Die von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) geplante Verstetigung des Botendiensthonorars über Ende September 2020 hinaus steht auf der Kippe: Nach Informationen von APOTHEKE ADHOC wird die Entfristung und Absenkung auf 2,50 Euro wieder aus dem Entwurf für das Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) gestrichen. Stattdessen soll es im Apothekenstärkungsgesetz (VOASG) geregelt werden. Damit kann die Entfristung aber voraussichtlich nicht mehr Ende September greifen. Bis zum Inkrafttreten des VOASG würde das Botendiensthonorar damit zunächst wieder entfallen.
CDU-Gesundheitspolitiker Micheal Hennrich sagte gegenüber APOTHEKE ADHOC, er gehe davon aus, dass das Botendiensthonorar jetzt im VOASG geregelt werde. Dort gehöre es auch systematisch hin. Nächste Woche will das Bundeskabinett das KHZG verabschieden. Unklar ist allerdings der Grund für den Wechsel des Gesetzes. Dem Vernehmen nach gab es Widerstand aus dem für die Apothekenhonorierung zuständigen Bundeswirtschaftsministerium (BMWi). Auch die Krankenkassen kritisieren die durch das Botendiensthonorar entstehenden Mehrkosten von circa 75 Millionen Euro pro Jahr.
Der Wechsel ins VOASG könnte für die Apotheken aber noch andere Konsequenzen haben. Das VOASG ist bereits vom Kabinett beschlossen. Es müssten also entsprechende Änderungsanträge eingebracht werden. Dies eröffnet neue Möglichkeiten für Lobbyarbeit. Bisher sollten die Kassen das Botendiensthonorar zusätzlich zu den im VOASG vorgesehenen 150 Millionen Euro für neue pharmazeutische Dienstleistungen zahlen. Es ist daher anzunehmen, dass bei der anstehenden VOASG-Beratung im Parlament Forderungen laut werden, das Botendiensthonorar aus diesem Topf zu finanzieren und damit zu verrechnen. Damit gingen den Apotheken 75 Millionen Euro Extra-Honorar verloren.
Im BMWi zeigt man sich seit längerem über die Spahns Alleingänge beim Apothekenhonorar verärgert. Vor etwa einem Jahr hieß es in einem internen Dokument des Ministeriums: „Das Gesetzgebungsvorhaben des BMG verdeutlicht einmal mehr, dass das BMG weder Zuständigkeit des BMWi für Arzneimittelpreisverordnung respektiert, noch vertrauensvolle kollegiale Zusammenarbeit innerhalb der Bundesregierung anstrebt“, heißt es darin und weiter: „Bundesgesundheitsministerium greift immer wieder unabgestimmt in die Verordnungskompetenz des Bundeswirtschaftsministeriums ein“, beschwerte sich das BMWi-Fachreferat Gesundheitswirtschaft.
Weil viele Apotheken während der Corona-Krise ihre Botendienste ausgeweitet haben, hatte die Politik auf Forderungen der Abda reagiert und ein Sonderhonorar beschlossen. Einmalig 250 Euro sowie 5 Euro pro Botendienst bekommen die Apotheken von den Krankenkassen bis Ende September erstattet. Weil die Pandemie alles andere als überwunden ist, waren die Forderungen nach einer Entfristung immer lauter geworden. Dem wollte Spahn im Krankenhauszukunftsgesetz kurzfristig nachkommen. Im Gesetzentwurf heißt es: „Die bisher in der Sars-CoV-2-Arzneimittelversorgungsverordnung geregelte Vergütung für den Botendienst der Apotheken wird verstetigt und von 5 Euro auf 2,50 Euro je Botendienst gesenkt.“
Die im SGB V geplante Verankerung des Botendiensthonorars sei notwendig, um in Regionen mit geringerer Apothekendichte die Versorgung mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln sicherzustellen. Der Botendienst trage zu einer Entlastung bei der Zahl der Apothekenbesuche und zur Sicherstellung der Versorgung dieser Personen mit Arzneimitteln bei, heißt es zur Begründung.
Nach Einführung des neuen Botendiensthonorars Ende April wurden im Mai 2020 insgesamt 2,52 Millionen Rx-Lieferungen durch Vor-Ort-Apotheken mit den Krankenkassen abgerechnet. Diese Zahlen hat das Marktforschungsunternehmen Iqvia ermittelt. Damit hätten die Krankenkassen bis Ende Mai über 14 Millionen Euro bezahlt, um die Arzneimittelversorgung in der Corona-Pandemie sicherzustellen, schreibt Iqvia.
In ihrer Stellungnahme zum KHZG hatte sich die Abda bereits über das unbefristete Botendiensthonorar gefreut. Die Abda begrüßte die dauerhafte Verankerung der Botendienstvergütung in § 129 Sozialgesetzbuch (SGB V). „Die Regelung ist eine angemessene und notwendige Honorierung der Leistung der Apotheken bei der Versorgung von Patienten in ihrem lokalen Umfeld, die die Apotheke nicht selber aufsuchen können“, hieß es dort. Allerdings sei die Höhe des Zuschlags nicht kostendeckend. Die Halbierung der Vergütung von 5 auf 2,50 Euro hätte laut Abda zur Folge, dass es auch weiterhin zu einer deutlichen Kostenunterdeckung beim Botendienst komme. Und zwar in jedem Fall – auch, wenn man nicht-pharmazeutisches Personal zum Mindestlohn für den Botendienst einsetze.
Unter Berücksichtigung von Fahrt- und Lohnnebenkosten liege die Kostendeckung eines durchschnittlichen nicht-pharmazeutischen Botendienstes mit Mindestlohn bei etwa vier Euro, so die Abda. „Für einen pharmazeutischen Botendienst durch einen Pharmazeutisch-technischen Assistenten (PTA) ergeben sich hingegen Kosten von rund sieben Euro“, hieß es in der Stellungnahme und weiter: „Wir erachten daher im Sinne einer Mischkalkulation den bisherigen Botendienstzuschlag nach der Sars-CoV-2-Arzneimittelversorgugnsverordnung in Höhe von 5,00 Euro zuzüglich Umsatzsteuer als sachgerecht.“
Die Abda regte außerdem eine Botendienstvergütung für erstattungsfähige OTC-Arzneimittel an, denn bisher kann das Honorar nur für verschreibungspflichtige Arzneimittel abgerechnet werden. Ausgenommen sind nicht nur OTC, sondern auch Hilfsmittel und Medizinprodukte. Geht es nach der Abda, soll die Pauschale auch für nicht verschreibungspflichtige, aber erstattungsfähige Präparate abgerechnet werden können, wenn diese im Rahmen des Botendienstes abgegeben werden.
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