An der Semmelweis-Universität Budapest wurden bereits mehr Menschen geimpft als in den meisten deutschen Städten: Über 14.000 waren es bereits vor gut zwei Wochen. Darunter waren nicht nur über 80 Prozent des medizinischen Personals, sondern auch ein Großteil der Studierenden. Denn die Uni will unbedingt zurück zum Präsenzunterricht – und die ungarische Impfstrategie ermöglicht es ihr, dafür ihre Studierenden durchzuimpfen. Einer von ihnen: Benedikt Bühler, der vor einem guten Jahr mit seiner Petition für ein Rx-Versandverbot auf sich aufmerksam machte.
In Ungarn gelten ab dem dritten Studienjahr Pharmaziestudenten als Personal mit Patientenkontakt, denn sie stehen regelmäßig in der Apotheke: „Die Semmelweis-Universität legt großen Wert auf eine sehr gute Ausbildung, deshalb sind laut Curriculum ab dem 5. Semester regelmäßiger Patientenkontakte vorgesehen. Als Pharmaziestudent steht man ab dem 3. Studienjahr mindestens zwei Stunden pro Woche in Apotheke“, erklärt Bühler. Und bei ihm ist das nicht anders. Außerdem habe der Dekan der Universität Druck gemacht. „Die Universität will so schnell wie möglich wieder Präsenzveranstaltungen anbieten, da die gerade für die Laborausbildung unersetzbar ist.“
Deshalb wurden in den zurückliegenden Wochen bereits tausende Mitarbeiter und Studierende der Traditionsuniversität geimpft. Und das lief nach Bühlers Darstellung absolut reibungslos ab. „Wir wurden von der Uni per Mail informiert, dass wir ein Impfangebot bekommen, und gleichzeitig darüber aufgeklärt, dass Personen, die sich nicht impfen lassen, wöchentlich einen PCR-Test und täglich Schnelltest durchführen lassen müssen, wenn sie an Präsenzveranstaltungen teilnehmen wollen“, erklärt er.
Also ging es für den 20-Jährigen am Montag in die Uniklinik. Vorab musste er einen Fragebogen zu Gesundheitszustand und Vorerkrankungen ausfüllen und dann mitbringen. Die Impfaktion selbst sei vom Militär organisiert, erzählt er: Seine Impfeinladung musste er Soldaten vorzeigen, die ihn in Empfang genommen und zur impfenden Ärztin gebracht haben. Nach kurzer Besprechung des Fragebogens erhielt er seine 0,3 Milliliter Cormirnaty in den Arm gespritzt, ruhte sich noch eine Stunde im Wartebereich aus und konnte dann nach Hause. In drei Wochen ist der Termin für die zweite Dosis.
Angst muss er vor der nicht haben, die erste habe er bereits ohne Weiteres überstanden. „Ich hatte ganz leichte Impfschmerzen im Arm, die waren aber am nächsten Tag schon wieder weg“, sagt er. Beeindruckt zeigt er sich vom organisatorischen Ablauf im Vergleich zu Deutschland. „Hier wird alles digital organisiert und in einer beeindruckenden Geschwindigkeit umgesetzt – während in Deutschland alles zusammenbricht. Es gibt gerade bei der Digitalisierung in Verwaltung und Gesundheitswesen viele Bereiche, in denen man sich in Deutschland eine Scheibe von Ungarn abschneiden kann.“
Auch ansonsten sei das Coronamanagement in Ugarn weitaus konsequenter als hier. So würden bei jeder Einreise umfangreich Daten aufgenommen und die Verpflichtung zu Quarantäne nicht nur erklärt, sondern mit regelmäßigen Kontrollen auch deren Einhaltung überprüft. Die Situation indes ist mit der deutschen sehr gut vergleichbar: Die Sieben-Tages-Inzidenz pro 100.000 Einwohner liegt derzeit mit 85 nur unwesentlich niedriger als die deutsche. Dafür war Ungarn im Dezember ungleich härter getroffen: Auf über 400 stieg sie – doppelt so hoch wie hierzulande. Anders als in Deutschland gibt es aber in Ungarn keine Debatte über Immunitätsausweise, auch wenn die nicht so heißen. „Die Impfung ist kostenlos, aber man bekommt nach der zweiten Impfung eine Plastikkarte, auf der steht, dass man geimpft ist“, erklärt Bühler. „Ungarn arbeitet gerade Regeln aus, welche Vorteile Geimpfte erhalten könnten. Welche das sein werden, steht aber noch nicht fest, darüber wird gerade diskutiert.“
Keine große Debatte gebe es auch über die Impfstrategie – aber wohl auch, weil die gar nicht so offenliegt wie in Deutschland. „Zur allgemeinen Impfpriorisierung in Ungarn kann ich gar nichts Genaues sagen. In Deutschland ist das ja sehr transparent gestaltet, hier aber weniger“, sagt Bühler. „Ungarn geht aber einen anderen Weg und lässt auch Pharmazeuten und Studierende früh impfen. Ich halte das für durchaus sinnvoll, dass man Medizinern und Pharmazeuten früh die Möglichkeit gibt, sich zu immunisieren.“
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