Angesichts massiv steigender Corona-Infektionszahlen hat die Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen die Zahl der Schwerpunktpraxen für die Tests deutlich ausgeweitet. Mittlerweile seien landesweit knapp 400 Praxen eingerichtet, die sich in Extraräumen schwerpunktmäßig um die Abstriche kümmern, sagte ein Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung.
Vor einer Woche waren es noch rund 230 Corona-Schwerpunktpraxen – innerhalb von einer Woche kamen weitere 170 dazu. Nach Einschätzung des stellvertretenden Landesvorsitzenden des Hausärzteverbandes, Jens Wagenknecht, sind vor allem niedergelassene Ärzte in besonders betroffenen Landkreisen dennoch teils am Limit. Die Infektpraxen seien teils weit entfernt, so dass Mediziner, die selbst keine Abstriche machen, ihre Patienten zu Ärzten in der Nähe schickten, erklärte Wagenknecht. Die größte Belastung bringe aber der bürokratische Aufwand rund um die Tests, zusammen mit Fragen der Abrechnung.
Nach Angaben des Sprechers der Kassenärztlichen Vereinigung hat die Zahl der Tests zugenommen, es sei aber „leistbar“. Ein Problem sei eher der Wunsch vieler Menschen, auch ohne Symptome getestet zu werden. Neue Testzentren wie im Frühjahr seien nicht geplant, diese seien seinerzeit sinnvoll gewesen, als es nicht genug Schutzkleidung für Ärzte gegeben habe. Sollte politisch entschieden werden, Testzentren einzurichten, sei man dazu aber in der Lage.
Menschen mit Symptomen sollen sich an ihre Hausarztpraxis wenden und gegebenenfalls einen Termin vereinbaren. Falls die Praxis den Abstrich nicht machen könne, sollen sie an eine Schwerpunktpraxis für Verdachtsfälle überwiesen werden. Zu Beginn der Pandemie wurden in allen 37 Landkreisen und 8 kreisfreien Städten Niedersachsens Abstrichzentren eingerichtet, die Ende Juli wieder geschlossen wurden. Das Testzentrum am Flughafen Langenhagen soll früheren Angaben zufolge bis zum 8. November geöffnet bleiben.
Zur Schließung der Testzentren äußerte sich der Vorsitzender des Hausärzteverbandes Niedersachsen, Dr. Matthias Berndt, Ende September wie folgt: „Bisher liegt aus unserer Sicht noch kein schlüssiges Konzept der KVN vor, wie in Zeiten von zunehmenden Infekten Corona-Abstriche in Niedersachsen durchgeführt werden sollen.“ Der Hausärzteverband Niedersachsen hatte bereits im Sommer angeboten, dass freiwillige Hausärzte überforderte Gesundheitsämter unterstützen könnten. Voraussetzung hierfür war seitens der Hausärzte eine klare rechtssichere Honorarvereinbarung, die bislang nicht erfolgte.
Andere Bundesländer betreiben Testzentren oder Teststraßen weiterhin. So werden beispielsweise in Bayern weiterhin Abstriche durch das heruntergefahrene Autofenster genommen. Online können die Menschen mittels Ampelsystem einsehen, wie groß die Nachfrage an diesem Tag ist. Hier erfolgt die Testung auch durch andere Berufsgruppen als allein durch Ärzte. Der Vorsitzende des Bayrischen Hausärzteverbandes, Dr. Markus Beier, sieht die Durchführung durch geschultes Personal als angemessene Entlastung für die Mediziner: „Ich denke, dass auch andere Berufsgruppen solch einen Test durchführen können. Speziell geschulte MFA oder Rettungssanitäter führen diese Abstriche an einigen Stellen der bayrischen Teststraßen bereits durch.“
Der Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), Klaus Reinhardt, hatte sich Mitte August für deutschlandweite Testzentren ausgesprochen. „Um eine Überforderung der niedergelassenen Ärzte zu vermeiden, sollten die Tests besser und einheitlicher organisiert werden“, sagte Reinhardt der Rheinischen Post. Auch mit Blick auf die Herbst zu erwartenden saisonalen Infekte müssten die Corona-Tests von der Regelversorgung getrennt werden. „Wenn massenhaft Corona-Test-Patienten und Patienten mit saisonaler Grippe in den Hausarztpraxen aufeinandertreffen, wird das für die Kollegen nicht mehr zu schaffen sein“, mahnte Reinhardt.
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