Biontech in Arztpraxen – das geht Alexandra Negt, 24.02.2021 07:43 Uhr
In Mecklenburg-Vorpommern erproben sich erste Mediziner am stationären Impfen in ihren eigenen Praxen. Das erste Pilotprojekt startete bereits Ende Januar im Landkreis Nordwestmecklenburg. Ältere Personen erhalten den mRNA-Impfstoff Comirnaty beim Hausarzt.
„Das Modellprojekt läuft gut“, berichtet ein Sprecher des Landkreises, „mittlerweile sind zehn Arztpraxen an Bord.“ Somit konnte der zum Teil große Anfahrtsweg von 60 Kilometer bis zum nächsten Impfzentrum auf maximal 15 Kilometer verringert werden. „Im Landkreis haben wir zwei stationäre Impfzentren. Hier läuft weiterhin der Großteil der Impfungen ab, doch die Teilnahme der Arztpraxen ist eine gute Ergänzung, vor allem für diejenigen, die nicht so mobil sind.“
Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) warnte bereits vor einem drohenden Impfstau. Um alle verfügbaren Impfdosen auch verabreichen zu können sei die Einbindung der Ärzte und eine zeitnahe Impfung in den Praxen unumgänglich. „Wir müssen zweigleisig fahren und die Impfungen so schnell wie möglich in die Praxen bringen, denn schon bald werden die Lager voll sein, aber es wird nicht ausreichend Kapazitäten zur Impfung in den Zentren geben“, so KBV-Chef Dr. Andreas Gassen.
Auf die Frage, was in den Arztpraxen verimpft wird, antwortet der Sprecher „Biontech“. Auch in den Praxen gehe es darum, die Impfreihenfolge einzuhalten. „Wir müssen uns auch hier an die Priorisierung halten und da der Vektorimpfstoff von AstraZeneca nicht für über 65-Jährige genutzt werden soll, wird dieser im Pilotprojekt auch nicht verimpft.“ Die Biontech-Vials werden unverdünnt, aber aufgetaut, in die Praxen gebracht. Dort kann die Vakzine dann bis zu sechs Tage im Kühlschrank gelagert werden.
„Es herrscht immer noch viel Unsicherheit über die Lagerungen des Biontech-Impfstoffes“, so würden zahlreiche Menschen immer noch davon ausgehen, dass die Lagerung immer bei -70 Grad erfolgen muss. „Durch die neuen Angaben des Herstellers zur Lagertemperatur in den jeweiligen Formen ist es möglich, dass der Impfstoff aus den Impfzentren zu den Arztpraxen gelangt. Die kritische Zeit beginnt ja erst nach der Verdünnung.“
Die Termine vereinbaren die Impflinge nicht mit der Praxis, sondern mit der zentralen Hotline, genauso wie alle anderen Personen, die für die Immunisierung ein Impfzentrum aufsuchen. „Wir müssen auch ganz klar sagen, dass aktuell noch nicht so viele Menschen in den Praxen geimpft werden. Rund 25 Dosen pro Woche und Praxis haben wir jetzt in der Anfangszeit gezählt.“ Doch zur Anfangszeit sei auch nicht ausreichend Impfstoff vorhanden gewesen. Selbst bei größeren Kapazitäten oder höherer Nachfrage hätten die Ärzte nicht mehr Menschen immunisieren können. Das sähe nun anders auch, auch deshalb soll das Modellprojekt bald auf Länderebene Fuß fassen. Weitere Arztpraxen sollen mitmachen.
Die Impfstoffverteilung läuft somit, zumindest im Modellprojekt, über die Impfzentren. Von einer Beteiligung der Apotheken ist aktuell keine Rede. „Ob und wie sich das in den kommenden Wochen ändern wird, bleibt abzuwarten. Das ist dann auch Sache des Landes und nicht mehr die Entscheidung des Landkreises.“ Nordwestmecklenburg klopft sich auf die Schulter – es ist das erste Pilotprojekt, das drei Wochen nach dem Start bislang als gelungen bezeichnet werden kann. „Die mediale Aufmerksamkeit, die wir gemeinsam mit dem Initiator Dr. Fabian Holbe aus Neuburg auf das Projekt gezogen haben, hat uns selbst überrascht.“ Holbe ist Allgemeinmediziner und impft seit Beginn des Projektes in seiner Praxis. Seiner Erfahrung nach lässt sich das Impfen in der eigenen Praxis gut umsetzen.