Ein Bügelschloss sichert zwei große Riegel, die Oberfeldapotheker Duane-Eddy Harder langsam nach vorne bewegt. Mit einem Ruck zieht der 41-Jährige Soldat die olivgrüne Containertür auf. Hinter ihr lagern Hunderte von Paketen mit Covid-19-Impfstoff. Die Temperatur wird ständig überwacht: In dem mobilen Lagerraum herrscht eine konstante Kälte von minus 20 Grad. Von hier aus, der Artland-Kaserne in Quakenbrück bei Osnabrück, nehmen die in Deutschland gespritzten Vakzine gegen Covid-19 ihren Ausgang.
Vor ziemlich genau einem Jahr habe die Bundeswehrapotheke in Quakenbrück die deutschlandweite Verteilung der Impfstoffe übernommen, erzählt der 53-jährige Standortleiter Martin Pape im Dienstrang eines Flottenapothekers. „Wir wurden im Oktober 2020 gefragt, ob wir uns diese Aufgabe vorstellen können.“
Inzwischen ist die Artland-Kaserne der Vertriebspunkt für alle auf dem Markt befindlichen Covid-19-Impfstoffe. Seit dem Spätsommer vergangenen Jahres vertreiben Pape und seine Crew auch den von den Lagerbedingungen her sehr anspruchsvollen Impfstoff von Biontech. Im Gegensatz zu den Vakzinen von Johnson & Johnson oder Moderna, die „nur“ bei Temperaturen von minus 20 Grad gelagert werden, müssen die Biontech-Dosen bei arktischen Minus 60 Grad einen Lagerplatz finden. Inzwischen stehen zwei 40 Fuß lange Lagercontainer und mehr als zehn Spezialkühlschränke zur Verfügung.
Das Be- und Entladen der Container für die Biontech-Impfdosen sei keine leichte Arbeit, sagt Pape. Nur für wenige Minuten dürfen die Mitarbeiter in den dunklen Raum, die allein von einer Stirnlampe beleuchtet wird. „Wenn Sie bei Minus 60 Grad atmen, kommt der Atem als Schnee herunter.“ Wem die Augen tränten, der könne die Lider nicht mehr öffnen. Die Arbeit sei auch extrem kräftezehrend. „Der menschliche Organismus ist für diese Temperaturen nicht gemacht.“
„Aktuell haben wir rund 15 Millionen Impfdosen Moderna am Lager und 1,2 Millionen Dosen Johnson & Johnson“, sagt Pape. Am schnellsten werde Biontech umgeschlagen: Aufgrund der hohen Nachfrage erfolge nach jeder Lieferung sofort eine Auslieferung. Morgens verlassen die Lastwagen des Logistik-Unternehmens Hellmann den Standort und fahren die Impfstoffe bundesweit zu 60 Verteilstellen. Nachmittags wird die Ware von den Herstellern geliefert. Ausgeliefert wurden bislang rund 94 Millionen Impfdosen, angeliefert etwa 111 Millionen.
Noch im vergangenen Sommer sah es so aus, als ob die deutschlandweite Versorgung mit Impfstoffen für den Bundeswehrstandort bald Geschichte sein würde – die Nachfrage ging rapide zurück. Das änderte sich mit dem Aufkommen der vierten Welle im Herbst, als die Infektionszahlen drastisch zunahmen. Gerade in den Wochen vor Weihnachten sei sehr viel los gewesen, erzählt Oberfeldapotheker Harder. „Die Ansage vom Bundesgesundheitsminister und von Bundeskanzler Olaf Scholz, bis zum Jahresende 30 Millionen Impfungen anzubieten, haben wir hier gemerkt.“
Von den Auseinandersetzungen um das Für und Wider der Impfungen sei die Kaserne bislang verschont geblieben, sagt Pape. Seine größte Sorge sei es, dass irgendjemand versucht, über den Zaun der Kaserne zu steigen. „Wenn jemand Plakate aufhängen will, ist das ja okay.“ Aber auch das sei bislang nicht geschehen – mit einer Ausnahme: Als im vergangenen Mai der damalige Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) kam, sei in der Nähe ein Bettlaken zu sehen gewesen mit der Aufschrift „Schützt unsere Kinder“. Ob sich das für oder gegen die Impfungen richtete, sei nicht bekannt. Die um die Kaserne herum wohnenden Quakenbrückerinnen und Quakenbrücker seien sehr aufmerksam, was unbekannte Leute am Zaun angehe. „Die sind unsere Alarmposten.“
Die Bundeswehr habe den Vertrieb der Impfstoffe als Amtshilfe für das Bundesgesundheitsministerium übernommen, und auch das nur auf Zeit, betont Pape. Tätig werde die Bundeswehr aufgrund Artikel 35 des Grundgesetzes, wonach zur Abwehr von Katastrophen auch die Streitkräfte eingesetzt werden dürfen. „Ich hoffe, dass bald auch ein ziviler Anbieter diese Aufgabe übernehmen wird.“
Der Großhandelsverband Phagro habe ein starkes Interesse daran, dass der künftige Dienstleister erfahren im Umgang mit Covid-19-Impfstoffen ist, sagte eine Verbandssprecherin dazu. Es sollte sich auch um einen „etablierten Partner der pharmazeutischen Lieferkette“ handeln. Insgesamt seien im vergangenen Jahr etwa 125 Millionen Dosen Covid-19-Impfdosen ausgeliefert worden.
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