Chef in Quarantäne: Wer zahlt bei Corona-Schließung? Alexander Müller, 09.03.2020 12:25 Uhr
In den vom Coronavirus maßgeblich betroffenen Regionen kommt es nun immer öfter zu Schul- oder Kita-Schließungen. Apotheken sind davon bislang nicht betroffen, wären aufgrund ihrer Rolle in der Gesundheitsversorgung auch nicht die erste Adresse. Möglich ist eine behördlich verhängte Schließung dennoch – etwa wenn Teile des Teams unter Quarantäne gestellt werden. Dann geht es in zweiter Linie auch um wirtschaftliche Themen wie Entschädigung oder Versicherungsfragen.
Im Infektionsschutzgesetz (IfSG) ist die „Bekämpfung übertragbarer Krankheiten“ geregelt, in §§ 28 bis 32 geht es um Schutzmaßnahmen, Beobachtung, Quarantäne, das berufliche Tätigkeitsverbot und den Erlass von Rechtsverordnungen. Die Behörden können demnach etwa Schulen und Kindertagesstätten schließen sowie Versammlungen und die Berufsausübung verbieten.
Wird eine Apotheke unter Bezug auf das Infektionsschutzgesetz von der Behörde geschlossen, haben die Inhaber die damit zusammenhängenden Kosten zu tragen, sie müssen etwa ihre Arbeitnehmer weiterhin bezahlen, auch wenn die Apotheke geschlossen bleiben muss. Unter bestimmten Umständen kann Kurzarbeitergeld beantragt werden.
Wird der Apothekenleiter oder ein Mitarbeiter mit Bezug auf das Infektionsschutzgesetz von der Behörde unter Quarantäne gestellt, ist zudem eine Entschädigung möglich. Der Inhaber muss das beim Gesundheitsamt beantragen. In § 56 IfSG heißt es dazu: „Wer auf Grund dieses Gesetzes als Ausscheider, Ansteckungsverdächtiger, Krankheitsverdächtiger oder als sonstiger Träger von Krankheitserregern im Sinne von § 31 Satz 2 Verboten in der Ausübung seiner bisherigen Erwerbstätigkeit unterliegt oder unterworfen wird und dadurch einen Verdienstausfall erleidet, erhält eine Entschädigung in Geld. Das Gleiche gilt für Personen, die als Ausscheider oder Ansteckungsverdächtige abgesondert wurden oder werden, bei Ausscheidern jedoch nur, wenn sie andere Schutzmaßnahmen nicht befolgen können.“
Für die ersten sechs Wochen wird die Entschädigung in Höhe des Verdienstausfalls gewährt, danach in Höhe des Krankengeldes. Bei einer „Existenzgefährdung“ können die Mehraufwendungen auf Antrag und „in angemessenem Umfang“ von der zuständigen Behörde erstattet werden – bei Apotheken das Gesundheitsamt, das die Schließung veranlasst hat. Selbständige, deren Betrieb ruht, erhalten „auf Antrag von der zuständigen Behörde Ersatz der in dieser Zeit weiterlaufenden nicht gedeckten Betriebsausgaben in angemessenem Umfang“, heißt es im IfSG.
Der Apothekerverband Nordrhein hat seine Mitglieder unlängst über die Bedingungen informiert: „Die Arbeitnehmer erhalten vom Arbeitgeber die ganz normale Lohnfortzahlung wie im Krankheitsfall und der Arbeitgeber kann sich den gezahlten Lohn vom Gesundheitsamt erstatten lassen. Bei Selbstständigen bemisst sich die Entschädigung an dem letztem Jahreseinkommen.“
Personen, die als krank oder ansteckend gelten, können in Quarantäne gesetzt werden. In Ausnahmefällen können mit den IfSG also auch die Grundrechte eingeschränkt werden. Die Behörden sind ermächtigt, eine Ausgangssperre zu verhängen und Geschäfte zu schließen. Dazu gehören auch Apotheken.
Der Versicherungsexperte Michael Jeinsen erklärt, wann welche Versicherung einspringen kann: „Die Berufs- oder Betriebshaftpflichtversicherung zahlt grundsätzlich nur für Drittschäden. Das sind Schäden, die einer anderen Person durch die Tätigkeit des Apothekers zugefügt werden. Beim Fall Corona: Ein Kunde oder Patient steckt sich beim Besuch der Apotheke an, weil sich ein wissentlich bereits erkrankter Mitarbeiter dort aufgehalten hat. Ob der Inhaber in einem solchen Fall haftet, ist vom Einzelfall abhängig. Häufig ist der Versicherungsschutz für die Übertragung von Krankheiten ausgeschlossen oder eingeschränkt.“ Daher sollten gerade Gesundheitsdienstleister, die von Berufs wegen mit kranken Menschen zu tun haben, die Bedingungen ihrer Berufshaftpflicht oder Betriebshaftpflicht prüfen, rät der Experte, der sich auf der Online-Plattform DenPhaMed engagiert.
Die Inhalts- oder Werteversicherung bietet dagegen nur Schutz für die Einrichtung der Apotheke. Da diese durch eine ansteckende Krankheit nicht betroffen ist, besteht hier auch kein Versicherungsschutz. Dasselbe gilt für die Betriebsunterbrechungsversicherung. Diese ersetzt den Rohertrag der Apotheke, wenn diese aufgrund eines versicherten Schadens geschlossen werden muss. Sie ist aber häufig ein Baustein der Inhaltsversicherung und leistet daher nur bei einem versicherten Schaden an der Einrichtung.
Über eine sogenannte „Force-Majeure-Klausel“ kann sich die Apotheke auch gegen eine Betriebsschließung aufgrund höherer Gewalt versichern. „Einige Unternehmen prüfen derzeit, ob die Versicherer aufgrund dieser Klausel zahlen müssen, wenn der Betrieb wegen des Coronavirus stillsteht“, erklärt Jeinsen. Eine Entscheidung dazu werde vermutlich ein Gericht fällen müssen. Die Policen von Arztpraxen oder Apotheken enthielten aber selten eine entsprechende Klausel.
Die Betriebskostenversicherung greift, wenn der Apothekeninhaber gesundheitsbedingt ausfällt und die Apotheke geschlossen werden muss, weil kein Approbierter vor Ort ist. In manchen Verträgen können auch Sachschäden oder die Betriebsschließung mitversichert werden. Die Versicherung greift dann, wenn der Apothekeninhaber wegen Krankheit oder Unfall ausfällt – meist ohne Ausschluss für Epidemien oder Pandemien.
Zudem leistet die Versicherung häufig, wenn aufgrund einer behördlich angeordneten Quarantäne geschlossen werden muss. „Diese Quarantäne muss sich allerdings aber gegen die Apotheke oder deren Inhaber selbst richten“, erklärt Jeinsen. „Wird nicht zielgerichtet gegen einen Betrieb eine Quarantäne verhängt, sondern regional das Öffnen von Geschäften, Praxen oder Apotheken verboten, besteht möglicherweise kein Versicherungsschutz.“
Und tatsächlich dürften die Apotheken, so wie die Wirtschaft insgesamt, auf den Kosten im Zusammenhang mit dem Coronavirus zum großen Teil sitzen bleiben. Denn gerade die Schließung von Gesundheitseinrichtungen dürfte für die Behörden das letzte Mittel sein. So lange gehören Aufwendungen wie die Erarbeitung und Umsetzung von Pandemieplänen oder Ausfälle von Mitarbeitern zum unternehmerischen Risiko.