9-fach erhöhte Überlebenswahrscheinlichkeit

Aviptadil: Polypeptide bei Covid-19

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Berlin -

Das Atemversagen stellt eine der häufigsten Komplikationen von Covid-19 dar. In vielen Fällen endet es tödlich. Das Medikament RLF-100 (Aviptadil) von Relief Therapeutics und NeuroRx ist eine Formulierung des sogenannten „vasoaktiven intestinalen Polypeptids“ (VIP) und zeigte in einer Studie vielversprechende Ergebnisse: Es konnte die Überlebenswahrscheinlichkeit von Patienten mit kritischen Verläufen und Atemversagen um das 9-Fache erhöhen.

Die offene, prospektive Studie wurde an 45 Patienten mit schweren Covid-Verläufen auf der Intensivstation durchgeführt: 21 von ihnen wurden mit Aviptadil behandelt, die anderen 24 erhielten unter denselben Bedingungen die Standardtherapie. Da sie alle unter schweren Komorbiditäten litten, wurden sie aus der laufenden, randomisierten, kontrollierten Phase-IIb/III-Studie von RLF-100 ausgeschlossen. Obwohl sie mit zugelassenen Covid-Therapien behandelt wurden, verschlechterte sich deren Zustand.

Überlebenschancen unter Atemversagen erhöht

Von den Patienten, die Aviptadil erhielten, überlebten schließlich 81 Prozent länger als 60 Tage, in der Kontrollgruppe waren es hingegen nur 17 Prozent. Damit zeigten die RLF-100-Patienten eine 9-fach erhöhte Überlebenswahrscheinlichkeit und Erholung. „Diese ersten Ergebnisse aus der Behandlung von hoch komorbiden Patienten mit Atemversagen in Zusammenhang mit Covid-19 sind sehr ermutigend und wir freuen uns, dass die Mehrheit dieser Patienten sicher zu ihren Familien zurückkehren konnten. Wir sind sehr gespannt auf die bevorstehende Auswertung der randomisierten, doppelt verblindeten, prospektiven Studie an Patienten mit geringeren Komorbiditäten zur Bestätigung dieser Ergebnisse“, kommentierte Dr. Jihad Georges Youssef, Leiter der allgemeinen akademischen Lungenmedizin am Houston Methodist Hospital und verantwortlicher Prüfarzt der Studie am Houston Methodist, der auch als nationaler Co-Chair der laufenden randomisierten kontrollierten Studie fungiert, die Ergebnisse.

Die in diese Studie eingeschlossenen Patienten seien repräsentativ für diejenigen, die zu krank sind, um in irgendeine klinische Studie mit einem bekannten Wirkstoff zur Behandlung von Covid-19 aufgenommen zu werden, erläutert Dr. Jonathan Javitt, CEO und Chairman von NeuroRx weiter. Die wissenschaftlichen Ergebnisse der Studie wurden zur Begutachtung (Peer Review) eingereicht.

Corona mit natürlichen Peptiden bekämpfen?

Die Daten würden darauf hinweisen, dass eine Möglichkeit besteht, den Angriff des Coronavirus auf die empfindlichen Zellen, die die Lunge auskleiden, mit einem natürlichen Peptid mildern zu können. Denn Aviptadil ist eine Formulierung des vasoaktiven intestinalen Polypeptids (VIP): Dieses wurde erstmals 1970 entdeckt und im Darmtrakt identifiziert. Mittlerweile ist bekannt, dass es im gesamten Körper produziert wird und sich in der Lunge konzentriert. Zahlreiche Studien konnten am Tiermodell zeigen, dass es bei Atemnot, Lungenschädigungen und Entzündungen eine zytokinhemmende Aktivität aufweist. 70 Prozent der VIP-Moleküle binden im Körper an die Alveolar-Typ-2-Zelle – eine seltene Zelle der Lunge, die für den Sauerstoffaustausch im Körper entscheidend ist. Bei Patienten mit Lungenfibrose, Asthma und anderen Erkrankungen hat sich VIP bereits als sicher erwiesen.

Vor dem akuten Atemversagen unter Covid-19 kommt es wahrscheinlich zu einer Infektion der alveolären Typ-2-Zellen. Diese weisen hohe Konzentrationen von ACE-2-Rezeptoren auf, welche als Eintrittspforte für Sars-CoV-2 dienen. Es konnte gezeigt werden, dass sich Coronaviren zwar in den alveolären Typ-2-Zellen, jedoch nicht in den viel häufiger vorkommenden Typ-1-Zellen replizieren. Alveoläre Typ-2-Zellen weisen auf ihren Zelloberflächen allerdings auch eine hohe Konzentration an VIP-Rezeptoren auf. Daraus entstand die Hypothese, dass das VIP diese Zellen spezifisch vor Verletzungen schützen könnte.

Bereits 2001 erhielt RLF-100 von der US-Arzneimittelbehörde FDA eine „Orphan Drug Designation“. Die FDA hat inzwischen für die intravenöse und inhalative Verabreichung zur Behandlung von Covid-19 eine Zulassung zur klinischen Prüfung und eine Fast-Track-Kennzeichnung erteilt. Derzeit wird Aviptadil in den USA in zwei Placebo-kontrollierten klinischen Phase-IIb/III-Studien zur Behandlung von Atemnot aufgrund von Covid-19 untersucht. Seit Juli 2020 wurden mehr als 150 Patienten mit schweren Covid-Verläufen und Atemversagen im Rahmen von durch die FDA genehmigte Protokolle mit dem Wirkstoff behandelt.

 

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