Prognose der Infektion

Blutgruppe beinflusst Verlauf

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Berlin -

Chinesische Wissenschaftler hatten sich bereits Ende März mit der Frage beschäftigt, welchen Einfluss die Blutgruppe auf die Anfälligkeit für Sars-CoV-2 haben könnte. Was damals noch kritisch gesehen wurde, konnte nun durch eine weitere Studie bestätigt werden: Die Blutgruppe hat einen Einfluss auf den Infektionsverlauf. Personen mit Blutgruppe A haben ein besonders hohes Risiko.

Forscherteams aus Wuhan und Shenzen behaupteten Ende März, dass die Blutgruppe einer der Hauptfaktoren für Coronavirus-Infektionen sei: Die Anfälligkeit würde mit den verschiedenen Blutgruppen in Verbindung stehen und variieren. Die Ergebnisse der Untersuchung wurden damals im Fachjournal „Forbes“ veröffentlicht. Vorerst erlangte die Studie eher wenig Beachtung. Wochen später änderte sich dies, als immer mehr Wissenschaftler die Annahme aufgriffen und weitere Studien zur Überprüfung starteten, so auch in Kiel.

Verdacht bestätigt

Anfang Juni verdichteten sich die Hinweise darauf, dass die Blutgruppe eine Rolle bei dem Verlauf der Infektion spielen könnte. Wissenschaftler der Universitätsklinikik Schleswig-Holstein (UKSH) und der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) hatten gemeinsam mit Forschern aus Norwegen Blutproben aus europäischen Corona-Epizentren ausgewertet. Die vorerst als Preprint veröffentlichte Studie zeigt, dass Menschen mit Blutgruppe A besonders häufig einen schweren Verlauf erleiden. Die Studie wurde jetzt wissenschaftlich begutachtet und gestern im „New England Journal of Medicine“ (NEJM) veröffentlicht.

In die Studie wurden 1980 hospitalisierte Patienten mit schweren Covid-19-Verläufen miteingeschlossen. 835 Patienten und 1255 Kontrollteilnehmer stammten aus Italien, 775 Patienten und 950 Kontrollteilnehmer aus Spanien. Insgesamt analysierten die Wissenschaftler über 8,5 Millionen Einzelnukleotid-Polymorphismen (Variation eines einzelnen Basenpaares in einem komplementären DNA-Doppelstrang). In der Kohorte zeigte eine blutgruppenspezifische Analyse ein höheres Risiko in Blutgruppe A als in anderen Blutgruppen und eine Art Schutzwirkung in der Blutgruppe 0 im Vergleich zu anderen Blutgruppen. Die Studie konnte also eine mögliche Beteiligung des ABO-Blutgruppensystems bestätigen.

Die Kieler Wissenschaftler beschäftigten sich stark mit zwei bestimmten Genorten, die sie als hochsignifikant für eine höhere Sterblichkeit einstuften. Die Autoren sprechen von „wirklich interessanten Regionen im Genom“, die fähig seien „das Risiko für einen schweren Verlauf von Covid-19 zu erhöhen beziehungsweise zu verringern.“ Noch wissen die Autoren nicht, warum die Blutgruppe die Schwere einer Covid-19-Infektion beeinflussen kann. Der Genort für die Blutgruppe wird mit bestimmten Entzündungsbotenstoffen verbunden.

Blutgruppe A als Risikofaktor

Mit 43 Prozent ist die Blutgruppe A die häufigste in Deutschland. Diese Blutgruppe, so die Wissenschaftler, geht mit einem um knapp 50 Prozent höherem Risiko einher, einen schweren Verlauf zu erleiden. Sars-CoV-2 hat spezielle Proteine auf der Oberfläche, die sich an verschiedene Zucker auf Oberflächenzellen des Wirtes binden. Diese Zucker sind auf der Zellmembran aller Zellen im Körper und dienen als Bindungsstelle für das Virus. Wer Blutgruppe A hat, der hat – einfach gesprochen – einen zusätzlichen Zucker auf der Oberfläche, genannt anacitosales Glucosamin. Dieser Stoff exsistiert auf Zelloberflächen von Menschen mit der Blutgruppe 0 nicht. Durch den Zucker wird dem Virus das Andocken an die Zelle erleichtert. Die Vermehrung im Körper erfolgt schneller.

Antikörper in Blutkonserven

Erstmals haben Wissenschaftler in Deutschland Blutspenden gezielt auf Antikörper gegen Sars-CoV-2 untersucht. Von den mehr als 900 Blutspendeproben enthielt nur ein sehr geringer Anteil Antikörper gegen Sars-CoV-2. Die Hamburger Wissenschaftler haben bei einem Anteil von unter 1 Prozent Antikörper aufweisen können. Die Auswertung der Blutspenden könnte laut den Forschern einen Anhaltspunkt für unentdeckte Corona-Infektionen bieten. Blutspender werden nicht obligatorisch auf Coronaviren wie Sars-CoV-2 mit direktem Virusnachweis getestet. Eine solche Testung sei aufgrund der aktuell geringen Verfügbarkeit von Test-Kits kaum möglich, so die Spenderdienste. Zudem berge dieses Vorgehen eine weitere Gefahr: Durch eine Testung könnte ein falscher Anreiz für potenziell Erkrankte geschaffen werden, zur Blutspende zu kommen und damit andere zu gefährden.

 

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