Bisher sind nur Impfstoffe zugelassen, die intramuskulär gespritzt werden müssen. Die Injektion ist der klassische Weg der Impfung. Doch zumeist verhindert diese Art der Immunisierung nicht die Aufnahme von Viren in den Körper. Vereinzelt erkranken Menschen an Corona, obwohl sie geimpft sind. Das zeigt sich aktuell vor allem bei der Delta-Variante. Eine Verabreichung des Vakzins über die Nasenschleimhaut könnte das Eindringen der Viren verhindern. Erforscht wird diese Darreichungsform unter anderem am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung.
Zwar kommt es nicht häufig vor, dass bereits geimpfte Personen sich mit Sars-CoV-2 infizieren, dennoch gibt es diese Impfdurchbrüche. Gründe dafür sind unter anderem die unterschiedlichen Wirksamkeiten der Vakzine. Keines der aktuell eingesetzten Mittel schützt zu 100 Prozent. Weiterhin kommt zum Tragen, dass der Impfschutz nur eine bestimmte Zeit anhält. Wie lange genau ein Impfling ausreichend geschützt ist, ist aktuell offen. Durch spezifische Antikörpertestungen könnten Titer bestimmt werden. Einige Personengruppen haben trotz Impfung ein erhöhtes Risiko einer Infektion, das gilt ganz unabhängig von Covid-19 für alle Infektionskrankheiten. So haben ältere Personen und Immunsupprimierte beispielsweise ein schwächeres Immunsystem, als Gesunde. Der aufgebaute Impfschutz kann unter Umständen von Anfang an geringer ausfallen. In Deutschland sind bisher run 6100 Impfdurchbrüche dokumentiert worden.
Durchbruchsinfektionen bedeuten jedoch nicht, dass die Impfung nicht wirkt oder sogar das Immunsystem schwächt. Kund:innen, die diese Art der Zweifel hegen, sollten innerhalb eines Beratungsgespräches über die Gründe solcher Infektionen aufgeklärt werden.
Aktuell zählt das Robert Koch-Institut geimpfte Menschen nicht zum epidemiologischen Geschehen dazu. „Aus diesen Daten kann abgeleitet werden, dass die Covid-19-Impfung eine Virustransmission in erheblichem Maße reduziert und dass vollständig geimpfte Personen in Bezug auf die Epidemiologie der Erkrankung keine wesentliche Rolle mehr spielen“, informiert das RKI im epidemiologischen Bulletin vom 8. Juli.
Doch es ist auch klar, dass die Impfung das Eindringen der Erreger in die Nasenschleimhaut nicht verhindert. Dort kann Sars-CoV-2 auf gewohntem Wege auch bei Geimpften in den Körper gelangen. Bislang geht man davon aus, dass geimpfte das Virus nicht oder nur in geringem Ausmaß weitergeben. Durch eine nasale Impfung soll diese Grauzone eliminiert werden. Denn bei einer Impfung über die Nasenschleimhaut könnte die Aufnahme des Virus direkt blockiert werden. Dann würden Geimpfte absolut keinen Beitrag mehr zum epidemiologischen Geschehen leisten. Auch das Auftreten weiterer Varianten würde nach Ansicht zahlreicher Forscher:innen keinen Einfluss nehmen.
Doch die Entwicklung einer nasalen Impfung ist nicht ganz unproblematisch. Die Galenik stellt die Forscher:innen vor einige Herausforderungen. Schleimhäute führen zum Beispiel stets zu Verdünnungseffekten. Die Dosisfindung müsste zeigen, wie hoch die Impfdosis sein müsste und ob die Zubereitung dann noch gut verträglich ist.
Um einen effektiven Impfstoff entwickeln zu können, muss die Anatomie und Physiologie der Schleimhaut berücksichtigt werden. Als Pforte zum Körper stellt sie mittels verschiedener Mechanismen eigentlich eine Barriere für Keime dar. Doch im Falle einer Impfung soll das Spike-Protein möglichst vollständig aufgenommen werden. Die Flimmerhärchen sorgen dafür, dass Eindringlinge zum Rachen hin abtransportiert werden. Im Falle eines Imfpstoffes würde dieser verschluckt und unwirksam werden. Auch der vorherrschende pH-Wert kann dazu führen, dass im Impfstoff enthaltene Proteine ihre Struktur ändern und unbrauchbar werden. Gleiches gilt für in der Schleimhaut enthaltene Enzyme – auch sie führen unter Umständen dazu, dass das Vakzin unwirksam wird, da es die Struktur ändert. Wieviel Impfstoff letzendlich tatsächlich in den Körper gelangt, ist aktuell nicht klar. Bei einer Injektion weiß man, dass 100 Prozent der Spritze im Körper landen. Bei einer nasalen Verabreichung variiert der Anteil an resorbierten Impfstoff.
Die Corona-Impfung per Nasenspray wird unter anderem am Helmholtz Zentrum für Infektionsforschung (HZI) erforscht. Bei der Erforschung kommt ein eigens am Institut entwickelter Wirkverstärker zum Einsatz. Das Adjuvans c-di-AMP verstärkt die Reaktion des Immunsystems auf den Impfstoff. Der Körper wird bei der nasalen Verabreichung dem Spike-Protein des Virus ausgesetzt. Somit ähnelt der neuartige Impfstoff den bisher Zugelassenen. Das Spike-protein wird am Helmholtz Zentrum biotechnologisch hergestellt – es handelt sich demnach um einen Subunit-Impfstoff.
Bei einer kreuzreaktiven Immunantwort kommt es sowohl zur Beteiligung von B- als auch von T-Zellen. Unter dem Begriff Kreuzreaktivität im Allgemeinen versteht man in der Immunologie die Bindung eines Antikörpers an zwei unterschiedliche Antigene. Diese verfügen über ein ähnliches oder identisches Epitop (Bindungsstelle).
Auch AstraZeneca forscht aktuell an einer nasalen Version von Vaxevria. Gemeinsam mit der Universität Oxford wurde die Phase-I-Studie gestartet. „Dies ist ein aufregender neuer Ansatz für die Verabreichung eines führenden Covid-19-Impfstoffs, der sehr effektiv sein könnte, um nicht nur Krankheitsschübe, sondern auch asymptomatische Infektionen zu verhindern und damit die Übertragung in der Bevölkerung zu reduzieren“, erklärt Professor Adrian Hill, einer der Studienleiter.
Bislang spielen nasale Darreichungsformen bei Vakzinen eine untergeordnete Rolle. Ein abgeschwächter Lebendimpfstoff gegen Grippe ist die Ausnahme. Der tetravalente Impfstoff Fluenz von AstraZeneca ist seit 2014 auf dem Markt. Er kann bereits bei Kindern ab zwei Jahren eingesetzt werden. Da bei Impfstoffen keine direkte Dosis-Wirkungsbeziehung besteht, erhalten alle Anwender – unabhängig vom Alter – dieselbe Dosierung. Pro Nasenloch werden 0,1 ml verabreicht.
Abgeschwächte Lebendimpfstoffe können nicht bei allen Patient:innen eingesetzt werden. Da sie zu einer echten Infektion führen sind sie beispielsweise bei immunsupprimierten Personen kontraindiziert. Um einen Impfstoff für alle zu entwickeln, wollen sich die Forscher des HZI auf Totimpfstoffe fokussieren.
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