Bayern hält an Bürgertests fest Patrick Hollstein, 08.06.2022 15:47 Uhr
Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) fordert den Bund erneut auf, die Testverordnung (TestV) „sinnvoll und zeitnah“ zu verlängern – und zwar noch deutlich vor dem Auslaufen der derzeitigen Regelung zum 30. Juni. Auf diese Weise sollen Bürgertests erhalten bleiben.
„Ich denke an präventive Testungen zum Schutz vulnerabler Personengruppen etwa im Umfeld von Pflegeeinrichtungen oder Krankenhäusern“, so Holetschek. „Hinzu kommen die Testungen bei einem Verdacht auf eine Infektion mit dem Coronavirus, auch ohne Symptome.“ Holetschek forderte den Bund auch auf, kostenfreie Bürgertests zumindest für die Jüngsten und Ältesten über den Juni hinaus zu ermöglichen. Der Minister fügte hinzu: „Klar ist auch: Die steigenden Preise sind für viele Menschen ein Problem. Wenn sich aber keiner mehr testen kann, werden Infektionen nicht entdeckt.“
Ob und in welchem Umfang der Freistaat selbst eine eigene Teststrategie schaffen wird, ist laut einem Sprecher des Gesundheitsministeriums derzeit nicht final absehbar. „Maßgeblich hierfür wird sein, inwieweit der Bund die zugrundeliegende TestV für den Herbst und Winter anpassen wird. Klar ist: Die Zeit drängt und den Ländern fehlt nach wie vor jede Planungssicherheit.“
Keine Rückmeldung vom Bund
Die Pandemie sei noch nicht vorbei, so der Sprecher weiter. „Auch im Herbst 2022 werden Testungen, insbesondere für vulnerable Gruppen, weiterhin notwendig sein und eine hinreichende Testinfrastruktur erfordern. Deshalb wurde der Bund mehrfach dringend aufgefordert, Klarheit über die Testmöglichkeiten im Herbst und Winter 2022 zu schaffen und die TestV mit den bisherigen Testansprüchen bedarfsgerecht zu verlängern. Auch die Ministerpräsidenten der Länder haben letzte Woche den Bund aufgefordert, hier Klarheit zu schaffen, zumindest aber die Bürgertestungen weiter zu ermöglichen. Eine Rückmeldung des Bundes hierzu steht noch aus. Solange nicht feststeht, wohin der Bund steuert, sind dem Freistaat leider die Hände gebunden.“
Laut Bundesgesundheitsministerium (BMG) laufen dazu zur Zeit noch die internen Beratungen. „Bis zum Monatsende gilt die TestV, danach wird es eine Lösung geben. Wie die aussehen wird, bleibt noch abzuwarten“, so ein Sprecher auf Nachfrage. Der Corona-Expert:innenrat der Bundesregierung schlägt ein abgestuftes Modell vor, das von den Inzidenzen abhängt und auch andere Nachweismöglichkeiten wie Abwasser-Screening berücksichtigt. Um die Kapazitäten vorrätig zu halten, sollen Impfzentren die Aufgabe übernehmen.
Holetschek forderte mehr Tempo bei den Pandemie-Vorbereitungen für den Herbst: „Wenn die Bundesregierung weiter so zerstritten bleibt, schafft sie die Vorbereitung auf den Herbst nicht. Statt konkreten Lösungen höre ich nur, dass die Koalitionspartner einander beharken. Ich fordere die Bundesregierung zu mehr Sachlichkeit in der Debatte und vor allem zu mehr Konzentration auf das Wesentliche auf: den Schutz der Menschen vor einer möglichen neuen Pandemie-Welle! Nur darauf darf es ankommen.“
Pandemie als Chefsache
Der Minister unterstrich: „Die Länder und Kommunen in ganz Deutschland warten seit Wochen dringend darauf, dass die Bundesregierung die Weichen für einen sicheren Corona-Herbst stellt. Aber bislang sorgt die Ampel-Koalition mit ihrem Zank nur für Verwirrung und Verunsicherung. Auch die FDP muss jetzt auf ihre parteipolitischen Spielchen verzichten und Verantwortungsbewusstsein zeigen.“ Bundeskanzler Olaf Scholz müsse notfalls ein Machtwort sprechen: „Es kann nicht sein, dass sich in der deutschen Corona-Politik der Populismus-Kurs eines kleinen Ampel-Partners durchsetzt. Vielmehr muss der Kanzler die Pandemie endlich zur Chefsache machen.“
Holetschek begrüßte jedoch die Stellungnahme des Expertenrates der Bundesregierung zu den Pandemie-Vorbereitungen für den Herbst und Winter als Schritt in die richtige Richtung. „Das vorgelegte Expertenpapier enthält sehr gute Impulse und viele nachvollziehbare Ziele. Allerdings muss nachjustiert werden – wichtig ist zum Beispiel die Einbindung des hausärztlichen Bereichs. Etwas zu kurz kommen zudem Aussagen zu den benötigten Ressourcen und zu genauen rechtlichen Vorgaben für die Zielerreichung und praktische Umsetzung.“
Gerade Rechtssicherheit müsse gewährleistet sein, wenn die Zahlen wieder steigen. „Deshalb brauchen wir ein aktuelles Infektionsschutzgesetz mit sicheren Rechtsgrundlagen, um zum Beispiel Testpflichten für vulnerable Personen und Maskenpflicht in Innenräumen unabhängig von einer Hotspotregelung anordnen zu können. Auch der Expertenrat empfiehlt diese Maßnahmen der Bundesregierung, die das nun endlich als Aufforderung verstehen muss, in die Umsetzung zu gehen – und zwar noch vor der Sommerpause, damit genügend Vorbereitungszeit für Länder, Kommunen, Arztpraxen, Krankenhäuser und Alten- und Pflegeheime bleibt.“
Eigene Impfkampagne
Der Minister verwies darauf, dass Bayern schon vor Wochen einen 5-Punkte-Plan zur Vorbereitung auf eine mögliche neue Corona-Welle vorgelegt hat. Dazu gehören unter anderem die Sicherstellung der medizinischen und pflegerischen Versorgung sowie die Stärkung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes. Holetschek kritisierte: „Davon lese ich im Expertenpapier leider noch zu wenig – da müssen nach dem ersten Schritt noch weitere folgen für diejenigen, die die Kranken behandeln oder die Pandemiebekämpfung vor Ort koordinieren.“
Der Minister fügte hinzu: „Andere Vorschläge des Expertenrates hat Bayern längst selbst in Angriff genommen. So gehören zum bayerischen 5-Punkte-Plan die Grundlagen für ein effizientes Frühwarnsystem im Hinblick auf das Auftreten von besorgniserregenden Virusvarianten. Diese Grundlagen hat der Freistaat bereits gelegt, beispielsweise in Form von Abwassermonitoring oder durch die enge Zusammenarbeit mit Laboren und Wissenschaftlern im Projekt 'BayVOC'. Überdies wird Bayern eine eigene Impfkampagne starten.“