Es ist ein Kraut gewachsen

Beifuß gegen Covid-19

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Berlin -

Beifuß ist vornehmlich als Mittel gegen schwere Malaria bekannt. Der Inhaltsstoff Artemisinin ist im Fertigarzneimittel Artesunat enthalten. Bereits 2005 hatten chinesische Forscher davon berichtet, dass Artemisinin-Extrakte nicht nur gegen Malaria und Wurminfektionen wirken, sondern auch gegen das Virus Sars-CoV-1. Und das ist ja mit SARS-CoV-2, das Covid-19 verursacht, eng verwandt. Nun verfolgen Wissenschaftler des Potsdamer Max-Planck- Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung den Ansatz, dass der ursprünglich pflanzliche Stoff wirksam gegen Covid-19 sein könnte.

Nicht erst im Zusammenhang mit Covid-19 haben sich die Wissenschaftler des Potsdamer Max-Planck- Instituts für Kolloid- und Grenzflächenforschung mit dem Beifuß auseinandergesetzt. „Wir arbeiten schon länger mit Artemisia annua“, berichtet Professor Dr. Peter Seeberger, Biochemiker am Institut. Genauer gesagt zielen die Forschungen auf den Inhaltstoff Artemisinin ab. Studien in China konnten zeigen, dass alkoholische Extrakte aus Artemisia annua das zweitwirksamste pflanzliche Arzneimittel bei der Sars-CoV-Pandemie im Jahre 2005 waren. „Angesichts der Ähnlichkeiten zwischen diesen beiden Viren müssen Pflanzenextrakte und Artemisininderivate gegen das neue Coronavirus getestet werden“, so Seeberger, Direktor am Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung in Potsdam. Sars-CoV-2 ist laut den Forschern unter den bisher bekannten Beta-Coronaviren einzigartig, da es eine polybasische Spaltstelle enthält, von der bekannt ist, dass sie die Pathogenität und Übertragbarkeit in anderen Viren erhöht.

Andere Labore – gleiche Ergebnisse

Anfang März kam Ware in Form von Ausgangsstoffen aus Amerika an – gerade noch rechtzeitig vor dem Lockdown. Die Forscher konnten durch unterschiedliche Verfahren zeitnah verschiedene Extrakte gewinnen. Die eigentlichen Zellversuche konnten jedoch nicht in Potsdam durchgeführt werden – der Standort verfügt nicht über ein S3-Labor. Durch die fehlenden Räumlichkeiten entstand eine Zusammenarbeit mit der Freien Universität in Berlin. Die dort durchgeführten Tests mit den Pflanzenextrakten wurden in dänischen Laboren erneut wiederholt. Das dortige Labor kam zu den gleichen Ergebnissen.

Extrakt wirksamer als Reinsubstanz

„Die Extrakte zeigten zu unserer eigenen Überraschung eine gute Wirkung, das heißt, sie hinderten das Wachstum des Covid-19-Virus deutlich“, berichtet Seeberger. „Ich war etwas überrascht, weil die Reinsubstanzen weniger gute Ergebnisse zeigten als die wässrigen oder ethanolischen Extrakte von Artemisia annua. Am besten wirkte übrigens der ethanolische Extrakt in Kombination mit Kaffee.“ Bislang konnte die gute Wirksamkeit gegen Sars-CoV-2 nur im Zellversuch gezeigt werden. Nun sollen Tests am Menschen folgen. Die ersten Studien sollen am akademischen medizinischen Zentrum der Universität von Kentucky starten.

Seeberger rechnet Ende August mit den ersten Ergebnissen. Bis dahin gelte es, als Endkunde Ruhe zu bewahren. Denn Beifuß kann in getrockneter Form über Apotheken und Reformhäuser bezogen werden. Auch im Internet kann der Kunde Ware erhalten, diese ist meist ungeprüft, sodass der genaue Wirkstoffgehalt an Artemisinin nicht bekannt ist. „Ich würde keinem raten, einfach so irgend etwas einzunehmen. Es gibt viele Anbieter von Naturheilstoffen. Aber allein bei den Beifuß-Tees ist die Bandbreite sehr groß. In Wildpflanzen beträgt der Anteil von Artemisinin vielleicht 0,1 Prozent, bei gezüchteten Pflanzen 1,6 bis 2,0 Prozent betragen.“

Beifuß gegen Malaria

Beifuß kann auch gegen Malaria eingesetzt werden – hier werden meist synthetische Abkömmlinge vom Artemisinin eingesetzt. Der halbsynthetische Wirkstoff Artesunat gehört zur Gruppe der Antiprotozoika und wird zur Behandlung der durch Plasmodium falciparum verursachten Malaria eingesetzt. Er leitet sich vom natürlichen Stoff Artemisinin ab – zeigt im Vergleich eine signifikant verbesserte Bioverfügbarkeit. Artesunat wurde 2002 von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in die Liste der unentbehrlichen Arzneimittel aufgenommen. Die Sicherheit und Wirksamkeit des Wirkstoffes wurden in zwei randomisierten kontrollierten Studien dargelegt. In Studie 1 wurden 1461 Patienten eingeschlossen, die entweder Artesunat oder das Vergleichsmedikament Chinin erhielten. Es wurden auch Kinder eingeschlossen – insgesamt wurde das Präparat an 202 pädiatrische Patienten unter 15 Jahren getestet. Studie 2 umfasste 5425 randomisierte pädiatrische Patienten unter 15 Jahren mit schwerer Malaria, die mit Artesunat oder Chinin behandelt wurden. In beiden Studien war die Anzahl der mit Artesunat behandelten Patienten, die verstarben, signifikant niedriger als die Anzahl der Patienten, die in der mit Chinin behandelten Kontrollgruppe starben.

Pflanzlich gegen Covid-19

Auch andere Pflanzen wurden bereits auf eine mögliche Wirksamkeit gegen Sars-CoV-2 untersucht. So auch die Herbstzeitlosen. Mehrere Studien haben sich mit dem Einsatz des Gichtmittels Colchicin zur Behandlung von Covid-19 beschäftigt. Die ersten Ergebnisse einer kleineren Studie wurden nun veröffentlicht: Sie geben erste Hinweise auf positive Effekte, dennoch müssen weitere Studien abgewartet werden, um eindeutige Ergebnisse zu erhalten. Die Anwendung des Alkaloids ist kritisch: Richtig dosiert kann es gegen die typischen Beschwerden eines akuten Gichtanfalls helfen. Wird es jedoch überdosiert, kann es schnell zu Vergiftungserscheinungen kommen. In einigen Fällen kam es durch eine Falscheinnahme bereits zu Todesfällen.

 

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