Kassenabschlag

Becker: Politik muss MwSt-Nachteil für Apotheken korrigieren Lothar Klein, 11.06.2020 12:28 Uhr

MwSt: DAV-Chef Fritz Becker setzt auf ein Einsehen der Politik. Foto: Andreas Domma
Berlin - 

Die geplante Mehrwertsteuersenkung führt bei den Apotheken über den Kassenabschlag zu einer finanziellen Belastung: Pro Rx-Arzneimittel sinkt das Netto-Apothekenhonorar um 4 Cent. Nächste Woche soll dieser Teil des „Wumms“-Konjunkturpakets bereits im Bundestag beschlossen werden. Daher meldet sich jetzt auch der Deutsche Apothekerverband (DAV) zu Wort: Das könne nach monatelangem „Geackere“ der Apotheken an der „Coronafront“ doch nicht Ziel der Politik sein, so der Vorsitzende Fritz Becker.

Der DAV begrüße das Anliegen der Bundesregierung, die Wirtschaft zu stärken und die negativen Folgen der Corona-Pandemie abzufedern, so das Statement von Becker. Die vergangene Woche angekündigte Absenkung des Mehrwertsteuersatzes von 19 auf 16 Prozent zwischen 1. Juli und 31. Dezember möge generell auch bei der Erreichung dieses Ziels helfen. Becker: „Für den Bereich der Arzneimittelversorgung führt sie leider aber auch zu Schwierigkeiten, weil hier viele Besonderheiten zu berücksichtigen sind.“

Zunächst macht der DAV-Chef darauf aufmerksam, dass bei den Rx-Arzneimitteln ohnehin kein Preisspielraum bestehe: „Das beginnt schon damit, dass die Mehrwertsteueranpassung Verbraucherpreise senken und den Konsum ankurbeln soll, eine preisabhängige Nachfragesteigerung in der Arzneimittelversorgung aber gar nicht gewollt ist.“ Dazu komme, dass die Änderung die Apotheken nicht nur administrativ, sondern tatsächlich auch finanziell zusätzlich belastet, wenn es keine flankierenden Maßnahmen gebe. Und natürlich sei darüber hinaus die Zeit für eine saubere Umsetzung bis 1. Juli knapp.

Apotheker seien zwar Unternehmer, die Umsatz- und Gewerbesteuer zahlten, sie seien aber auch freie Heilberufler, deren Arbeit stark durch die Sozialgesetzgebung reguliert sei. „In einem freien Markt bewegen sich die Apotheken nunmal nicht“, so der DAV-Vorsitzende. Bei mehr als 80 Prozent des Umsatzes handele es sich um rezeptpflichtige Arzneimittel, die bundeseinheitlichen Preisen unterlägen, die wiederum größtenteils von den Krankenkassen erstattet würden. Becker: „Hier kann die Apotheke weder ‚Preisvorteile‘ weitergeben, noch ist die Nachfrage preissensibel.“

Dagegen sei der Apothekenabschlag als Rabatt für Krankenkassen mit 1,77 Euro brutto pro Medikament nominal festgelegt. Sinke der Mehrwertsteueranteil an diesem Abschlag, wachse die Nettobelastung der Apotheke, während die Krankenkasse finanziell profitiere. Becker: „Der Effekt macht einen zweistelligen Millionenbetrag im Jahr aus. Gerade nachdem die Apotheken monatelang an der ‚Coronafront‘ geackert haben, ist es bestimmt nicht Ziel der Politik, dass sie im Zuge des Konjunkturprogramms Nachteile erleiden. Hier geht es um einen unbeabsichtigten und unerwünschten Nebeneffekt, den der Gesetzgeber verhindern beziehungsweise ausgleichen kann. Genau dazu sind wir im Gespräch mit der Politik.“

Offenbar hatte niemand in der Hektik der Zusammenstellung des 130 Milliarden Euro schweren Konjunkturpakets den Kassenabschlag im Blick. Vom Bruttopreis führen die Apotheken den Kassenabschlag gemäß § 130 SGB V in Höhe von 1,77 Euro an die Krankenkassen ab. Darin enthalten sind auch 19 Prozent Mehrwertsteuer. Das heißt, das Nettohonorar der Apotheken verringert sich nach Abzug der MwSt um 1,487 Euro. Sinkt der Mehrwertsteuersatz wie jetzt geplant jedoch auf 16 Prozent, verringert der Kassenabschlag den Nettoumsatz auf 1,526 Euro. Pro abgegebenes Arzneimittel und jede Rezeptur erhalten die Apotheken netto 4 Cent weniger.

Bei knapp 760 Millionen Rx-Packungen im Jahr 2019 bedeutet das aufs Jahr gerechnet eine Einbuße von 30,4 Millionen Euro. Die Mehrwertsteuersenkung ist allerdings nur für sechs Monate vorgesehen. Daher halbiert sich dieser „Kollateralschaden“. Nach Abzug des PKV-Rezeptanteils, für den kein Kassenabschlag abgeführt wird, würden die Apotheken somit gut 12 Millionen Euro belastet. Jetzt darf man gespannt sein, wie der „Kollateralschaden“ in der geplanten Mehrwertsteuersenkung ausgebügelt wird.