Desinfizierende Photodynamik

Corona-Schutz: Antiviraler Lack aus Regensburg

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Berlin -

Seit über 20 Jahren beschäftigen sich einige Mitarbeiter von TriOptoTec mit dem Thema Photodynamik – ursprünglich im Rahmen von Forschungprojekten an der dortigen Uniklinik. Im vergangenen Jahr konnte das Regensburger Unternehmen dann einen antiviralen Lack auf den Markt bringen. Dyphox kann nachträglich auf zahlreiche Oberflächen aufgetragen werden und erzielt durch einen photodynamischen Effekt eine keimabtötende Wirkung.

Das kleine Regensburger Unternehmen brachte Ende 2019 sein erstes Produkt auf den Markt: Dyphox ist ein antiviral wirkender Lack. Das Mittel kann nachträglich auf zahlreiche Oberflächen aufgetragen werden und wirkt mittels Photodynamik. Entstanden ist das Unternehmen aus einem Forschungsprojekt der Uniklinik Regensburg. Seit mehr als 20 Jahren setzt man sich dort mit dem Prinzip und den Anwendungsmöglichkeiten der Photodynamik auseinander. Ursprünglich waren die Forscher auf der Suche nach einem Dermatikum zur Behandlung des weißen Hautkrebses. Die Forschungsarbeiten hatten somit zunächst einen medizinischen Fokus. Xaver Auer, Chef von Trioptotec, erklärt das Prinzip zur Anwendung bei Hautkrebs gegenüber der Welt am Sonntag wie folgt: „Dabei wird eine Creme aufgetragen, die Lichtenergie aufnimmt und an die umliegenden Moleküle abgibt.“ Die Krebszellen sollten durch die Energie zerstört werden. Dadurch erhoffte sich das Forscherteam einen neuen Ansatz in der Krebstherapie. Später folgten weitere Ideen, die aus den anfänglichen Überlegungen hervorgingen: „Unsere Idee war, diese Methode auf andere Oberflächen zu übertragen.“

Prinzip der photodynamischen Inaktivierung

Das Prinzip der Photodynamik kann verschiedene Keime – darunter auch Coronaviren – unschädlich machen. Das aufgetragene Material reagiert mit den Sauerstoffmolekülen der direkten Umgebung – die angeregten Moleküle töten Bakterien & Co. ab. Das heißt, der Lack ist nur bei Licht aktiv – im Dunkeln erfolgt keine Keimabtötung. Wird die Reaktion durch fehlendes Licht unterbrochen, so pausiert diese nur. Sobald wieder Lichteinfall vorhanden ist, werden Keime abgetötet. Die Technik basiert demnach auf einer Kombination von sichtbarem Licht mit einem lichtaktivierbaren Molekül, dem sogenannten Photosensibilisator. Mögliche Substanzen gehören zu den Gruppen der Phenothiazine, Porphyrine, Phthalozyanine und Fullerene. Der Photosensibilisator absorbiert sichtbares Licht bestimmter Wellenlängen. Dadurch wechselt er in einen angeregten Zustand. Durch photochemische und -physikalische Reaktionen werden reaktive Sauerstoffspezies (Superoxidanionen, Singulett-Sauerstoff, Hydroxylradikale) erzeugt. Diese führen dann schlussendlich zur oxidativen Zerstörung der Keime.

Photodynamik als neues Desinfektionsmittel?

Durch die Photodynamik können Bakterien und Viren unschädlich gemacht werden. Hierfür werden keine Reinigungsprozesse oder Desinfektionsmittel benötigt. Insbesondere für Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen sei der Lack interessant, so Auer. Zwar sei der Einsatz in der Onkologie gescheitert, jedoch fand das Unternehmen relativ schnell neue Einsatzmöglichkeiten. „Wir haben schnell festgestellt, dass die Mittel aus der Krebstherapie nicht geeignet waren, weil die Energieausbeute bei normalem Raumlicht zu gering war. Von 2017 bis 2019 haben wir dann unsere Produkte entwickelt, die Ende vergangenen Jahres auf den Markt gekommen sind. Als es gerade richtig losging, kam die Corona-Pandemie“, erzählt Auer.

Im Krankenhaus sei es noch gut möglich, alle Oberflächen regelmäßig zu desinfizieren. In öffentlichen Verkehrsmitteln oder Gebäuden sähe dies schon anders aus, so der Geschäftsführer. Dyphox ist ein klarer Lack und kann zur Nachbeschichtung von Obderflächen genutzt werden. „Unsere Beschichtung ist nicht das Allheilmittel, sondern eine Ergänzung zu den üblichen Hygienemaßnahmen und Reinigungszyklen.“ Nach dem Auftragen soll das Produkt bis zu zwölf Monate lang seine Wirkung entfalten. „Im Labor funktionieren viele Technologien, aber Dyphox ist das einzige Produkt, dessen Wirkung auch in der Realität im Rahmen einer Feldstudie nachgewiesen wurde.“

Die Ergebnisse der Studie, die an zwei Regensburger Kliniken durchgeführt wurde, wurden im „Journal of Hospital Infection“ veröffentlicht. Das Ergebnis: Die Keimbelastung mit Dyphox fiel im Vergleich zu unbehandelten Flächen deutlich niedriger aus. Die Zahl der koloniebildenden Einheiten pro Quadratzentimeter sank von durchschnittlich 6,1 auf nur noch 1,9 und damit unter den kritischen Grenzwert von 2,5. Hierbei wichtig: Bei koloniebildenen Einheiten ist immer von Bakterien oder Pilzen die Rede – nicht von Viren. Diese müssen mit einer anderen Methode überprüft werden. Weiterhin wurden für die Studie keine Coronaviren verwendet, jedoch sogenannte Vertreterkeime. „Es hat sich aber gezeigt, dass sich behüllte Viren wie das Coronavirus mit der Photodynamik sogar leichter deaktivieren lassen als unbehüllte Viren“, sagt Auer.

Prinzip findet auch Anwendung in der Medizin

Die antimikrobielle photodynamische Inaktivierung von Keimen ist nicht neu – bereits vor Jahrzehnten wusste man um das Prinzip der Photodynamik. Unter dem Begriff photodynamische Therapie versteht man ein Vorgehen zur Behandlung von Tumoren mittels Photosensibilisator. Dem Patienten wird ein nicht-toxischer Photosensibilisator verabreicht (lokal oder systemisch), der sich in Tumornähe anreichert. Nach einer gewissen Wartezeit wird dieser mit Licht geeigneter Wellenlänge bestrahlt.

 

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