Damit das Impfen schneller geht, können sich Brandenburger nun auch beim Arzt einen Piks gegen Corona holen. In den ersten Praxen läuft das Modell an. Nach der Kritik von SPD-Regierungschef Woidke an der Impfstrategie äußert sich der grüne Koalitionspartner.
Die Corona-Impfung ist in Brandenburg auch beim Arzt möglich – aber zunächst nur in einem Modellprojekt. Der Versuch startete am Mittwoch in einer Gemeinschaftspraxis im Senftenberger Ortsteil Hosena in der Lausitz. Das Impfen in Arztpraxen laufe seit Jahrzehnten - das sei die normalste Sache der Welt, sagte der Chef der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg (KVBB), Peter Noack. Es werde Zeit, dass die Corona-Impfverordnung von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) entsprechend geändert wird. „Damit erreichen wir Bürgernähe.“ Das Impfen müsse in die Fläche gebracht werden, um hohe Impfraten zu erreichen. Als erste ließen sich zwei Pflegekräfte mit dem Impfstoff Astrazeneca impfen.
Das Modellprojekt sei zunächst landesweit auf rund 50 Praxen angelegt, sagte Gesundheitsstaatssekretär Michael Ranft. Er hoffe,
dass dann Anfang April die Zahl auf bis zu 1100 steigen könne. Wenn diese Praxen pro Woche 100 Impfungen vornähmen, wären das pro Woche im ganzen Land etwa 100.000, rechnete er vor. Ein reguläres Impfen in Arztpraxen ist allerdings nach der jetzigen Corona-Verordnung noch nicht möglich. Auch in Wittenberge und in einer Praxis in Pritzwalk (beide Prignitz) starteten die ersten Impfungen. Dies war außerdem in einer Praxis in Bad Belzig (Potsdam-Mittelmark) geplant.
Bis zum Ende des kalendarischen Sommers am 21. September sollen 1,75 Millionen Brandenburger zweimal gegen das Coronavirus geimpft sein – dafür müsste es zum Beispiel im April 440.000 Impfungen geben. Die Impfungen waren in den vergangenen Wochen eher schleppend vorangegangen. Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) verwies auf fehlenden Impfstoff.
Nun kommen immer mehr Lieferungen. Nonnemacher hatte deshalb am Montag angekündigt, dass die Impfungen in den Turbo-Gang schalten. Bis Dienstag bekamen rund 113.000 Brandenburger eine Erstimpfung, das ist ein Anteil von 4,5 Prozent der Bevölkerung. Damit liegt das Land bundesweit hinten, bei den Zweitimipfungen hingegen mit 3 Prozent über dem Bundesschnitt.
Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hatte am Dienstag mehr Tempo bei den Impfungen verlangt und damit auch die bisherige Impfstrategie des vom grünen Koalitionspartner geführten Ministeriums kritisiert. Er nannte es nicht akzeptabel, wenn Brandenburg bei der Impfquote der Erstimpfungen bundesweit auf dem letzten Platz liege. „Das geht so nicht. Hier ist schnelle Abhilfe vonnöten.“ Die Grünen wiesen die Kritik zurück. „Wir müssen beim Mammutprojekt Corona-Impfungen an einem Strang ziehen“, sagte ihre Landesvorsitzende Julia Schmidt der Deutschen Presse-Agentur. „Das Thema Impfen zur Wahlkampf-Profilierung zu nutzen, halten wir für wenig hilfreich. Dafür ist dieses komplexe Projekt viel zu wichtig.“
In der Landesregierung gebe es das gemeinsame Ziel, allen in Brandenburg so schnell wie möglich ein vollständiges Impfangebot zu machen. „Brandenburg sichert dabei die Zweitimpfungen ab, setzt auf vollen Impfschutz für die Bevölkerung anstatt Risiken zugunsten eines raschen Voranschreitens bei den Erstimpfungen einzugehen“, betonte Schmidt. Bisher wurde in elf Impfzentren, mit mobilen Teams in Pflegeheimen sowie in Krankenhäusern geimpft. Zunächst sind über 80-Jährige, Bewohner und Mitarbeiter in Pflegeheimen sowie medizinisches Personal mit hohem Infektionsrisiko dran. Aber auch Menschen mit schweren Erkrankungen an Leber, Niere und Psyche, Polizisten mit hohem Infektionsrisiko bei Einsätzen und Lehrer und Erzieher können schon einen Schutz bekommen – auch wenn sie in der zweiten Impfgruppe sind.
APOTHEKE ADHOC Debatte