Berlin: Kammer kann Schutzmasken verteilen Tobias Lau, 17.04.2020 15:26 Uhr
Dass in der Berliner Landesverwaltung mal etwas besser funktioniert als in Bayern oder Baden-Württemberg, kommt nicht oft vor. Die Apotheker der Hauptstadt können sich deshalb gerade gleich doppelt freuen: Anders als in mehreren anderen Bundesländern werden sie nämlich bei der zentralen Beschaffung von Schutzausrüstung berücksichtigt. Die ersten Lieferungen sind bereits eingetroffen und werden voraussichtlich ab kommender Woche verteilt. Wie, ist allerdings noch nicht ganz klar.
Hebammen und Bestatter: ja. Apothekenmitarbeiter: nein. So sieht die Verteilung der zentral beschafften Schutzausrüstung in Bayern zum Leidwesen von Kammerpräsident Dr. Thomas Benkert aus. Ähnliche Klagen sind aus Baden-Württemberg zu hören: Der Apothekerverband mahnt, die Offizinen zu berücksichtigen. Bisher habe das Ministerium die Apotheken mit keinem Wort erwähnt. In Niedersachsen hat der Apothekerverband erst am Donnerstag darüber geklagt, von der Landesregierung nicht ausreichend berücksichtigt worden zu sein und in Brandenburg schimpft Kammerpräsident Jens Dobbert gar über eine Abfuhr. „Unsere Frage und Bitte an das Gesundheitsministerium Brandenburg nach Schutzausrüstung für die Apotheken im Land Brandenburg wurde abgelehnt – sogar in der Modifizierung, wenigstens im Fall eines Weiterbetriebs der Apotheke unter ‚Schutzauflagen‘, diese dann erfüllen zu können“, so Dobbert kürzlich in einem Präsidentenbrief an die Kammermitglieder.
Nur wenige Kilometer von der Hauptgeschäftsstelle in Potsdam entfernt sieht die Situation allerdings ganz anders aus. „Der Krisenstab der Senatsverwaltung für Gesundheit, Pflege und Gleichstellung hat die Kammer informiert, dass für die Berliner Apotheken ein Kontingent von 25.000 Stück OP-Masken aus der zentralen Beschaffung des Landes bereitstehen“, konnte die Apothekerkammer Berlin diese Woche verkünden.
Das ist zwar vorerst nur ein Tropfen auf den heißen Stein – aber auch die Krisenstäbe müssen sich auf dem international derzeit hart umkämpften Markt behaupten, verteidigt Kammerpräsidentin Dr. Kerstin Kemmritz den Umfang der ersten Lieferung. „Wir haben natürlich einen deutlich höheren Bedarf an Masken angegeben und haben auch Bedarf an anderer Schutzausrüstung wie Handschuhen angemeldet“, sagt sie. Aber man muss im Moment eben nehmen, was man kriegen kann.
Dass Ärzte und Krankenhäuser größere Kontingente bekommen, sorgt vielleicht mancherorts für Verstimmung, sei aber nachvollziehbar. „Wir müssen bei so einer Mangelware natürlich akzeptieren, dass die zuerst in die Kliniken und Praxen geht“, so Kemmritz. „Aber ich sehe, dass nicht nur der Wille da ist, uns auch zu berücksichtigen, sondern auch dass bereits Taten folgen und das erste Material eingetroffen ist. In Berlin ist schon seit Wochen klar, dass Apothekenmitarbeiter zum Personal der kritischen Infrastruktur gehören.“
Während sich zahlreiche Kammern und Verbände von ihren Landesregierungen über- oder gar hintergangen fühlen, kann Kemmritz deshalb nach eigener Darstellung auf eine fruchtbare Kooperation verweisen. „Die Zusammenarbeit mit den Behörden ist sehr gut. Es gibt natürlich immer mal was zu meckern und wir werden mal in einem Dankeswort vergessen, aber die Organisation funktioniert“, sagt sie. Die Kammer sei festes Mitglied des Krisenstabs, bringe sich dort aktiv ein und biete ihre Hilfe an. Das gelte auch für die Beschaffung und Verteilung. Es sei dem Krisenstab gelungen, unter vielen zwielichtigen Anbietern seriöse Lieferanten zu finden. Erste Lieferungen seien bereits eingetroffen – und müssen nun an die Apotheken in der Hauptstadt verteilt werden, was die Kammer vor eine weitere Herausforderung stellt.
„Wir haben uns als Kammer in den letzten Tagen sehr intensiv Gedanken gemacht, wie wir diese 25.000 Masken und die weitere zu erwartende Schutzausrüstung verteilen können“, erklärt Kemmritz. Das genaue Prozedere werde im Moment ausgearbeitet. „Der konkrete Zeitplan wird sich herausstellen, wenn wir wissen, wer die Logistik übernimmt.“ Im Moment gebe es mehrere Logistiker, die Interesse bekundet haben. „Ich denke, ab nächster Woche sind wir auslieferungsfähig – dann fehlt nur noch der Großteil der Ware.“
Wann mehr kommt und wie viel, ist indes noch nicht abzusehen. Als würde das die Planung nicht kompliziert genug machen, ist es auch für die Kammer nicht leicht, gegenüber der Senatsverwaltung anzugeben, wie viel überhaupt gebraucht wird. „Die Bedarfsmeldung an den Krisenstab haben wir auf Grundlage einer Schätzung aus der Geschäftsstelle gemacht“, erklärt Kemmritz. „Es ist sehr schwer, da vorab verlässliche Zahlen zu schätzen, da sich die Lage wöchentlich ändert.“ Die Frage, ob und falls ja, wie kontingentiert wird, ist deshalb ebenfalls noch ungeklärt. Auch deshalb weist die Kammer explizit darauf hin, dass es sich bei den Masken um Persönliche Schutzausrüstung (PSA) für die im Gesundheitswesen Beschäftigten handelt. „PSA-Material ist nicht zur Abgabe an die Bevölkerung bestimmt“, so die Kammer in einer Mitteilung an ihre Mitglieder.
Die Ausrüstung diene lediglich dazu, das Apothekenteam vor Infektion zu schützen, damit es keine Ausfälle bei dem systemrelevanten Personal gibt. „Denn wenn diese Personen ausfallen, können sie auch niemandem mehr helfen. Aus diesem Grund darf das PSA-Material nicht an die Bevölkerung abgegeben werden, auch nicht bei zu erwartendem Nachfragedruck“, so die Kammer.
Die weitere Versorgung der Apotheken mit PSA-Material durch den Krisenstab würde gefährdet, wenn Apotheken PSA-Material nicht bestimmungsgemäß für den Selbstschutz verwenden, sondern verkaufen würden. „Die Apothekerkammer warnt ausdrücklich davor.“ Doch die Apotheken dürfen nicht nur kein Geld mit dem Material machen, sie müssen auch selbst dafür bezahlen. „Die Masken werden nicht verschenkt, sondern an alle Beteiligten verkauft – allerdings zu fairen Preisen“, so die Kammerpräsidentin. Wie hoch die sind, kann ebenfalls noch nicht verlautbart werden. Es gibt also noch viele Unbekannte in der Rechnung – aber immerhin, so wendet Kemmritz ein: „Es ist nicht planlos.“