien wurde eingestellt. Der Grund: Bei zwei Frauen hatten sich Fieber und weitere Symptome gezeigt. Wegen der Ausbreitung des Coronavirus in Italien hat auch eine Schülergruppe aus Herford eine Fahrt in die Lombardei abgesagt. „Die fünf Schüler und zwei Lehrer sollten eigentlich von Mittwoch bis Samstag nach Casalpusterlengo fahren“, sagte der stellvertretende Schulleiter Bernd Koch. Schweren Herzens habe das Wilhelm-Normann-Berufskolleg des Kreises Herford die Fahrt am Samstag abgesagt. „Dabei haben wir noch Glück gehabt, denn wenn die Gruppe früher losgefahren wäre, säßen sie jetzt vielleicht in Quarantäne fest“, sagte Koch. Die Behörden hatten die Menschen unter anderen in dem Ort Casalpusterlengo aufgefordert, zu Hause zu bleiben.
Auch nach der Ausbreitung des Coronavirus im Norden Italiens plant die Bundesregierung derzeit keine Grenzschließungen. Entsprechende Überlegungen gebe es im Bundesinnenministerium nicht, sagte ein Ressortsprecher am Montag in Berlin. Ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums (BMG) sagte, in Deutschland sei es bisher gelungen, Menschen, die mit dem Covid-19-Virus infiziert seien, zu isolieren und zu behandeln. Für eine anhaltende Viruszirkulation in Deutschland gebe es derzeit keine Anhaltspunkte, sagte der Sprecher unter Berufung auf das Robert Koch-Institut. Die Lageeinschätzung könne sich aber ändern.