Apothekerin verkauft Toilettenpapier Alexandra Negt, 27.03.2020 13:52 Uhr
Apothekerin Birgit Möllenkamp betreibt drei Apotheken im Osnabrücker Landkreis. Im Notdienst kam ihr eine außergewöhnliche Idee: Sie stapelte Toilettenpapier neben ihren Verkaufstischen und bot diese zum Verkauf an. Die Aktion soll den Kunden nicht nur ein Lächeln auf das Gesicht zaubern, sondern auch Gutes tun: Ein Teil des Erlöses geht an eine Schule für Behinderte.
„Die Idee kam mir im Notdienst. Da kam ein älterer Herr, der etwas gegen Durchfall und Übelkeit kaufte und mir berichtete, dass er und seine Frau aktuell kein Toilettenpapier zu Hause hätten. Da habe ich ihm eine Packung Toilettenpapier verkauft, die ich vorrätig hatte,“ erzählt Möllenkamp. Der Mann habe sich wirklich darüber gefreut. Alle drei Apotheken von ihr sind in kleinen Ortschaften. Dort gebe es nur eine kleine Anzahl an Supermärkten – das Toilettenpapier war häufig ausverkauft. Die „Hamster“ hatte zugeschlagen. „In den kleinen Orten waren die Regale in den Supermärkten oft leer,“ berichtet die Apothekerin. Sie war selbst sehr glücklich darüber, dass sie dem Herrn mit einer Packung weiterhelfen konnte, sodass sie gleich eine große Anzahl an Rollen bestellte – für den Verkauf in der Offizin.
Nun türmen sich die gelben Verpackungen in der Apotheke. Gestapelt neben den Verkaufspunkten können die Kunden sich nun mit den Rollen eindecken. Die Stapel sind auffällig und sie bringen die Kunden zum Lachen. „An die Stapel habe ich kleine Slogans geklebt: Apotheker können auch Klopapier oder die neuen Wertpapiere, investieren Sie jetzt.“ Diese kleinen Zettel zauberten vielen Kunden spontan ein Lächeln ins Gesicht, was sich wiederum entspannend auf das allgemeine Miteinander auswirke. „Für Insider hätte ich noch den Spruch: Echt fälschungssicher nur mit Data-Matrix-‚Kot‘!“
„Trotz all der Schutzmaßnahmen sollten wir den Humor nicht gänzlich verlieren.“ Möllenkamp hat die empfohlenen Schutzmaßnahmen in Ihrer Apotheke umgesetzt: Jeder Verkaufstisch verfügt über einen „Spuckschutz“. Zettel und Hinweisschilder machen die Kunden darauf aufmerksam, dass ein Mindestabstand eingehalten werden soll. Vor dem Eingang wurde eine Art „Aufmerksamkeits-Barriere“ gestellt, die die Kunden bereits vor Betreten der Apotheke auf die Regeln aufmerksam machen soll. Die meisten Kunden hielten sich an die Regeln. Aber wie immer gebe es Ausnahmen, diese Kunden würden dann vom Personal erneut freundlich auf den Mindestabstand hingewiesen.
Mit dem ungewöhnlichen Angebot möchte die Apothekerin jedoch nicht nur etwas für den Humor tun. „Mit der Aktion möchte ich auch zeigen, wie schnell die kleinen inhabergeführten Unternehmen auf solche Situationen reagieren können,“ erzählt sie und verweist darauf, dass die großen Supermärkte öfter nicht ausreichend Ware angeliefert bekommen, da der Warenbedarf erst hoch gesetzt werden muss. Und der Verkauf hat noch etwas Gutes: „Die Aktion dient auch einem guten Zweck. Der Erlöse geht an eine Schule für schwerstbehinderte Menschen.“ In der Einrichtung werden die Kinder nicht nur im möglichen Maße unterrichtet, sondern bekommen auch täglich Therapeuten an die Seite, die sich um die Bedürfnisse eines jeden einzelnen Kindes kümmern. 50 Cent pro Packung spendet Möllenkamp an die Einrichtung.
Die Menschen im Ort seien zum Teil verunsichert, berichtet Möllenkamp. Viele Chroniker hätten sich beim Arzt gleich mehrere Rezepte ausstellen lassen, sodass die Patienten Tabletten für einen längeren Zeitraum vorrätig hätten. Auch die Anzahl der Rezepturen ging zunächst nicht zurück. Als Apothekerin begrüße sie es, wenn Ärzte in diesen Zeiten versuchen würden, weniger Individualrezepturen zu verordnen, sondern schauen, ob es ein alternatives Fertigarzneimitel gibt. Die Arztpraxen im Landkreis hätten indes ihre Öffnungszeiten angepasst. Einige seien nur noch vormittags erreichbar, andere Praxen wechselten sich untereinander ab. Auch hätte es erste Schließungen aufgrund von Corona-Verdacht gegeben, berichtet die Apothekerin. Der Kundenansturm in der Offizin hätte aber nur einige Tage angehalten. Nun sei es wieder ruhiger in ihren Apotheken geworden – wie üblich am Ende eines Quartals.
Die Vorgabe, sich nur noch für den Bedarf einer, anstatt zwei Wochen zu bevorraten, sieht die Apothekerin kritisch. Es sei fraglich, ob durch diese Maßnahme tatsächlich mehr Ware am Markt verfügbar sei. Nun gehe es zunächst darum, die Zeit so gut wie möglich zu überstehen und danach zu schauen, was man ändern könne. Toilettenpapier habe sie nun erstmal in ausreichenden Mengen für ihre Kunden an Lager. Die Apothekerin ist sich dem Ernst der Lage bewusst, sie versucht ihre Angestellten bestmöglich zu schützen. Dennoch – trotz aller Vorkehrungen und Regeln – ganz den Humor zu verlieren erachtet sie für falsch.