Die Corona-WarnApp (CWA) der Bundesregierung wird immer teurer. 130 Millionen Euro hat sie seit ihrer Einführung im Juni 2020 bereits gekostet, bis Jahresende sollen noch einmal 50 Millionen Euro hinzukommen. Mittlerweile prüft der Bundesrechnugngshof (BRH), ob die Kosten aus dem Ruder gelaufen sind.
Die CWA ist zumindest den Downloadzahlen zufolge erfolgreich: 42,7 Millionen Menschen haben die App nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) bereits heruntergeladen. Verlässliche Zahlen dazu, wie regelmäßig Anwender sie im Schnitt nutzen, gibt es nicht – außer der, dass rund 35 Prozent der positiv getesteten Nutzer ihr Ergebnis nicht über sie teilen: Laut einer Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage der AfD-Fraktion, die APOTHEKE ADHOC vorliegt, wurden bis Ende 2021 rund 1,6 Millionen positive Testergebnisse ins CWA-Backend übermittelt und abgerufen, aber nur gut 951.000 dieser Testergebnisse geteilt. Im Vergleich beispielsweise mit ihrem österreichischen Pendant steht die CWA auch deshalb gut da.
Die App „Stopp Corona“ soll dort mit Jahresende wegen zu geringer Nutzung auslaufen. Allerdings: Die vom Roten Kreuz und dem Dienstleister Accenture gebaute Anwendung hat auch nur vier Millionen Euro Entwicklungskosten gebraucht, ihr Betrieb bis Ende 2021 weitere 9,7 Millionen Euro. Noch günstiger kam die Finnen ihre App „Koronavilkku“: 4,7 Millionen Euro kostete sie laut einem Bericht der Süddeutschen Zeitung (SZ). Bis zu ihrem Auslaufen sollen sich die Gesamtkosten nach Angaben des zuständigen Finnischen Instituts für Gesundheit und Wohlfahrt auf 5,5 Millionen Euro belaufen.
Laut der Antwort der Bundesregierung auf die parlamentarische Anfrage der AfD-Fraktion reichen hierzulande die monatlichen Betriebskosten bereits an die bisherige Gesamtsumme von „Koroanvilkku“ heran: Im Schnitt 3,94 Millionen Euro gab der Bund demnach im Jahr 2021 monatlich für den Betriebskosten der Telekomtochter T-Systems International und Wartungskosten der SAP aus. Für 2022 gehe eine Prognose von monatlich 2,66 Millionen Euro aus. Die Verträge wurden bis Ende 2022 verlängert, aber auch danach dürfte die CWA noch erhalten bleiben.
Denn das Bundesgesundheitsministerium (BMG) plant laut SZ, die App als „Baustein der digitalen Kontaktnachverfolgung weiter auszubauen und zusätzliche Funktionalitäten“ zu integrieren. Die Prognose zu den Kosten dafür geht von weiteren 50 Millionen Euro im Jahr 2022 aus. Unterm Strich stehen dann 180 Millionen Euro – mehr als das Dreißigfache der Kosten für die finnische App. 52,8 Millionen Euro waren laut Bundesregierung 2020 angefallen, 63,5 Millionen Euro im Folgejahr. Hinzu kommen 13,7 Millionen Euro Kosten für die Bewerbung der App.
Dabei wirft der tatsächliche Entwicklungsaufwand Fragen auf: Denn die eigentliche Kernfunktion der App – die Kontakterkennung mittels Bluetooth – gab es längst. T-Systems und SAP mussten sie nicht entwickeln, sondern lediglich auf vordefinierte Schnittstellen in den Betriebssystemen zugreifen.
Beide Unternehmen wollten sich auf SZ-Anfrage nicht zur Kostenstruktur äußern, betonen demnach aber, dass es sich um ein „komplettes Ökosystem“ handele, mit dem man „erstmals digitale Pfade in einer bis dahin weitgehend analogen Umgebung“ geschaffen habe. Mittlerweile ist auch der BRH aufmerksam geworden, der bereits bei anderen Maßnahmen im Rahmen der Corona-Pandemie Kritik an der Ausgabenfreude der vorherigen Bundesregierung übte. Ein Sprecher bestätigte, dass ein Prüfverfahren wegen zur Wirtschaftlichkeit der App laufe.
Immerhin muss gesagt sein, dass die App mittlerweile nicht mehr nur der individuellen Kontaktnachverfolgung dient, sondern auch eine wichtige Rolle als Meldemedium für Corona-Tests spielt. Angaben der Bundesregierung zufolge waren bis Ende Dezember 2021 7586 Partner an das CWA-Schnelltestportal angeschlossen sowie 323 sogenannte Schnittstellenpartner, also Softwareanbieter, über die wiederum 12.013 Schnellteststellen angeschlossen sind. „Mithin sind knapp 20.000 Teststellen in der Lage, Testergebnisse digital an die CWA zu übertragen“, so die Bundesregierung.
Wie viele Apotheken darunter sind, weiß die Bundesregierung nach eigenen Angaben selbst nicht, da bei der Anbindung „naturgemäß keine Unterscheidung“ stattfinde, ob sich die Teststelle in einer Apotheke befindet. Was das BMG aber weiß: Mittlerweile wurden zwei Apotheken und die in ihnen ausgestellten Zertifikate gesperrt, eine davon die Kaiser Apotheke in München. Wie viele Zertifikate insgesamt ungültig sind, weiß das BMG aber auch nicht.
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