Charité testet Antikörper-Therapie dpa, 27.04.2021 07:33 Uhr
Antikörper-Cocktails gegen Covid-19 erhielten viel Aufmerksamkeit, als der damalige US-Präsident Trump damit behandelt wurde. Jetzt hat die Charité eine Ambulanz eröffnet, in der solche Präparate verabreicht werden. Eine Option für Jedermann ist das aber nicht.
Corona-Infizierte mit bestimmten Risikofaktoren sollen an der Charité in Berlin ambulant mit Antikörper-Medikamenten vor einem schweren Covid-19-Verlauf bewahrt werden. Am 19. April habe die Antikörper-Ambulanz auf dem Campus in Mitte den Testbetrieb begonnen, sagte der stellvertretende Ärztliche Direktor der Charité, Joachim Seybold. „Wir rechnen mit einer hohen Nachfrage. Versorgt werden in der Ambulanz Menschen im frühen Stadium der Infektion, die die Therapie wegen Risikofaktoren am dringendsten brauchen.“
Eingesetzt werde unter anderem die Antikörper-Kombination von Regeneron (Casirivimab-Imdevimab), die auch bei der Corona-Infektion des damaligen US-Präsidenten Donald Trump eingesetzt worden war, schilderte Seybold. Einen Termin für die einmalige Infusionstherapie in der Ambulanz können nur die behandelnden Haus- oder Fachärzte vereinbaren, nicht Patienten selbst. Gedacht ist das Angebot etwa für Menschen mit Immunsuppression wegen Chemotherapie oder Organtransplantation, chronischen Nierenerkrankungen, Übergewicht (BMI von 35 und darüber), der chronischen Lungenerkrankung COPD, Lungenfibrose und für Menschen mit Down-Syndrom.
Eine Reihe weiterer Voraussetzungen muss erfüllt sein: Möglich ist die Therapie nur bei Erwachsenen, die maximal milde bis moderate Symptome aufweisen und dies seit nicht mehr als fünf Tagen. Ein mögliches Risiko ist eine allergische Reaktion auf die Antikörper. Besondere Vorsicht ist daher geboten bei Menschen, die schon einmal einen schweren allergischen Schock hatten.
Monoklonale Antikörper-Präparate haben in Europa noch keine Zulassung. Die Bundesregierung hatte Ende Januar mitgeteilt, 200.000 Dosen entsprechender Präparate für 400 Millionen Euro gekauft zu haben. Wie Seybold erklärte, werden die Präparate einer Reihe von Klinikapotheken kostenfrei zur Verfügung gestellt.
Bisher werden die Mittel in Deutschland nach Entscheidung eines Arztes bereits in Einzelfällen bei Patienten eingesetzt, die ein Risiko für einen schweren Verlauf haben. Für die besonders schweren Covid-19-Fälle, die die Universitätsklinik stationär versorgt, sind die Antikörper keine Option, wie Seybold sagte. „Auch wenn ein Patient schon Luftnot hat, ist es für die Antikörperinfusion zu spät.“
Die Charité betont, dass Patienten ausführlich aufgeklärt würden; es handle sich jedoch nicht um eine Arzneimittelstudie. Für den Besuch der Ambulanz unterbrechen die Patienten ihre häusliche Isolation. Sie werden nach Charité-Angaben angehalten, sich mit einem Krankentransportwagen oder einem Privatauto zur Behandlung ans Klinikgelände bringen zu lassen und „selbstverständlich keine öffentlichen Verkehrsmittel zu nutzen“, hieß es. Die Infusion dauere eine Stunde, hinzu komme eine einstündige Nachbeobachtungszeit.
Das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) schreibt auf seiner Webseite über die Ausnahme-Regelung zum Einsatz der Mittel unter anderem, die Anwendung lasse „ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis zur Vorbeugung oder Behandlung von Covid-19 erwarten“. Möglicherweise helfen die Mittel demnach, die Virusmenge im Patienten zu begrenzen. „Gemäß den Ergebnissen einer klinischen Prüfung wurden Patientinnen und Patienten nach einer Behandlung weniger häufig ins Krankenhaus eingeliefert oder haben eine Notaufnahme aufgesucht.“
Der Verband der Ersatzkassen hatte vor einigen Tagen kritisiert, dass der medizinische Nutzen monoklonaler Antikörper nicht nachgewiesen sei. Gefordert wurde, der Einsatz sollte „zwingend mit einer entsprechenden Datenerhebung im Rahmen von Studien erfolgen, um daraus Aussagen zum medizinischen Nutzen und potenziellen Schaden abzuleiten“.
In den USA hatte die Arzneimittelbehörde FDA dem Antikörper-Medikament Bamlanivimab kürzlich die Notfallzulassung für die alleinige Therapie wieder entzogen. Dort hatten sich zuletzt Virusvarianten verbreitet, gegen die das Medikament allein nicht mehr ausreichend wirksam ist. In Kombination mit einem anderen Antikörper kann es jedoch weiterhin eingesetzt werden.