Der vom Pharmakonzern AstraZeneca entwickelte Corona-Impfstoff zählt zu den aussichtsreichen Kandidaten im Kampf gegen die Pandemie. Doch es kommt zunehmend Kritik auf. So gab es beispielsweise Ungereimtheiten bei den Wirksamkeitsdaten der Vakzine, die offenbar auf einer Dosierungs-Panne beruhen. Nun kommt das Mittel auf den Prüfstand.
Vor einigen Tagen sorgten die Ergebnisse des Corona-Impfstoffs von AstraZeneca für Verwirrung: Zunächst waren verschiedene Wirksamkeitsangaben im Umlauf, dann stellte sich heraus, dass die durchschnittliche Wirksamkeit von 70 Prozent aus zwei Studien mit unterschiedlichen Impfschemata berechnet wurde. Das Besondere: Sie scheinen unterschiedlich wirksam zu sein. Zwei volle Dosen schützen mit einer rund 70-prozentigen Wahrscheinlichkeit vor Covid-19. Wird bei der ersten Injektion nur die halbe Dosis verabreicht, so entsteht ein Infektionsschutz von 90 Prozent. Offenbar scheint eine schleichende Immunisierung somit besser wirksam zu sein. Bei einer doppelten Injektion mit gleicher Stärke scheint es jedoch zu einer Inaktivierung der zweiten Dosis durch das stimulierte Immunsystem zu kommen.
Die unterschiedliche Dosierung war jedoch offenbar keine Absicht, sondern kam durch einen Fehler zustande, wie das Fachjournal „Science“ berichtet: Demnach seien die Impfstoffgefäße für die erste Impfung in der britischen Studie fälschlicherweise nur mit der Hälfte der eigentlich vorgesehenen Dosis befüllt worden. Die damit geimpften Probanden wurden jedoch nicht aus der Untersuchung entfernt, nachdem der Fehler aufgefallen war – stattdessen wurde das Studienprotokoll dahingehend geändert. Die Entdeckung ist somit ein Glückstreffer.
Die umstrittenen Impfstoff-Ergebnisse des Pharmakonzerns AstraZeneca werden nun im Auftrag der britischen Regierung geprüft. Dies sei ein „erster, bedeutender Schritt bei der Zulassung des Vakzins, wenn er die Sicherheits-, Wirksamkeits- und Qualitätsstandards erfüllt“, teilte das Gesundheitsministerium am Freitag in London mit. Die Prüfung soll von der britischen Aufsichtsbehörde für Arzneimittel durchgeführt werden. Zuvor waren Zweifel am Design der klinischen Studien und der hohen Wirksamkeit des Impfstoffs aufgekommen. Der schwedisch-britische Konzern plant daher zusätzliche Untersuchungen. Sie sollen die Daten „bereits vorhandener Studien ergänzen“, teilte eine Sprecherin von AstraZeneca mit, ohne Details zu nennen.
Kritiker bemängelten die Berechnungen der Wirksamkeit auf diese Weise, da unterschiedliche Dosen gegeben worden waren. US-Forscher kritisierten zudem, dass in der Studie, die zu einem hohen Impferfolg von 90 Prozent führte, kein Teilnehmer älter als 55 Jahre war. Doch gerade Senioren gelten als besonders gefährdete Gruppe. Ein großer Vorteil des Impfstoffs: Er kann den Angaben zufolge bei Kühlschranktemperaturen von zwei bis acht Grad aufbewahrt werden.
„Wir haben die Aufsichtsbehörde formell gebeten, den Impfstoff (...) zu bewerten, die Daten zu verstehen und festzustellen, ob er den strengen Sicherheitsstandards entspricht“, teilte Gesundheitsminister Matt Hancock mit. „Wir arbeiten unermüdlich daran, in der bestmöglichen Lage zu sein, einen Impfstoff bereitzustellen, sobald er von der unabhängigen Aufsichtsbehörde MHRA genehmigt wird.“
Anders als die vielversprechenden Vakzine der Mainzer Firma Biontech und des Pharmakonzerns Pfizer sowie der US-Firma Moderna gehört das britisch-schwedische Präparat nicht zu den mRNA-Impfstoffen. Die Wirksamkeit der Vakzine von Pfizer/Biontech und Moderna liegt für Doppelimpfungen nach vorläufigen Daten bei rund 95 Prozent.
Der von AstraZeneca eingesetzte Wirkstoff AZD1222 ist ein sogenannter Vektor-Impfstoff. Er beruht auf der abgeschwächten Version eines Erkältungsvirus von Schimpansen. Es enthält genetisches Material eines Oberflächenproteins, mit dem der Erreger Sars-CoV-2 an menschliche Zellen andockt. Das Mittel soll sowohl die Bildung von spezifischen Antikörpern als auch von T-Zellen fördern – beide sind für die Immunabwehr wichtig. Insgesamt haben weltweit Länder bereits Milliarden Dosen bei AstraZeneca geordert.
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