Die offizielle Corona-Warn-App des Bundes wird am Dienstag vorgestellt und freigeschaltet. Letzte Tests seien gut verlaufen, hieß es. Die App soll nach etwa sechswöchiger Entwicklungszeit helfen, Corona-Infektionsketten schneller zu erkennen, nachzuverfolgen und zu durchbrechen.
Mit der App sollen die Corona-Infektionsketten besser erkannt werden. Sie soll dafür sorgen, dass bei einer Lockerung für das öffentliche Leben die Ausbreitung des Coronavirus nicht wieder stark zunimmt.
Nach weiteren Informationen soll die App von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU), Innenminister Horst Seehofer (CSU), Vertretern der an der Entwicklung beteiligten Unternehmen T-Systems und SAP sowie Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) vorgestellt werden.
Besitzer eines geeigneten Smartphones können freiwillig entscheiden, ob sie die Warn-App installieren wollen oder nicht. Die App kann auch nachträglich wieder deaktiviert oder deinstalliert werden.
Die App misst über den Kurzstreckenfunk Bluetooth, ob sich Anwender der App über einen Zeitraum von 15 Minuten oder länger näher als ungefähr zwei Meter gekommen sind. Dabei werden stoßweise alle zweieinhalb bis fünf Minuten anonymisierte Identifikationsnummern übertragen. Der Ort der Begegnung wird dabei nicht erfasst. Wird ein Nutzer positiv auf Covid-19 getestet und diese Information in der App geteilt, werden die anderen Anwender informiert, dass sie sich in der Vergangenheit in der Nähe einer infizierten Person aufgehalten haben.
Bei der App wurde ein mehrstufiges Datenschutzkonzept umgesetzt. Der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber lobte es als „datenschutzfreundliche Lösung“. Grüne und Linke hatte darüber hinaus eine eigene gesetzliche Grundlage für die App gefordert, um Diskriminierungen bei Alltagsgeschäften für Menschen zu verhindern, die die App nicht einsetzen wollen.
Braun hatte zuletzt Versäumnisse bei der Entwicklung der Corona-Warn-App eingeräumt. „Aus heutiger Sicht hätten wir die Entscheidung, die Unternehmen mit der technischen Umsetzung der Corona-App zu betrauen, zehn Tage früher treffen sollen“, sagte der Kanzleramtschef der „Welt am Sonntag“. Braun sprach auch von Differenzen im ursprünglichen Projektteam, die einen
schnellen Erfolg verhindert hätten.
Eigentlich sollte die Warn-App bereits Ende April starten; damals entschied die Bundesregierung, nicht mehr das Projektteam, sondern die Unternehmen SAP und T-Systems mit der Umsetzung der App zu beauftragen. Diese wird nach Einschätzung des IT-Dienstleisters TÜV Informationstechnik stabil und sicher laufen, ohne die Anwender auszuspionieren. Das habe eine Prüfung der App ergeben, die man im Auftrag des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) unternommen habe, sagte TÜV-IT-Chef Dirk Kretzschmar am Samstag.
Der digitalpolitische Sprecher der SPD, Jens Zimmermann, sagte der „Welt am Sonntag“, die App hätte „sicherlich zwei bis drei Wochen früher zur Verfügung stehen können, hätten sich Gesundheitsminister Spahn und das Kanzleramt von vornherein auf den sogenannten dezentralen Ansatz verständigt, wie von vielen Experten gefordert.“
Die Entwicklung wird rund 20 Millionen Euro kosten. Dazu kommen Betriebskosten in Höhe von 2,5 bis 3,5 Millionen Euro monatlich. Der Großteil davon entfällt auf den Betrieb von zwei Hotlines bei der Deutschen Telekom. Anwender können sich bei den Hotlines bei der Installation der App und dem Eintrag eines positiven Testergebnisses in die App helfen lassen. Die Infizierten erhalten dabei von dem Callcenter einen Freischaltcode. Mit dem Verfahren soll verhindert werden, dass nicht Infizierte sich versehentlich als positiv getestet bezeichnen. Alternativ können die Betroffenen den Freischaltcode aber auch digital direkt vom Testlabor als QR-Code erhalten, wenn das Labor bereits entsprechend ausgestattet ist.
Bei den Kosten für die Callcenter müsse berücksichtigt werden, dass die Anwender nicht in langen Warteschlangen landen sollten. Außerdem wolle man den Service nicht nur auf Deutsch, sondern auch auf Englisch und Türkisch zur Verfügung stellen.
Wird ein Nutzer positiv getestet und dieser Status in der App erfasst, sollen andere Anwender informiert werden, dass sie sich in der Nähe eines Infizierten aufgehalten haben. Aus Regierungskreisen hieß es weiter, die App sei nur ein Baustein in der Bekämpfung der Pandemie und kein Allheilmittel. Die Verwendung sei vollkommen freiwillig, der Programmcode als „Open Source“ völlig transparent.
Die Anwendung soll in den kommenden Wochen immer wieder optimiert und aktualisiert werden. Dabei soll insbesondere die Funktionsweise über Ländergrenzen hinweg eine große Rolle spielen. Nachbarstaaten wie die Niederlande, die Schweiz und Österreich setzen wie Deutschland auf das von Google und Apple vorgegebene Konzept einer dezentralen Speicherung der anonymisierten Kontaktdaten auf den Smartphones selbst. Nur die Liste der anonymisierten IDs der Infizierten wird auf einem zentralen Server zum Abruf durch die Smartphones vorgehalten. Frankreich hingegen hat sich für eine zentrale Speicherung der Kontaktdaten entschieden und von dem technischen Konzept von Google und Apple abgegrenzt.
42 Prozent der Bundesbürger würden laut ARD-Deutschlandtrend von Anfang Juni die App zur Nachverfolgung von Corona-Infektionsketten auf dem eigenen Smartphone nutzen. 39 Prozent würden sie nicht nutzen. 16 Prozent gaben in der Umfrage an, kein Handy oder Smartphone zu besitzen. Unter den Befragten, die eine Nutzung der App ablehnen, begründete knapp die Hälfte (45 Prozent) dies mit Datenschutz, Überwachung oder Persönlichkeitsrechten. 13 Prozent meinten, eine solche App funktioniere nicht, bringe nichts oder andere Maßnahmen seien besser.
Grünen-Fraktionsvize Konstantin von Notz forderte ein Gesetz, dass die Freiwilligkeit der Nutzung der App und die Anonymität der erhobenen Daten garantiert. Noch vor der Sommerpause werde seine Fraktion einen Gesetzesvorschlag im Bundestag vorlegen.
Der FDP-Digitalpolitiker Manuel Höferlin hält ein Gesetz hingegen für „obsolet“, Befürchtungen um einen möglichen Nutzungszwang seien mit dem geltenden Recht unvereinbar. Braun hatte am Donnerstag in der ZDF-Sendung «maybrit illner» versichert, die Nutzung der App sei „definitiv freiwillig“.
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