Die Vermutung stand bereits im Raum – nun bestätigt eine Studie aus Großbritannien, dass die Zahl der Herzinfarkte und die damit verbundenen Todesfälle während des Corona-Lockdowns angestiegen sind.
Aus Angst vor einer Ansteckung gingen viele Menschen während der Hochsaison von Corona weder zum Arzt noch ins Krankenhaus – selbst wenn die Symptome gravierend und eindeutig waren. Britischen Kardiologen zufolge habe dies während der ersten Welle zu einem Anstieg von kardiovaskulären Todesfällen geführt. Die Ergebnisse ihrer Untersuchung wurden im Fachjournal „Heart“ publiziert.
Ärzte weltweit beobachteten während der Pandemie zunächst einen Rückgang der Arztbesuche aufgrund akuter Koronarsymptome – in Großbritannien um ganze 40 Prozent. Doch schon damals wurde vermutet, dass der Schein womöglich trügt und die Fälle nicht in Wirklichkeit zurückgehen, sondern durch eine Aufschiebung der Arztbesuche begründet sind. Die aktuelle Analyse der Universität Leeds bestätigt dies: In den vier Monaten nach dem 2. März – an dem es den ersten Corona-Todesfall in Großbritannien gegeben hatte – sei es in England und Wales zu 2000 Todesfällen mehr gekommen als im gleichen Zeitraum der Vorjahre. Das entspricht einem Anstieg von 8 Prozent.
Knapp 1500 seien zwar auf Covid-19 zurückzuführen, die restlichen Menschen seien jedoch aufgrund einer nicht rechtzeitigen medizinischen Behandlung gestorben. Kardiovaskuläre Todesfälle in den eigenen vier Wänden hätten der Analyse zufolge um 35 Prozent zugenommen, vor allem Herzinfarkte und Herzversagen waren die Ursache. Die Covid-19-bedingten kardiovaskulären Todesfälle nahmen nur um 2 Prozent zu.
Auch in Pflegeheimen zeigte sich eine ähnliche Entwicklung: Hier betrug der Anstieg aller kardiovaskulären Todesfälle 32 Prozent, durch Corona ausgelöste kardiovaskuläre Todesfälle nahmen nur um 5 Prozent zu. Als Todesursache zeichneten sich hier vor allem Schlaganfälle und Herzversagen ab. Im Krankenhaus zeigte sich hingegen ausschließlich ein Anstieg der Covid-19-bedingten kardiovaskulären Todesfälle. Todesfälle aufgrund von Herzversagen, Herzinfarkt oder Schlaganfall traten hier seltener auf als in den Vorjahren. Dafür zeigte sich ein Anstieg von Lungenembolien und kardiogenen Schockereignissen – vermutlich aufgrund von Covid-19.
Auch in Deutschland ist die Entwicklung ähnlich. Die Fachgesellschaften warnten bereits vor einigen Monaten: Wenn akute Herzinfarkte nicht zeitnah und adäquat behandelt würden, könnten sich in naher Zukunft schwere Folgekomplikationen ableiten, darunter Myokardrupturen, kardiogener Schock, Reinfarkte, Herzinsuffizienz oder ventrikuläre Arrhythmien. Um das Vertrauen der Patienten wiederherzustellen und solch schwerwiegenden Folgen vorzubeugen, müssten Patienten und Bevölkerung umfassend informiert und aufgeklärt werden, erläuterten die Fachgesellschaften. „Kein Patient sollte aus Angst vor einer Infektion mit dem Corona-Virus auf die zwingend notwendige medizinische Hilfe in einem Krankenhaus verzichten“, hieß es in einem offenen Brief.
Die Versorgung von herzmedizinischen Notfällen in deutschen Krankenhäusern sei allzeit sichergestellt und erfolge unter Beachtung der notwendigen Isolationsmaßnahmen von mit dem Covid-19-Virus infizierten Patientinnen und Patienten. „Bei typischen Herzschmerzen, Luftnot oder Engegefühl im Brustbereich soll umgehend der Notruf 112 gewählt werden“, raten die Fachgesellschaften. Auch dringliche oder notfallmäßige Herzoperationen dürften nicht hinausgezögert werden, da dies zu Organschäden oder gar zum Tod von Erwachsenen oder Kindern mit angeborenen Herzfehlern führen könne.
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