Spätestens ab dem 7. Juni sollen auch die Betriebsärzt:innen in die Corona-Impfkampagne einbezogen werden – eine neue logistische Herausforderung. Das merkte auch der ehemalige Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr, der heute im Vorstand der Allianz Private Krankenversicherung ist. Zum Glück hat er noch gute Kontakte zu Apothekern.
Zum Beispiel kennt Bahr aus seiner politisch aktiven Zeit noch Apotheker Dr. Stefan Hartmann. Der betreibt vier Apotheken bei München und ist in seiner Funktion als Chef des Bundesverbands Deutscher Apothekenkooperationen (BVDAK) auch berufspolitisch engagiert. Und er ist FDP-Mitglied.
Neulich hat sich Bahr mal wieder bei Hartmann gemeldet. Denn auch an den bundesweit 15 Standorten der Allianz sollen die Mitarbeiter:innen geimpft werden. 27 betriebsinterne Impfstraßen werden eingerichtet. Bahr habe sich eine Einschätzung gewünscht, wie die Impfstoffe in den Betrieb kommen können, berichtet Hartmann. Er selbst habe dann vorgeschlagen, sich gleich mit dem Großhandel zusammenzusetzen. Und so kam es zu einer Telefonkonferenz mit Bahr, Hartmann und einem Vertreter von Hageda Stumpf – gewissermaßen als Repräsentant des Phagro.
Zwischen den Beteiligten war Hartmann zufolge schnell klar, dass die dezentrale Struktur die besten Voraussetzungen bietet. „Je größer die Entfernungen, desto schlechter für den Impfstoff“, so Hartmann. Warum also nicht den bewährten Weg über Großhandel und Apotheke gehen? Die Versorgung auch größerer Einheiten könne eine leistungsfähige Apotheke durchaus stemmen, so Hartmann. In der Verordnung sei einfach der Begriff „Hausärzte“ durch „betriebliche Impfzentren“ zu ergänzen, so der Konsens in der Gruppe.
Mindestens 500.000 Impfdosen sollen ab dem 7. Juni wöchentlich für die Betriebe zur Verfügung stehen – aufgrund der Verfügbarkeit voraussichtlich vor allem Comirnaty von Biontech. Große Unternehmen bereiten sich bereits mit eigenen Impfstraßen vor, Pilotprojekte gab es etwa bei BASF und VW.
„Noch warten viele auf ihren Impftermin. Aber bereits in ein paar Wochen werden wir voraussichtlich mehr Impfstoff haben als Terminanfragen“, sagte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) gegenüber der „Welt am Sonntag“. Gerade Betriebsärzte sollten dann helfen, mit niedrigschwelligen Impfangeboten zu überzeugen. So könnten auch diejenigen fürs Impfen gewonnen werden, die „nicht das Gegenargument suchen, sondern die Gelegenheit“, so Spahn.
Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) arbeitet nach eigenen Angaben mit Hochdruck an der Ausweitung der Impfmöglichkeiten. „Derzeit laufen die notwendigen Vorbereitungen. Die Impfung der Erwerbstätigen erfordert einfache und unkomplizierte Zugangswege für die Impfwilligen. Hierzu steht das Bundesministerium für Gesundheit in engem Austausch mit der Bundesvereinigung der Arbeitgeber und den Verbänden der Betriebsärzte. Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) hat mit Beteiligung der Verbände der Betriebsärzte die Organisation des Impfprozesses vorbereitet.“
Bis Freitag konnten die Firmen gegenüber dem Dachverband angeben, ob sie eine betriebliche Impfung planen, ob sie eigene Betriebsärzt:innen haben und wie die Übermittlung der Dokumentation an das Robert-Koch-Institut (RKI) organisiert werden soll. Auf Grundlage der Daten will das BMG nun ein Konzept auflegen, das auch die Logistik berücksichtigt. Dabei sollen dem Vernehmen nach Apotheken eingebunden werden, die bereits Erfahrung mit der Lieferung von Impfstoffen für die Arbeitsmedizin haben.
Allerdings müssen auch die Betriebsärzt:innen eine gewisse Priorisierung einhalten, wie der Verband Deutscher Betriebs- und Werksärzte (VDBW) gegenüber den Zeitungen der Funke Mediengruppe erklärte. Neben den besonders Schutzbedürftigen müssten auch jene bevorzugt werden, die im Berufsalltag viele Kontakte hätten, etwa mit Kunden oder im Außendienst, so VDBW-Vizepräsidentin Anette Wahl-Wachendorf. Nicht zulässig wäre, „dass der Chef beim Impfen als erster an der Reihe ist, wenn er ständig im Homeoffice sitzt“.
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